Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Urteil vom 19.05.1982 - I ZR 122/80

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Leitsatz (amtlich)

a) Reisende im Sinne des § 9 LadenschlußG sind ausschließlich Flugreisende.

b) Zum Begriff des Reisebedarfs im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG.

c) Der Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG ist wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn damit ein sachlich ungerechtfertigter Wettbewerbsvorsprung vor Mitbewerbern erstrebt wird.

 

Normenkette

UWG § 1; LadSchlG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Urteil vom 07.05.1980)

LG Aschaffenburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. Mai 1980 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte unterhält auf dem Flughafen F. eine Verkaufsstelle für Oberbekleidung, Wäsche und Modeschmuck, die sie täglich, auch an Sonn- und Feiertagen, bis 21.00 Uhr geöffnet hält.

Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, beanstandet die Verkaufspraxis der Beklagten während der allgemeinen Ladenschlußzeiten als gesetz- und wettbewerbswidrig. Er hat vorgetragen: Entgegen den Vorschriften des § 9 des Gesetzes über den Ladenschluß (LadenschlußG) gebe die Beklagte außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten nicht nur Reisebedarf ab, sondern auch andere Waren ihres Sortiments wie Anzüge, Kostüme und Mäntel, und zwar nicht nur an Flugreisende, sondern an jedermann. Damit verstoße sie nicht nur gegen § 9 LadenschlußG, sondern auch gegen § 1 UWG, weil es wettbewerbswidrig sei, sich in dieser Weise vor gesetzestreuen Mitbewerbern, die ihre Geschäfte während der allgemeinen Ladenschlußzeiten vorschriftsmäßig geschlossen hielten, einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.

Gegenüber dem Begehren des Klägers, der zunächst nur allgemein beantragt hatte, der Beklagten zu untersagen, ihre Verkaufsstelle während der allgemeinen Ladenschlußzeiten für den geschäftlichen Verkehr zu öffnen, es sei denn zur Abgabe von Reisebedarf an Reisende, hat die Beklagte Klageabweisung und widerklagend die Feststellung beantragt, daß sämtliche in ihren Verkaufsräumen geführten und zum Verkauf angebotenen Textilien mit Ausnahme von Bettwäsche und Heimtextilien Reisebedarf im Sinne des § 9 LadenschlußG seien. Sie hat vorgetragen: Außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten gebe sie nur Reisebedarf ab, wozu sie Herren-, Damen- und Kinderoberbekleidung, Herrenhemden, Krawatten, Unterwäsche, Schals, Tücher, Handschuhe, Socken, Strümpfe und Strumpfhosen zähle, nicht aber andere Textilien wie Bett- und Tischwäsche und Heimtextilien. Durch Hinweisschilder und Lautsprecherdurchsagen in ihren Geschäftsräumen sowie durch Anweisungen an ihr Verkaufspersonal habe sie dafür Sorge getragen, daß Kunden, die erklärtermaßen oder sonst erkennbar keine Reisende seien, zu allgemeinen Ladenschlußzeiten nicht bedient würden. Auch entlohne sie im Interesse der Einhaltung der Vorschriften des § 9 LadenschlußG ihre Ladenangestellten nicht mehr wie bisher mit einer Umsatzbeteiligung, sondern mit einer Pauschalvergütung.

Das Landgericht hat nach Erhebung von Beweisen die Beklagte – unter Abweisung der Widerklage als unzulässig – verurteilt, es zu unterlassen, in ihrem Verkaufsgeschäft während der allgemeinen Ladenschlußzeiten Waren zu verkaufen, mit Ausnahme von Reisebedarf an Reisende. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Beklagte zu den allgemeinen Ladenschlußzeiten nicht nur an Reisende, sondern an jedermann Waren verkaufe und daß sie sich dabei nicht nur auf die Abgabe von Reisebedarf wie Regenbekleidung, Strümpfe, Krawatten und andere Kleintextilien beschränke, sondern auch alle anderen Artikel aus ihrem Sortiment an Herren-, Damen- und Kinderbekleidung anbiete. Das verstoße nicht nur gegen § 9 LadenschlußG, sondern auch gegen § 1 UWG, weil die Beklagte dabei bewußt und planmäßig und in der Absicht vorgehe, sich ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile vor den das Ladenschlußgesetz beachtenden Mitbewerbern zu verschaffen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und im Berufungsrechtszug ihre Feststellungswiderklage um den Hilfsantrag ergänzt, daß sie berechtigt sei, in ihren Verkaufsräumen während der gesetzlichen Ladenschlußzeiten Bekleidung einschließlich Regenschirme, Taschentücher und Wolldecken an Reisende zu verkaufen. Nachdem der Kläger seinen Klageantrag dahin präsiziert hat, der Beklagten zu untersagen, in ihrer Verkaufsstelle auf dem Flughafen F. während der Ladenschlußzeiten Herren-, Damen- und Kinderoberbekleidung, Herrenhemden, Krawatten, Unterwäsche, Schals, Tücher, Handschuhe, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Regenschirme und Wolldecken zu verkaufen, hat die Beklagte die Widerklage in vollem Umfang für erledigt erklärt. Der Kläger hat weiterhin Abweisung der Widerklage beantragt.

Das Oberlandesgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Beklagte verurteilt,

es zu unterlassen,

in ihrem Geschäft auf dem Flughafen F. während der allgemeinen Ladenschlußzeiten

  1. Waren an Personen, die nicht Flugreisende sind, zu verkaufen,
  2. an Flugreisende andere Waren zu verkaufen als Regenbekleidung, Regenschirme, Herrenhemden, Krawatten, Damenblusen, T-Shirts, Unterwäsche, Schals, Tücher, Handschuhe, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen und Taschentücher.

Die Widerklage hat es für erledigt erklärt, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, die ihre bisherigen Anträge – soweit das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat – weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht führt aus: Mit Recht habe das Landgericht der Beklagten den Verkauf von Waren nach Ladenschluß an Nichtflugreisende untersagt. § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG, der den Inhabern von Verkaufsstellen auf Flughäfen die Abgabe von Waren während der allgemeinen Ladenschlußzeiten nur an Reisende erlaube, ziele in erster Linie darauf ab, die an die allgemeinen Ladenschlußzeiten gebundenen Mitbewerber vor sachlich ungerechtfertigten Wettbewerbsnachteilen zu schützen, die sich daraus ergäben, daß die Verkaufsstellen auf Flughäfen nicht an die allgemeinen Ladenschlußzeiten gebunden seien. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG dürfe deshalb außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten nur Reisebedarf an Flugreisende verkauft werden. Dagegen habe die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des ersten Rechtszugs und ihrem eigenen Vorbringen über die Art ihrer Verkaufstätigkeit nach Ladenschluß wiederholt durch Abgabe von Waren an Nichtflugreisende verstoßen und sich damit unter Verletzung des § 1 UWG bewußt und planmäßig ungerechtfertigte Vorteile vor gesetzestreuen Konkurrenten verschafft. Die Maßnahmen, die sie zwecks Einhaltung der Vorschriften des § 9 LadenschlußG ergriffen habe, entlasteten sie nicht. Das gelte sowohl für die Arbeitsanweisungen an ihr Verkaufspersonal als auch für die Hinweisschilder und Lautsprecherdurchsagen im Geschäftslokal. Über die Wirkungslosigkeit dieser Maßnahmen sei sich die Beklagte nicht im unklaren. Allein im November 1978 habe ihr Umsatz an Sonn- und Feiertagen zwischen ca. 89.000 DM und 141.000,– DM gelegen, dagegen an den Werktagen – mit Ausnahme der Sonnabende – nur zwischen 26.000 DM und 51.000,– DM.

Soweit jedoch die Beklagte Waren nur an Flugreisende abgebe und sie sich dabei auf den Verkauf der im Urteilstenor unter b) bezeichneten Waren beschränke, habe die Berufung Erfolg, und zwar sowohl gegenüber dem in zweiter Instanz konkretisierten Klagebegehren als auch hinsichtlich der Feststellungswiderklage, die wegen der mangelnden Bestimmtheit des ursprünglichen Klageantrags zulässig und begründet gewesen sei und den die Beklagte nach Präzisierung des Klagebegehrens zutreffend für erledigt erklärt habe. Bei den im Urteilstenor unter b) bezeichneten Artikeln handele es sich entgegen der Auffassung des Klägers um Reisebedarf, den die Beklagte – an Flugreisende – auch außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten anbieten dürfe. Bei Beurteilung der Frage, was als Reisebedarf im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG anzusehen sei, könne nicht allein auf die zu § 8 LadenschlußG ergangene Verordnung über die Ladenschlußzeiten für die Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-LadenschlußzeitenVO) vom 18.7.1963 (BGBl I S. 501) und auf die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Behandlung von Bahnhofswirtschaften, Bahnhofsverkaufsstellen und Bahnhofsfrisörbetrieben (AVV Bahnhofsverkaufsstellen) vom 9.11.1953 (VerkehrsBl 1953, S. 580 = BABl 1954, S. 52) zurückgegriffen werden, nach denen Zeitungen, Lektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Blumen, Toilettenartikel und Reiseandenken geringeren Werts, Filme, Bedarf für Taschenapotheken, Lebens- und Genußmittel in kleineren Mengen sowie Geldsorten als Reisebedarf in Betracht kämen. Bei Flugreisen seien auch die Besonderheiten des modernen Flugverkehrs wie Klimawechsel, langer Aufenthalt in engen Kabinen, Beschränkung des Handgepäcks und gelegentliche Fehlleitungen des aufgegebenen Reisegepäcks zu berücksichtigen. Allerdings sei dabei nicht auf seltene Notfälle, sondern auf den üblichen, gewöhnlich anfallenden Bedarf eines Flugreisenden abzustellen. Deshalb könnten aus dem Sortiment der Beklagten nur die im Urteilstenor unter b) genannten Waren als Reisebedarf in Frage kommen, während im übrigen – hinsichtlich der nicht unter diese Waren fallenden Artikel aus dem Bereich der Oberbekleidung – das Verbotsbegehren des Klägers gerechtfertigt und die Berufung unbegründet sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Verkaufsstelle der Beklagten um ein Ladengeschäft im Sinne des § 1 LadenschlußG, das als Verkaufsstelle auf einem Flughafen (§ 9 LadenschlußG) den Vorschriften des § 3 LadenschlußG über die allgemeinen Ladenschlußzeiten nicht unterfällt. Diese Feststellungen geben zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß und werden von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

2. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt die Verkaufspraxis der Beklagten außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten insoweit gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG, als die Beklagte während dieser Zeiten nicht nur Reisebedarf abgibt, sondern auch andere Waren ihres Sortiments, und zwar nicht nur an Flugreisende, sondern an jedermann. Diese Würdigung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Beklagte während der allgemeinen Ladenschlußzeiten – also an Sonn- und Feiertagen, montags bis freitags ab 18.30 Uhr und sonnabends ab 14.00 Uhr, an verkaufsoffenen Sonnabenden ab 18.00 Uhr (§ 3 LadenschlußG) – Waren auch an Nichtflugreisende abgegeben habe, und zwar auch an solche Personen, bei denen es sich erkennbar nicht um Flugreisende gehandelt habe. Diese tatrichterlichen Ausführungen geben zu Bedenken keinen Anlaß.

Vergeblich rügt die Revision, daß das Berufungsgericht den Begriff des Reisenden im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG verkannt habe: Reisender im Sinne dieser Vorschrift sei zwar nicht, wer einen Flughafen lediglich zu Einkaufszwecken aufsuche. Im Hinblick auf die Verkehrsbedeutung eines Flughafens und die Tatsache, daß der Verkehr von und zu einem Flughafen nicht nur aus Flugreisenden bestehe, sondern auch aus Bahn-, Bus- und Pkw-Reisenden, sei es aber zu eng gesehen, alle nicht zum Kreis der Flugreisenden zählenden Reisenden vom Geltungsbereich des § 9 LadenschlußG auszunehmen.

Diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden. Zwar bezeichnet das Gesetz die Personen, an die während der allgemeinen Ladenschlußzeiten Reisebedarf abgegeben werden darf, nicht als Flugreisende, sondern schlechthin als „Reisende” (§ 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG). Aus dem Gesetzeszusammenhang und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich aber, daß es damit ausschließlich Flugreisende meint. § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG schließt an eine Regelung an, die allein Verkaufsstellen auf Flughäfen betrifft (§ 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG) und ausschließlich in diesem Rahmen – neben den sonstigen Ausnahmeregelungen des Ladenschlußgesetzes (§§ 4–8, 10–16) – eine Durchbrechung der allgemein geltenden Ladenschlußzeiten zuläßt. Für Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen haben Gesetz und Verordnungsgeber besondere Regelungen getroffen (vgl. § 8 LadenschlußG; § 3 Abs. 2 NE-LadenschlußzeitenVO; vgl. auch Abschn. II Ziff. 5 AVV Bahnhofsverkaufsstellen). Das zeigt, daß für die Deckung des Bedarfs von Eisenbahnreisenden, darüber hinaus aber auch von allen anderen Reisenden, die – ohne Fluggast zu sein – zum Flughafen anreisen, § 9 LadenschlußG nicht eingreift. Für Flugreisende gelten mit Rücksicht auf Länge und Dauer einer solchen Reise und die damit verbundenen Besonderheiten wie beispielsweise Klimawechsel oder Beschränkung des Handgepäcks häufig andere Bedarfsmaßstäbe als bei Personen, die mit Auto, Omnibus, Straßen- oder Eisenbahn zum Flughafen anreisen, aber nicht die Absicht haben, mit dem Flugzeug zu verreisen. Wer verreist, ohne Flugpassagier zu sein, ist im allgemeinen nicht auf Waren angewiesen, wie sie von Flugreisenden als Reisebedarf benötigt werden.

b) Nach dem Berufungsurteil ist der Beklagten während der allgemeinen Ladenschlußzeiten nur die Abgabe von Regenbekleidung, Regenschirmen, Herrenhemden, Krawatten, Damenblusen, T-Shirts, Unterwäsche, Schals, Tüchern, Handschuhen, Socken, Strümpfen, Strumpfhosen und Taschentüchern – an Flugreisende – gestattet. Auch dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

aa) Zu Unrecht rügt sie, daß der Beklagten damit der Verkauf sowohl von Bettwäsche und Heimtextilien untersagt worden sei, um den die Parteien in den Vorinstanzen nicht gestritten hätten, als auch der Verkauf von Kinderbekleidung. Über die Zulässigkeit des Vertriebs von Bettwäsche und Heimtextilien nach Ladenschluß hat das Berufungsgericht keine Entscheidung getroffen. Wie die Entscheidungsgründe ergeben, betrifft das Urteil ausschließlich solche Gegenstände, deren Vertrieb während der allgemeinen Ladenschlußzeiten der Kläger mit dem in zweiter Instanz konkretisierten Klageantrag beanstandet hat, nämlich Herren-, Damen- und Kinderoberbekleidung, Herrenhemden, Krawatten, Unterwäsche, Schals, Tücher, Handschuhe, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Regenschirme und Wolldecken. Soweit das Berufungsgericht dabei Kinderbekleidung nicht ausdrücklich erwähnt hat, ist nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe davon auszugehen, daß der Vertrieb von Waren in Kindergrößen in demselben Umfang untersagt bzw. gestattet sein soll wie die Abgabe von Waren in Herren- und Damengrößen.

bb) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß es sich bei den im Klageantrag genannten Waren nur hinsichtlich der unter Buchst. b des Urteilstenors aufgeführten Artikel um Gegenstände des Reisebedarf handele, nicht jedoch hinsichtlich des Oberbekleidungssortiments der Beklagten im übrigen und auch nicht hinsichtlich Wolldecken. Dieser Würdigung, die auf die Revision der Beklagten der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur insoweit unterliegt, als das Berufungsgericht bei den vom Klageantrag erfaßten Gegenständen die Eigenschaft als Reisebedarf verneint hat (§ 559 Abs. 1 ZPO), ist – im Umfang der Nachprüfung – zuzustimmen.

Welche Gegenstände dem Begriff des Reisebedarfs im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG im einzelnen unterfallen, haben Gesetz- und Verordnungsgeber (vgl. § 9 Abs. 2 LadenschlußG) bislang nicht geregelt. Die Vorschriften für Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen im Sinne des § 8 LadenschlußG nach denen Zeitungen, Lektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Toilettenartikel und Reiseandenken geringeren Werts, Filme, Bedarf für Taschenapotheken, Lebens- und Genußmittel in kleineren Mengen und Geldsorten in Betracht kommen (vgl. Abschnitt II Ziff. 5 AVV Bahnhofsverkaufsstellen; § 3 Abs. 2 NE-LadenschlußzeitenVO), gelten nicht für Flugreisende und können auf diese auch keine entsprechende Anwendung finden. Der Reisebedarf von Flugreisenden reicht weiter als der von Bahnreisenden, wie das Berufungsgericht im Hinblick auf die besonderen Gegebenheiten des Flugreiseverkehrs wie durchschnittliche Länge und Dauer der Reise, Klimawechsel, Beschränkung des Handgepäcks und gelegentliche Fehlleitungen des aufgegebenen Reisegepäcks mit Recht angenommen hat (vgl. Schulte-Langforth-Böhm, Ladenschlußgesetz, § 9 Anm. 2; Denecke-Neumann, Arbeitszeitordnung, § 9 Rdn. 2; Hoffmann, Gesetz über den Ladenschluß, § 9 Anm. II 2, in: von Brauchitsch-Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Band VIII, 2. Halbband, Wirtschaftsverwaltungsrecht II; Sigl, Ladenschlußgesetz § 9 Anm. 3; Stephany, Anm. zu § 9 LadenschlußG, in: Das Deutsche Bundesrecht V B 52, S. 20; Ambs in Erbs-Kohlhaas, Anm. zu § 9 LadenschlußG). Jedoch reicht auch dieser Bedarf nicht so weit, daß ihm über die Waren hinaus, auf die Flugreisende im Hinblick auf die für sie typische Reisesituation angewiesen sein können, auch Gegenstände des allgemeinen Lebensbedarfs zuzurechnen wären. Mit der in § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG angeordneten Beschränkung der Abgabe von Waren allein auf Reisebedarf hat der Gesetzgeber klargestellt, daß außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten nicht das gesamte Warenangebot der Inhaber von Verkaufsstellen auf Flughäfen zum Verkauf gestellt werden darf, sondern nur solche Artikel, an denen gerade ein Flugreisender Bedarf haben kann. Dazu gehören nicht Oberbekleidungsgegenstände wie Anzüge, Kleider, Kostüme, Mäntel, Wolldecken und andere Gegenstände des allgemeinen Lebensbedarfs, die ein Flugreisender nicht gerade als solcher benötigt. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit im Einzelfall ein Bedarf an solchen Gegenständen besteht. Für die Bedarfsdeckung außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten stellt das Gesetz nicht auf die individuelle Bedarfssituation des Kunden ab, sondern allein darauf, ob es sich bei der Ware um einen üblicherweise als Reisebedarf anzusehenden Artikel handelt. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Flugreiseverkehrs angenommen, daß Oberbekleidungsartikel – soweit sie nicht unter die Reisebedarfsgegenstände des Buchst. b des Urteilstenors fallen – kein Reisebedarf sind.

3. Der Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 LadenschlußG ergibt allerdings für sich allein noch nicht, daß das Verhalten der Beklagten insoweit auch als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Nicht jede Mißachtung gesetzlicher Vorschriften ist unlauter im Sinne des § 1 UWG. Zur Frage der Sittenwidrigkeit von Verstößen gegen die den Ladenschluß regelnden Vorschriften des Ladenschlußgesetzes hat der Senat wiederholt entschieden, daß es sich bei diesen Bestimmungen um wertneutrale Ordnungsvorschriften handelt, deren Verletzung nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig beurteilt werden kann (vgl. GRUR 1981, 424, 426 = WRP 1981, 207, 208 – Tag der offenen Tür II, m.w.N.). Die Verletzung solcher Vorschriften kann jedoch dann einen Wettbewerbsverstoß darstellen, wenn sich ein Wettbewerber bewußt und planmäßig über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann. Nach den vom Berufungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Denn danach hat die Beklagte wiederholt und nicht nur in Einzelfällen Waren, die kein Reisebedarf sind, an Nichtflugreisende abgegeben, und zwar auch an solche Personen, die erkennbar keine Flugreisende waren. Zutreffend hat das Berufungsgericht darin ein auf Wiederholung angelegtes, zielbewußtes Vorgehen der Beklagten zu dem Zweck erblickt, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, die die Ladenöffnungszeiten einhalten.

Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß die Beklagte hinsichtlich der von ihr betriebenen Flughafen-Verkaufsstelle mit den Anbietern gleichartiger Waren außerhalb des Flughafens nicht in einem räumlich erheblichen Wettbewerb stehe und daß sie deshalb auch für Geschäftsinhaber in der Umgebung des Flughafens und in Frankfurt am Main keine Konkurrentin von Bedeutung sei. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die Beklagte auf die interessierten Käufer in F. und Umgebung einen starken Anreiz dahin ausübt, während der allgemeinen Ladenschlußzeiten, insbesondere an den gesetzlichen Feiertagen, in ihrer Verkaufsstelle auf dem R.-Flughafen einzukaufen, und daß insbesondere die berufstätige Bevölkerung von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht.

Die Maßnahmen, die die Beklagte zwecks Einhaltung der Ladenschlußzeiten ergriffen hat, entlasten sie nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß diesen Maßnahmen – Verkaufsanweisungen an das Ladenpersonal, Hinweisschilder im Ladenlokal und regelmäßige Lautsprecherdurchsagen – keine oder nur eine geringe Bedeutung zukommt und daß der Beklagten das auch bekannt ist.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber darauf, daß der Beklagten weitergehende Maßnahmen nicht zumutbar seien. Es ist Sache der Beklagten, dafür zu sorgen, daß ihr Geschäftsbetrieb mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang steht. Wäre sie dazu nicht im Stande, müßte sie die allgemeinen Ladenschlußzeiten einhalten, wenn anderenfalls mangels hinreichender Kontrollen ein Warenverkauf an jedermann außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten stattfinden würde. Gesetzesverstöße dürfte die Beklagte keinesfalls in Kauf nehmen (vgl. BGH GRUR 1966, 323, 325 = WRP 1966, 257, 258 – Ratio). Im übrigen kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß es zumutbare Kontrollmaßnahmen nicht gebe. Mit Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, daß bereits die Vorlage des Flugtickets bei allen ankommenden, aber erfahrungsgemäß auch bei den meisten abreisenden Flugpassagieren ein geeignetes Mittel zur Klärung der Frage sein kann, ob es sich bei den jeweiligen Kunden um Flugreisende handelt. Auf die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Verwendung des Tickets in Einzelfällen durch Nichtflugreisende kann die Beklagte nicht mit Erfolg verweisen. Solche Mißbrauchsfälle, die der Beklagten im übrigen auch nicht zur Last gelegt werden könnten, berechtigen sie nicht, von generell wirksamen Kontrollmaßnahmen überhaupt abzusehen und ihre Waren damit an jedermann auch während der allgemeinen Ladenschlußzeiten zum Verkauf zu stellen.

III. Zu Recht hat das Berufungsgericht danach der Klage in dem erkannten Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Revision der Beklagten war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

v. Gamm, Alff, Zülch, Piper, Teplitzky

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237554

BGHZ

BGHZ, 130

NJW 1982, 2502

GRUR 1982, 615

Nachschlagewerk BGH

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 14 Unternehmensumstrukturierungen / a) Muster (Partnerschaftsgesellschaft zur Aufnahme auf eine andere Partnerschaftsgesellschaft ohne Abfindungsangebot)
    1
  • § 14 Vor- und Nacherbfolge / c) Muster: Antrag auf Feststellung des Zustands der zum Nachlass gehörenden Sachen
    1
  • § 15 Erbscheinsverfahren / bb) Personenstandsurkunden
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
  • § 9 Erbrechtliche Auskunftsansprüche, Register- und Akte ... / c) Eidesstattliche Versicherung trotz Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Gesetzliche Vorgaben sicher umsetzen: Geldwäscherecht
Geldwäscherecht
Bild: Haufe Shop

Das Buch fokussiert sich auf die wesentlichen Themen des Geldwäscherechts. Anhand von Checklisten, zahlreichen Praxisbeispielen und Arbeitshilfen ermöglicht es eine sichere und effiziente Umsetzung der regulatorischen Anforderungen. 


Gesetz gegen den unlauteren... / § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich
Gesetz gegen den unlauteren... / § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich

  (1) 1Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. 2Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.  (2) Vorschriften ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren