Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Urteil vom 22.09.2009 - VI ZR 19/08

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmähkritik gegen einen Vorstandsvorsitzenden. Abgrenzung der Meinungsfreiheit von ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen und dessen Vorstandsvorsitzenden.

 

Normenkette

BGB § 823; GG Art. 5 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 18.12.2007; Aktenzeichen 7 U 18/07)

LG Hamburg (Urteil vom 19.01.2007; Aktenzeichen 324 O 283/06)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 18.12.2007 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Hamburg vom 19.1.2007 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Klägerin zu 1) ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2) war bis Ende 2005 Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1) und Sprecher eines Aktionärsverbandes. Er hat sich wiederholt als Buchautor kritisch zu den Klägern geäußert.

[2] Am 28.7.2005 meldete die Klägerin zu 1), ihr Aufsichtsrat habe beschlossen, dass der Kläger zu 2) zum 31.12.2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am gleichen Tag wurde in der - auch in Hamburg zu empfangenden - Fernsehsendung "SWR-Landesschau" ein mit dem Beklagten geführtes Interview ausgestrahlt, in dem dieser u.a. folgende Äußerungen machte:

"Frage: Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindungen annimmt, da er kein Geld möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da eine Erklärung? Antwort des Beklagten: Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie Herrn S. [den Kläger zu 2] kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der S. unbedingt so orientiert ist, dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge, die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. Aufsichtsratsbörse, Aktionäre, alle wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

[3] Das LG hat dem Antrag der Kläger stattgegeben, folgende Äußerungen zu untersagen:

"a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2) als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1)) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. b) ... und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

[4] Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG ist zurückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

[5] Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen den Klägern die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu, weil die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen den Kläger zu 2) in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1) in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletze.

[6] Entgegen der Auffassung des LG seien die Äußerungsteile "Ich glaube nicht, dass der Rücktritt ... freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde." als Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Die einleitenden Worte "Ich glaube nicht, ..." und "Ich glaube, ..." verliehen der Äußerung nicht den Charakter einer Bewertung. In Betracht käme deshalb allenfalls eine Einordnung der Äußerungen als - zulässige - Verdachtsäußerungen. Jedoch seien die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass die beanstandeten Behauptungen unwahr seien, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan noch Beweis dafür angetreten habe, dass der Kläger zu 2) nicht freiwillig den Rücktritt erklärt habe und dass er dazu gedrängt oder genötigt worden sei.

[7] Die Äußerung "... und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat." habe das LG zu Recht als Meinungsäußerung eingestuft, aber als unzulässige Schmähkritik untersagt. Der Beklagte habe für seine Kritik keine Anknüpfungspunkte dargelegt. In einem solchen Fall müsse, da die Aussage - weil jeder tatsächlichen Grundlage entbehrend - nur der Kränkung und Demütigung der Kläger zu dienen bestimmt gewesen sei, die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit der Kläger zurücktreten.

[8] Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung seiner Äußerungen auch nicht darauf berufen, dass er Presseberichte guten Glaubens aufgegriffen habe. Hinsichtlich seiner Behauptung, er glaube, dass der Kläger zu 2) nicht freiwillig zurückgetreten sei, fehle es an Presseberichten zum Zeitpunkt seiner Äußerungen, weil solche erst an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht worden seien. Zudem habe der Beklagte eine Biografie über den Kläger zu 2) verfasst und sei deshalb keine unkundige Person gewesen. Hinsichtlich seiner Kritik, die Geschäfte des Klägers zu 2) seien "nicht immer so sauber" gewesen, enthielten die vorgelegten Presseberichte keine Fakten.

II.

[9] Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

[10] Diese rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des Beklagten zu Unrecht teilweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft sowie die Anforderungen an das Vorliegen einer Schmähkritik verkannt hat. Deshalb hat es die gebotene Abwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen der Kläger, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in Anspruch nehmen können (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, VersR 2005, 277, 279 m.w.N.; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rz. 10), nicht vorgenommen.

[11] 1. a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH BGHZ 132, 13, 21; v. 28.6.1994 - VI ZR 252/93, VersR 1994, 1120, 1121; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03 -, a.a.O.; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O., Rz. 11). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1997 - VI ZR 102/96, VersR 1997, 842, 843; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03 -, a.a.O.; v. 2.12.2008 - VI ZR 219/06, VersR 2009, 365 Rz. 12; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O.). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2006 - VI ZR 45/05, VersR 2007, 249, 250; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rz. 12; v. 22.4.2008 - VI ZR 83/07, VersR 2008, 971 Rz. 16; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O.).

[12] b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht beachtet, was revisionsrechtlich in vollem Umfang zur Überprüfung steht (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2005 - VI ZR 204/04, VersR 2006, 382 m.w.N.; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06 -, a.a.O., Rz. 11; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O., Rz. 12). Entgegen seiner Auffassung sind auch die von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften Äußerungsteile dem Schutz des Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.

[13] aa) Es ist zwar richtig, dass sich alleine aus den einleitenden Worten "Ich glaube nicht, ..." bzw. "Ich glaube, ..." nicht der Charakter einer Bewertung ergibt, die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Solche Formulierungen stehen ebenso wie die Formulierungen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", "sollen angeblich", "ich meine, dass" oder "offenbar" der Qualifizierung als Tatsachenbehauptungen nicht prinzipiell entgegen. Der Ansehensschutz würde leerlaufen, wenn es der Äußernde in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2008 - VI ZR 83/07, VersR 2008, 971 Rz. 18 m.w.N.).

[14] bb) Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews, in dem die streitigen Äußerungen gefallen sind, ergibt sich aber, dass es sich insgesamt um Äußerungen handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen sind. In dem Interview hat der Beklagte nicht nur durch die Worte "ich glaube" deutlich gemacht, dass er auf die Frage des Reporters nur seine Meinung zu dem Vorfall kundgeben wolle. Vielmehr hat er bereits am Anfang seiner Antwort klargestellt, dass er "mutmaßen" müsse. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass Dinge im Raum stünden, die "in den nächsten Monaten" geklärt werden müssten. Er hat die Entwicklung des Unternehmens während der Vorstandstätigkeit des Klägers zu 2) als Grundlage genommen, diesen zu charakterisieren. Hierzu zieht er auch dessen Visionen und die Art und Weise heran, wie dieser sich an die Spitze des Konzerns gekämpft und dort gehalten habe. Auf die Frage des Journalisten, ob er eine Erklärung dafür habe, dass der Kläger zu 2) ohne Abfindung aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, folgt dann die Antwort, von der die Instanzgerichte Äußerungsteile untersagt haben und die das Berufungsgericht teilweise als Tatsachenbehauptung eingestuft hat. Aufgrund dieses Gesamtzusammenhangs wird seine Äußerung jedoch insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und ist mithin insgesamt grundsätzlich dem Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG zu unterstellen.

[15] 2. Dies gilt - wie von den Instanzgerichten zutreffend angenommen - auch hinsichtlich des im Tenor unter b) untersagten Äußerungsteils, "... dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren". Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1982 - VI ZR 251/80, VersR 1982, 904, 905 und - VI ZR 255/80, VersR 1982, 906, 907; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O., Rz. 15). Der hier verwendete wertende Begriff "sauber" ist derart substanzarm, dass sich ihm eine konkret greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, VersR 2008 Rz. 14).

[16] 3. Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind mithin hinsichtlich der beiden untersagten Äußerungsteile grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rz. 13; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O., Rz. 17, jeweils m.w.N.). Diese Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil es den unter a) untersagten Äußerungsteil als Tatsachenbehauptung eingestuft und deshalb dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wahrheit seiner Aussage auferlegt und in dem unter b) untersagten Äußerungsteil eine unzulässige Schmähkritik gesehen hat. Entgegen dieser Auffassung ist jedoch eine Abwägung erforderlich, weil beide Äußerungsteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst werden und keine unzulässige Schmähkritik vorliegt.

[17] a) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (vgl. BGH BGHZ 143, 199, 209; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06 -, a.a.O., Rz. 15; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an (vgl. BGH BGHZ 143, 199, 209; v. 5.12.2006 - VI ZR 45/05, VersR 2007, 249, 251; v. 11.12.2007 - VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rz. 22; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/96 -, a.a.O.; v. 3.2.2009 - VI ZR 36/07 -, a.a.O.).

[18] b) Im Streitfall ist hinsichtlich beider Äußerungsteile ein sachlicher Bezug anzunehmen.

[19] Der Rücktritt des Klägers zu 2) und die Frage, ob dieser freiwillig zurückgetreten ist, waren von großem öffentlichem Interesse. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass sich die SWR-Landesschau am Tag des Rücktritts mit dieser Frage beschäftigte, sondern ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten Presseberichten, die an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht wurden. Der Beklagte hat sich mithin zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichem Interesse geäußert, wobei nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2) im Vordergrund stand.

[20] Eine Herabsetzung des Klägers zu 2), in einer Weise, dass dieser gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zweiten angegriffenen Äußerungsteil. Die Formulierung "das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat" stellt keine Formalbeleidigung dar. Die Formulierung ist nicht mit dem Vorwurf illegaler Geschäfte gleichzusetzen, sondern als weiter gefasster Vorwurf missbilligenswerter Geschäftspraktiken zu verstehen, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat. Diese Bewertung hat der Beklagte nicht isoliert vorgenommen, sondern im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Kläger zu 2) vorzeitig ohne eine Abfindung zurückgetreten ist. Da dies aus Sicht des Beklagten mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu 2) nicht in Einklang zu bringen ist, zog er die angegriffenen Schlussfolgerungen. Vor diesem Hintergrund kann der Äußerung des Beklagten ein Sachbezug nicht abgesprochen werden.

[21] 4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, sie in ihrem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und möglicherweise auch ihre geschäftliche Tätigkeit zu erschweren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der verwendete Begriff "sauber" ein bloß pauschales Urteil enthält, bei dem der tatsächliche Gehalt ggü. der Wertung zurücktritt und die Abwägung nicht beeinflusst (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07 -, a.a.O.; BVerfGE 61, 1, 9 f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1711). Zudem ist zugunsten der Meinungsfreiheit des Beklagten zu beachten, dass an der Bewertung der Geschäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt ein großes öffentliches Interesse besteht und es sich um eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. einen Vorgang im Wirtschaftsleben handelt. Dabei muss ein solches Unternehmen eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften weiter gezogen (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, VersR 2002, 445, 446; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03 -, a.a.O.; v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, VersR 2007, 511, 512; EuGHMR NJW 2006, 1255, 1259 Rz. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 - Fayed/Vereinigtes Königreich).

[22] Es ist allgemein bekannt und lässt sich den vorgelegten Presseberichten entnehmen, dass der Kläger zu 2) aufgrund seiner Geschäftstätigkeit in der Öffentlichkeit sehr kritisiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass während der Leitung des Unternehmens durch den Kläger zu 2) ein Börsenwertverlust i.H.v. 35 Mrd. EUR sowie eine Drittelung des Aktienkurses eingetreten und zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden seien. Da die Kläger keine Begründung für das Ausscheiden gegeben haben und der Kläger zu 2) auch keine Abfindung erhalten hat, war der Weg für Spekulationen über die Gründe des Rücktritts eröffnet. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände stellen sich die Äußerungen des Beklagten in einem Interview am Tage des Rücktritts - auch unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse über das Unternehmen und einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt des Klägers zu 2) - mithin als noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Wollte man in einem solchen Fall eine Äußerung der vorliegenden Art unterbinden, wäre eine spontane öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitsinteresse - auch unter Würdigung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen - in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.

[23] 5. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung abschließend entscheiden. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2243690

DB 2009, 2487

HFR 2010, 658

NJW 2009, 3580

EBE/BGH 2009

EWiR 2010, 75

NZG 2009, 1427

WM 2009, 2136

ZIP 2009, 2152

AfP 2009, 588

NJ 2009, 506

VersR 2009, 1545

WRP 2009, 1540

ZUM-RD 2010, 122

GRUR-Prax 2009, 15

GWR 2010, 10

GuT 2009, 317

NJW-Spezial 2010, 48

ZBB 2009, 444

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 8 Die Ausschlussfrist für den Beseitigungs- und Rückschnittsanspruch
    73
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 5 Messen der Grenzabstände
    24
  • Gebäudeeinsturz und herabfallende Gebäudeteile (Verkehrssicherung)
    21
  • Verkehrssicherungspflichten des Grundstückseigentümers / 1.5 Geschützter Personenkreis
    16
  • Gartenteiche und Schwimmbecken (Verkehrssicherung) / 1 Gartenteich
    12
  • Grunddienstbarkeit / 12.1 Teilung des belasteten Grundstücks
    11
  • Grunddienstbarkeit / 4.4.4 Vorteil für Berechtigten
    11
  • Bauarbeiten (Verkehrssicherung) / 1 Haftung des Bauherrn
    9
  • Baunachbarrecht / 4.4 Anspruch auf Entschädigung
    8
  • Geh- und Fahrrecht / 3 Ausübung des Wegerechts
    8
  • Garagen- und Stellplatzanlagenverordnung Rheinland-Pfalz / §§ 1 - 2 Teil 1 Allgemeine Vorschriften
    7
  • Geh- und Fahrrecht / 1 Allgemeines
    7
  • Grunddienstbarkeit / 6.2.4 Rangrücktritt
    6
  • Gerüche aus der Nachbarschaft / 1 Nachbarschutz
    6
  • Hammerschlags- und Leiterrecht / 4 Landesgesetzliche Vorschriften des Hammerschlags- und Leiterrechts
    5
  • Schlichtungsverfahren bei Nachbarstreitigkeiten / 2 Schlichtungsbedürftige Nachbarstreitigkeiten
    5
  • Teilungserklärung, Aufteilungsplan und Gemeinschaftsordn ... / 6 Änderung/Ergänzung von Einräumungsvertrag/Teilungserklärung
    5
  • Bestandsgebäude (GEG) / 1.2.2 Raumweise Regelung der Raumtemperatur
    4
  • Notwegrecht / 1.4.3 Erforderliche Baumaßnahmen
    4
  • Rechte und Pflichten des WEG-Verwalters (ZertVerwV) / 3.9 Überwachung und Abnahme von Werkleistungen
    4
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt VerwalterPraxis Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Immobilien
OLG Bamberg: Online-Bewertung „Nicht besonders fähiger Rechtsanwalt“
Wütend aussehender kleiner Junge zeigt Daumen nach unten
Bild: Corbis

Rechtsanwälte müssen eine negative Ein-Sterne-Online-Bewertung regelmäßig hinnehmen. Die Gerichte sehen hierin eine zulässige Meinungsäußerung, es sei denn, die Gesamtbewertung erweist sich als reine Schmähkritik.


OLG Oldenburg: Internetbewertung von Anwälten ohne vorheriges Mandat
Bewerten
Bild: Pixabay

Die Online-Bewertung von Anwälten auf einer Bewertungsplattform kann auch ohne ein vorangegangenes Mandatsverhältnis zulässig sein. Allerdings muss ein sonstiger geschäftlicher Kontakt bestanden haben und der Bewerter muss dies offenlegen.


Urteil: Bewertungsportale: Negative Tatsachenbehauptungen müssen beweisbar sein
Bewertung Sterne Smartphone Hand
Bild: gettyimages/Chainarong Prasertthal

Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss diese Tatsachen auch beweisen können. Andernfalls besteht ein Anspruch des Bewerteten auf Unterlassung.


Haufe Shop: KI-Anwendungen für Immobilienmakler
KI-Anwendungen für Immobilienmakler
Bild: Haufe Shop

Es geht um die Einsatzmöglichkeiten von KI speziell für Maklerbüros - ob im CRM-System, bei der Texterstellung oder bei Bildern und Videos. Anhand von Beispielen gibt es Impulse zur Optimierung von Routineaufgaben und wertvolle Einblicke, um Arbeitsabläufe zu verbessern und Kosten zu senken. 


BGH VI ZR 226/08
BGH VI ZR 226/08

  Entscheidungsstichwort (Thema) Meinungsfreiheit bei Verbreitung fremder Äußerungen in einem Interview. Unterlassungsansprüche des Nachrichtenmagazins „Focus” gegen „Bunte”  Leitsatz (amtlich) Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei Verbreitung fremder ...

4 Wochen testen


Newsletter Immobilien
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter ImmobilienVerwaltung

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Immobilienverwaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Rechtsprechung
  • Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • energetische Sanierung
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Immobilien Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
L'Immo-Podcast: Alle Folgen
Haufe Onlinetraining
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Akademie
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Immobilien Shop
Immobilien Lösungen
Immobilien-Verwaltung Produkte
Wohnungswirtschaft Lösungen
Private Vermietung Produkte
Alle Immobilien Produkte
 

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren