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BGH Urteil vom 21.10.1991 - II ZR 211/90

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Orientierungssatz

Die Klage eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Feststellung, daß sein Ausschluß aus der Gesellschaft nichtig sei, ist zulässig (vergleiche BGH, 1966-06-03, II ZR 149/64, WM 4 1966, 1036).

 

Tatbestand

Der Kläger trat mit notariellem Vertrag vom 1. Oktober 1986 der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „L. GbR” als Mitgesellschafter bei. Zweck dieser Gesellschaft war es, eine Teilfläche eines bestimmten in K. gelegenen Grundstücks zu erwerben und auf ihm eine Anzahl von Eigentumswohnungen sowie zwei Gewerbeeinheiten zu errichten. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Nutzung der dem Beklagten zu 2 zugewiesenen Einheit Nr. 1 im Hause Nr. 8 als Zahnarztpraxis. Eine am 5. Mai 1987 notariell beurkundete Teilungserklärung führte nicht zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum, weil der Kläger hierbei nicht mitwirkte und sich auch nicht vertreten ließ.

Am 2. August 1988 beschloß die Gesellschafterversammlung der „L. GbR”, den Kläger wegen grob gesellschaftswidrigen Verhaltens auszuschließen, falls er innerhalb bestimmter Fristen notwendige Mitwirkungshandlungen nicht erbringe. Nachdem eine für September 1988 vorgesehene Beurkundung der Teilungserklärung nicht zustande kam, fand am 10. November 1988 eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Im Protokoll ist vermerkt, da die in dem Beschluß vom 2. August 1988 genannte Voraussetzung eingetreten sei, werde dieser Beschluß wirksam und der Kläger gelte als ausgeschlossen.

Am 9. Februar 1989 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt, in der die Gesellschafter nochmals beschlossen, daß der Kläger wegen gesellschaftswidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen werde.

Im Parallelverfahren 8 O 205/89 LG Köln (= 2 U 187/89 OLG Köln) hat der Kläger gemäß Schriftsatz vom 7. März 1989 gegen die Beklagten Klage u.a. mit dem Antrag erhoben, den in der Gesellschafterversammlung der Aufbaugemeinschaft „L.” vom 9. Februar 1989 gefaßten Beschluß, ihn aus der Gesellschaft auszuschließen, für nichtig zu erklären. Diese Klage ist dem Beklagten zwischen dem 17. und 20. März 1989 zugestellt worden. Das Verfahren ist noch rechtshängig.

Im vorliegenden Verfahren ist die Klage den Beklagten zwischen dem 18. und 22. Mai 1989 zugestellt worden. Der Kläger beantragt u.a., die in der Gesellschafterversammlung der Aufbaugemeinschaft „L.” vom 10. November 1988 gefaßte Entschließung die im Beschluß vom 2. August 1988 über den Ausschluß des Klägers genannten Voraussetzungen seien eingetreten, der Beschluß vom 2. August 1988 über den Ausschluß werde wirksam und der Kläger gelte als ausgeschlossen, für nichtig zu erklären. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Klage stehe das von Amts wegen zu beachtende Prozeßhindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Da Feststellungsklagen gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, nicht aber auf die Klärung von Vorfragen gerichtet sein könnten, ergebe die Auslegung der Klageanträge, daß in beiden Prozessen der Streitgegenstand die Mitgliedschaft des Klägers in der Gesellschaft „L. GbR” sei. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.

1. Die Klage eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Feststellung, daß sein Ausschluß aus der Gesellschaft nichtig sei, ist zulässig.

Beschlüsse der Gesellschafter sind Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Sie stellen nach herrschender Meinung Rechtsgeschäfte dar (vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I 1980 § 3 III 1 b S. 179; MünchKomm.-Ulmer, BGB 2. Aufl. § 709 Rdn. 47; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht 2. Aufl. § 15 I 2 a S. 355; je m.w.N.). Es wäre gekünstelt anzunehmen, der Beschluß begründe zwar ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift, sei aber selber kein solches (vgl. Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 82). Der Streit über die Wirksamkeit von Beschlüssen schafft Rechtsunsicherheit. Über ihre Rechtmäßigkeit oder Unwirksamkeit muß daher möglichst bald Klarheit geschaffen werden. In Übereinstimmung hiermit hat bereits das Reichsgericht den Beschluß über den Vereinsausschluß wie ein Rechtsverhältnis behandelt (RGZ 122, 266, 269). Im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist es herrschende Meinung, daß derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses oder die Unrichtigkeit des festgestellten Beschlußergebnisses beruft, Feststellungsklage erheben kann (vgl. MünchKomm.-Ulmer, BGB 2. Aufl. § 709 Rdn. 95 m.w.N.; Karsten Schmidt, aaO § 15 II 1 d S. 363; Noack, aaO S. 81 ff. m.w.N.). Diesen Standpunkt teilt der erkennende Senat (vgl. Sen.Urt. v. 30. Juni 1966 – II ZR 149/64, WM 1966, 1036).

2. Damit ist der Auslegung des Berufungsgerichts, die Anträge des Klägers in beiden Prozessen seien auf die Feststellung seiner weiteren Mitgliedschaft in der „L. GbR” gerichtet, der Boden entzogen. Da die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zulässig ist, hätte sich das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind, an dem eindeutigen Wortlaut der Klageanträge orientieren müssen. Aus ihm ergibt sich, daß Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Gesellschafterentschließung vom 10. November 1988 in Verbindung mit dem Beschluß vom 2. August 1988 ist, während den Gegenstand des Parallelprozesses 8 O 205/89 LG Köln der Gesellschafterbeschluß vom 9. Februar 1989 bildet. Da beide Klageanträge verschiedene Gesellschafterbeschlüsse betreffen, also nicht identisch sind, liegt nicht derselbe Streitgegenstand und damit auch keine anderweitige Rechtshängigkeit vor.

3. Das rechtliche Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung ist gegeben.

Das rechtliche Interesse eines Gesellschafters an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses ergibt sich regelmäßig aus seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft (vgl. BGHZ 43, 261, 265 zur Nichtigkeitsklage in der GmbH; Noack, aaO S. 83 f.). Wird ein Gesellschafter durch zwei zeitlich aufeinanderfolgende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen, so ändert sich dadurch an diesem Grundsatz nichts. Er hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß durch keinen dieser Beschlüsse sein Ausschluß bewirkt werden konnte.

4. Diese Feststellung kann er in zwei getrennten Verfahren begehren. Im Zivilprozeß hat der Kläger die freie Wahl, ob er verschiedene Streitgegenstände im Wege der kumulativen oder eventuellen Klagehäufung in einem Prozeß oder in zwei selbständigen Verfahren geltend machen will. Wählt er den letzteren Weg, so kann ihm deshalb das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.

II. Die Sache muß zurückverwiesen werden, damit nunmehr darüber entschieden werden kann, ob die Entschließung der Gesellschafterversammlung vom 10. November 1988 in Verbindung mit dem Beschluß vom 2. August 1988 unwirksam ist oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 648979

BB 1992, 595

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