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BGH Urteil vom 18.11.1982 - IX ZR 91/81

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugewinnausgleichsforderung und Pflichtteilsanspruch des Ehegatten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klage auf Zahlung des "großen" Pflichtteils (§ 2303 Abs. 2 in Verbindung mit § 1371 Abs. 1 BGB) unterbricht nicht die Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich aus § 1371 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 209 Abs. 1, § 1371 Abs. 1-2, §§ 208, 2303 Abs. 2

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Oktober 1981 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des am 4. Oktober 1975 verstorbenen Karl Wilhelm W. (im folgenden: Erblasser), der mit ihr seit 1965 in zweiter Ehe verheiratet war. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Der Beklagte ist der Sohn des Erblassers aus erster Ehe und sein Alleinerbe.

Der Erblasser vermachte der Klägerin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der ehelichen Wohnung, die sich in einem seiner Häuser befand. Sie verlangte von dem Beklagten den Pflichtteil und schlug das Vermächtnis im Juni 1976 aus. Sie räumte die Ehewohnung Ende September 1977. Der Beklagte zahlte ihr 78.000 DM.

Mit der am 4. Februar 1978 zugestellten Klage forderte die Klägerin weitere 51.656,23 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. August 1977. Sie ging zunächst davon aus, daß ihr der nach dem erhöhten Ehegattenerbrecht (§ 1371 Abs. 1 BGB) bemessene "große" Pflichtteil in Höhe von einem Viertel des Nachlaßwertes zustehe, und errechnete so einen Pflichtteilsanspruch von 136.751,73 DM. Darauf verrechnete sie den bereits gezahlten Betrag von 78.000 DM sowie als Entschädigung für die Benutzung der früheren Ehewohnung 7.095,50 DM.

Mit Schriftsatz vom 23. Juni 1980 begründete die Klägerin ihren Antrag damit, daß ihr gemäß § 1371 Abs. 2 BEG statt des "großen" Pflichtteils der "kleine" Pflichtteil in Höhe von einem Achtel des Nachlaßwertes und daneben ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zustünden.

Der Beklagte bestritt auch das neue Vorbringen der Klägerin und erhob gegen den Zugewinnausgleichsanspruch die Einrede der Verjährung.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1.

Das Berufungsgericht legt das Vorbringen der Klägerin dahin aus, daß sie mit ihrer Restforderung von 51.656,23 DM nur den Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend mache, während der von ihr errechnete "kleine" Pflichtteilsanspruch durch die bereits geleistete Zahlung erfüllt sei.

Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen und werden von der Revision auch nicht beanstandet.

2.

Den - als bestehend unterstellten - Anspruch auf Zugewinnausgleich weist das Berufungsgericht mit der Begründung ab, die Forderung sei verjährt. Nach seinen von der Revision unbeanstandeten Feststellungen begann die dreijährige Verjährungsfrist für den Anspruch auf Zugewinnausgleich im Oktober 1975, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Umständen besaß (§ 1378 Abs. 4 Satz 1, 3 in Verbindung mit § 2332 Abs. 1 BGB). Die Verjährung wurde nicht dadurch gehemmt, daß die Klägerin den Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB erst seit der Ausschlagung des Vermächtnisses fordern kann (§ 1378 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 2332 Abs. 3 BGB). Die Verjährung der Zugewinnausgleichsforderung ist deshalb im Oktober 1978 eingetreten. Sie ist - wie das Berufungsgericht richtig entschieden hat - nicht vorher unterbrochen worden.

a)

Die Verjährung ist nicht durch ein Anerkenntnis des Beklagten im Sinne des § 208 BGB unterbrochen worden. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, mit der Zahlung des Betrages von 78.000 DM habe der Beklagte den Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht anerkannt. Er habe auf den von der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt allein geltend, gemachten "großen" Pflichtteilsanspruch geleistet. Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht folgert daraus, daß die Klägerin allein einen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte, der Beklagte habe zur Befriedigung dieses Anspruchs geleistet. Dies ist nicht nur rechtlich möglich, sondern sogar naheliegend. Der Beklagte hat zwar nach den jetzigen Anspruchsberechnungen der Klägerin mehr als den "kleinen" Pflichtteil bezahlt. Daraus folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht, daß der überschießende Betrag auf den Zugewinnausgleichsanspruch gezahlt worden sein müsse. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben vielmehr, daß der Beklagte auf den - möglicherweise irrtümlich als bestehend angenommenen - "großen" Pflichtteilsanspruch geleistet hat. Daraus läßt sich nicht entnehmen, daß er sich des Bestehens eines Zugewinnausgleichsanspruchs bewußt war. Nur ein Verhalten des Schuldners, aus dem sich das Bewußtsein von dem Bestehen des Anspruchs eindeutig ergibt, ist aber als Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB zu werten (BGHZ 58, 103, 104).

b)

Die Verjährung ist auch nicht gemäß § 209 Abs. 1 BGB durch Klageerhebung in nicht verjährter Zeit unterbrochen worden. Hierzu führt das Berufungsgericht aus: Die Klageerhebung am 4. Februar 1978 habe die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs nicht unterbrechen können, weil die Klägerin zunächst nur einen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht habe. Dieser sei grundverschieden von dem Anspruch auf Zugewinnausgleich, wenn er auch auf denselben äußeren Sachverhalt, nämlich den Tod des Ehemannes der Klägerin, zurückgehe. In den Voraussetzungen der beiden Ansprüche bestünden wesentliche Unterschiede. Beim Pflichtteilsanspruch erübrige sich jegliche Feststellung, ob in der Ehe ein Zugewinn erzielt worden sei. Für die Ansprüche seien auch unterschiedliche Gerichtszuständigkeiten gegeben, da lediglich die Klage auf Zugewinnausgleich Familiensache sei. Werde mit der Klage nur einer von mehreren Ansprüchen geltend gemacht, die sich aus einem einheitlichen Sachverhalt herleiteten, so werde die Verjährung grundsätzlich nur für diesen, nicht aber für die übrigen Ansprüche unterbrochen. Dies ergebe sich daraus, daß das Gesetz für das Gewährleistungsrecht beim Kauf (§ 477 Abs. 3 BGB) und beim Werkvertrag (§ 639 Abs. 1 BGB) abweichende Vorschriften enthalte, die sonst nicht notwendig wären. Im Interesse der förmlichen Klarheit, die das Rechtsinstitut der Verjährung erfordere, und wegen des damit verfolgten rechtspolitischen Zwecks sei davon auszugehen, daß die Unterbrechung im übrigen nur für den eingeklagten Anspruch eintrete. Als die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 23. Juni 1980 erstmals den Zugewinnausgleichsanspruch gerichtlich geltend gemacht habe, sei die Verjährungsfrist bereits verstrichen gewesen.

Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe haben keinen Erfolg.

aa)

Nach § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung des Anspruchs Klage erhebt. Der Begriff "Anspruch" bezeichnet hier den materiellrechtlichen Anspruch, der nach § 194 Abs. 1 BGB auch Gegenstand der Verjährung ist. Die Unterbrechung der Verjährung tritt nach § 209 Abs. 1 BGB nur für einen materiell-rechtlichen Anspruch ein, der Gegenstand der Klage ist.

Materiell-rechtliche Ansprüche unterscheiden sich voneinander u.a. durch die gesetzliche Anspruchsnorm, die sie begründet. Daraus folgt, daß es sich bei dem von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten Anspruch auf den "großen" Pflichtteil um einen anderen materiell-rechtlichen Anspruch handelt als bei dem jetzt streitigen Anspruch auf Zugewinnausgleich.

Letzterer findet seine Rechtsgrundlage in § 1371 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 1373 ff. BGB, während der erstgenannte sich aus § 2303 Abs. 2 in Verbindung mit § 1371 Abs. 1 BGB ergibt.

bb)

Gegenstand der Klage kann allerdings auch ein materiellrechtlicher Anspruch sein, auf den der Kläger sein Klagebegehren nicht ausdrücklich gestützt hat. Nach der heute herrschenden prozeßrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schumann in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., Einleitung V D 2 Rdnr. 284) wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch (vgl. Schumann a.a.O. Rdnr. 288; Zöller/Vollkommer, ZPO, 13. Aufl., Einleitung IV 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 40. Aufl., Anm. 2 A zu § 2 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 11. Aufl., Einleitung II 5). Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; BGH LM ZPO § 253 Nr. 56). Ergibt sich aus dem vorgetragenen Lebenssachverhalt ein anderer gleichgerichteter materiell-rechtlicher Anspruch als der in der Klage bezeichnete, so ist er gleichermaßen Gegenstand des Rechtsstreits. Die durch die Klageerhebung bewirkte Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 1 ZPO) erstreckt sich auch auf ihn mit der Folge, daß das Gericht über ihn zu entscheiden hat.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß sich die Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung auf alle materiellrechtlichen Ansprüche erstreckt, die vom Streitgegenstand der Klage umfaßt werden (vgl. BGHZ 66, 142, 147; BGH NJW 1973, 2285, 2286; Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl., § 209 Rdnr. 3; MünchKomm/von Feldmann, § 209 BGB Rdnr. 7; Soergel/Augustin, BGB, 11. Aufl., § 209 Rdnr. 13; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 209 Rdnr. 3).

Danach ist die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs nicht durch die am 4. Februar 1978 erhobene Klage unterbrochen worden. Der Streitgegenstand dieser Klage umfaßte nämlich den Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht. Zwar hat sich der Klageantrag seitdem nicht geändert. Der Lebenssachverhalt, aus dem die Klägerin ihr Klagebegehren ursprünglich herleitete, unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem, auf den sie jetzt ihre Forderung gründet.

Die Klägerin hat zunächst nur die Tatsachen vorgetragen, die nach ihrer Auffassung den Anspruch auf den "großen" Pflichtteil rechtfertigten: Daß sie mit dem Erblasser verheiratet war und mit ihm im gesetzlichen Güterstand lebte, daß bei seinem Tode ein bestimmter Nachlaß vorhanden war, den der Beklagte allein geerbt hat, während sie lediglich mit einem Vermächtnis bedacht worden war, welches sie ausgeschlagen hatte. Dieser Sachverhalt stellt zwar auch einen Teil des Streitstoffes dar, aus dem die Klägerin nunmehr den Anspruch auf Zugewinnausgleich herleitet. In der ursprünglichen Klage fehlte jedoch ein an den §§ 1373 ff. BGB ausgerichteter Vortrag, daß der Erblasser während der Ehe einen Zugewinn erzielt habe, der ihren eigenen Zugewinn übersteige (§ 1378 Abs. 1 BGB). Der dazu notwendige, im Juni 1980 gebrachte Sachvortrag führte zu einem wesentlich umfassenderen und komplexeren Lebenssachverhalt als der ursprüngliche Klagegrund. Er veränderte den der ursprünglichen Klage zugrundeliegenden Sachverhalt so erheblich, daß nicht mehr von demselben prozessualen Anspruch die Rede sein kann.

cc)

Der Grundsatz, daß eine Klage die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und dem Umfang unterbricht, wie sie mit der Klage rechtshängig gemacht sind (vgl. BGHZ 66, 142, 147 m.w.Nachw.), wird nur in Ausnahmefällen durchbrochen (vgl. dazu Henckel, JZ 1962, 335 ff.).

Das Gesetz enthält in den §§ 477 Abs. 3 und 639 Abs. 1 BGB für die Gewährleistungsrechte beim Kauf und beim Werkvertrag eine solche Erstreckung der Verjährungsunterbrechung. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich dieser Vorschriften über ihren Wortlaut hinaus ausgedehnt (vgl. RGZ 134, 272; BGHZ 58, 30; BGH LM BGB § 476 Nr. 11). Dies rechtfertigt sich aus dem gesetzgeberischen Grund der in den §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB getroffenen Regelung: Bei den verschiedenen Gewährleistungsansprüchen handelt es sich nur um verschiedene, dem Berechtigten zur Wahl gestellte Mittel zur Durchführung seines Rechts, die sich gegenseitig ausschließen; wählt der Berechtigte eines dieser Mittel und scheitert er damit, so soll er durch den inzwischen erfolgten Ablauf der kurzen Verjährungsfrist nicht gehindert sein, einen anderen auf denselben Mangel gestützten Gewährleistungsanspruch mit mehr Erfolg geltend zu machen (RGZ 134, 272, 274). Diese den Besonderheiten des Gewährleistungsrechts Rechnung tragende Regelung läßt sich auf den vorliegenden Fall, der damit nicht vergleichbar ist, nicht übertragen.

Andere Entscheidungen, in denen sich die Rechtsprechung bei der Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB nicht an die Grenzen gehalten hat, die durch den Streitgegenstand der ursprünglichen Klage gezogen wurden, beruhen auf der Erwägung, daß mit der Klage jeweils von Anfang an ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch in vollem Umfang geltend gemacht war und sich die durch den Klageantrag für den prozessualen Streitgegenstand gezogenen Grenzen nachträglich als zu eng erwiesen (vgl. BGHZ 66, 138; BGH LM BGB § 209 Nr. 35; BGH JR 1980, 105, 106). Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch um verschiedene materiell-rechtliche Ansprüche.

Schließlich unterbricht die rechtzeitige Klage auf Befriedigung eines von mehreren materiell-rechtlichen Ansprüchen, die lediglich unterschiedliche Ausprägungen des gleichen Rechtes und daher wesensgleich sind, die Verjährung auch für diese anderen Ansprüche (vgl. Erman/Hefermehl, § 209 BGB Rdnr. 3; Soergel/Augustin, § 209 BGB Rdnr. 16). So unterbricht im Rahmen des Klageantrags eine gegen den beschenkten Erben gerichtete Klage auf Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) die Verjährung auch für den Pflichtteilsanspruch, wenn der Kläger im Laufe des Verfahrens seine Klage umstellt und diesen geltend macht (BGH, Urteil vom 12. Juli 1974 - IV ZR 19/73 -, mitgeteilt bei Johannsen, WM 1977, 308), oder die auf § 2325 BGB gestützte Zahlungsklage die Verjährung für den auf § 2329 BGB gegründeten Duldungsanspruch gegen denselben Verpflichteten (BGH NJW 1974, 1327).

Auch dieser Fallgruppe läßt sich aber der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht zuordnen.

Das Gesetz sieht bei der Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten unterschiedliche Wege für den Ausgleich des Zugewinns vor: Einen dem ehelichen Güterrecht zuzuordnenden Ausgleichsanspruch nach den §§ 1373 ff. BGB gewährt das Gesetz, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht (§ 1371 Abs. 2 BGB). Daneben besteht ein Anspruch auf den "kleinen" Pflichtteil.

Wird der überlebende Ehegatte dagegen als Erbe oder Vermächtnisnehmer am Nachlaß beteiligt, so wird der Zugewinnausgleich auf erbrechtlichem Wege verwirklicht. Bei gesetzlicher Erbfolge erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft (§ 1371 Abs. 1 BGB). Diese Regelung wirkt sich auch aus, wenn der überlebende Ehegatte aufgrund letztwilliger Verfügung als Erbe oder Vermächtnisnehmer weniger als die Hälfte des Nachlasses erhalten soll (vgl. BGHZ 37, 58, 62). Er hat dann nämlich Anspruch auf wenigstens die Hälfte des Wertes seines durch § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten gesetzlichen Erbteils (§§ 2303 Abs. 2, 2305 bis 2307 BGB).

Diese unterschiedliche gesetzliche Regelung schließt es aus, den Anspruch auf Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 BGB) und den mittelbar aus § 1371 Abs. 1 BGB abzuleitenden Anspruch auf den "großen" Pflichtteil als wesensgleich zu betrachten. Sie gehören nicht nur zwei Rechtsbereichen an (eheliches Güterrecht, Erbrecht), sondern unterscheiden sich auch erheblich in der rechtlichen Ausgestaltung, obwohl durch die Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils nach § 1371 Abs. 1 BGB der Ausgleich des Zugewinns verwirklicht werden soll (vgl. dazu BGHZ 37, 58, 68; 42, 182, 189). Insbesondere kommt es für die sich aus § 1371 Abs. 1 BGB ergebenden Rechte im Gegensatz zu Absatz 2 der Vorschrift nicht darauf an, ob in der Ehe ein Zugewinn erzielt worden ist und welcher Ehegatte dabei günstiger abgeschnitten hat (§ 1371 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Außerdem haben über den Zugewinnausgleichsanspruch die Familiengerichte zu entscheiden (§ 23 b Abs. 1 Nr. 9 GVG), während dies für den Pflichtteilsanspruch nicht gilt. Auf diese Unterschiede hat das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen. Die Begründung unterschiedlicher Gerichtszuständigkeiten durch § 23 b Abs. 1 Nr. 9 GVG läßt darauf schließen, daß auch der Gesetzgeber des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts die sich aus der erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs ergebenden Rechte nicht als wesensgleich mit dem güterrechtlichen Ausgleichsanspruch angesehen hat.

Die hier vertretene Auffassung entspricht dem Zweck der Verjährung, Sie soll die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden bewahren. Werden Ansprüche lange Zeit nicht geltend gemacht, so spricht eine Vermutung dafür, daß sie nicht oder nicht mehr gerechtfertigt sind. Der Schuldner soll vor der Geltendmachung solcher veralteten Ansprüche geschützt werden. Deshalb wird ihm mit der Verjährung die Möglichkeit eröffnet, sich gegen einen verspätet erhobenen Anspruch ohne Eingehen auf die Sache verteidigen zu können. Damit werden ihm zugleich Beweisschwierigkeiten erspart, in die er wegen des Zeitablaufs geraten könnte. Darüber hinaus dient die Verjährung auch dem Verkehrsinteresse nach einer beschleunigten Abwicklung von Rechtsverhältnissen (vgl. Staudinger/Dilcher, Rdnr. 4 vor § 194 BGB; Soergel/Augustin, Rdnr. 2 vor § 194 BGB; MünchKomm/von Feldmann, § 194 BGB Rdnr. 6; Erman/Hefermehl, Rdnr. 2, 3 vor § 194 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl., Überblick 2 vor § 194 BGB). Gerade die in § 1378 Abs. 4 BGB bestimmte kurze Verjährung verfolgt den Zweck, nach Beendigung des Güterstandes die Frage nicht zu lange in der Schwebe zu lassen, ob Zugewinnausgleichsansprüche zu erwarten sind.

Vor allem das Interesse an einer beschleunigten Abwicklung des Güterstandes und der Schutz des Schuldners vor Beweisschwierigkeiten verbieten es, bei der Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB der Klage auf den "großen" Pflichtteil eine die Verjährung unterbrechende Wirkung auch für den Anspruch auf Zugewinnausgleich aus § 1371 Abs. 2 BGB beizumessen. Eine solche Erstreckung der Unterbrechung käme nur in Betracht, wenn aus dem vorgetragenen Lebenssachverhalt beide Ansprüche herzuleiten wären, der Schuldner also in seiner Verteidigung gegen die Ausgleichsforderung nicht durch Zeitablauf behindert sein könnte (vgl. Henckel, JZ 1962, 335, 336). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt:

Wie bereits dargelegt, ist der Anspruch auf den "großen" Pflichtteil unabhängig davon, ob der Erblasser während der Ehe einen Zugewinn erzielt hat und ob dieser den Zugewinn des überlebenden Ehegatten übersteigt. Der Erbe, der von dem überlebenden Ehegatten auf Zahlung des "großen" Pflichtteils in Anspruch genommen wird, braucht deshalb diesen schwierigen Fragen nicht nachzugehen. Wenn der überlebende Ehegatte innerhalb der Verjährungsfrist stets nur den Pflichtteil beansprucht, braucht der Erbe nicht damit zu rechnen, daß der Erblasser in der Ehe einen ausgleichspflichtigen Zugewinn erzielt habe und deshalb eine Ausgleichsforderung erhoben werde. Tritt der überlebende Ehegatte dann erst nach Jahren mit dem Anspruch auf Zugewinnausgleich hervor, so kann es dem Erben infolge des Zeitablaufs erhebliche Schwierigkeiten bereiten, die Vermögensentwicklung in der Ehe des Erblassers, insbesondere ein etwaiges Anfangsvermögen des Erblassers und einen Zugewinn des überlebenden Ehegatten, nachträglich zu ermitteln.

c)

Die Erhebung der danach begründeten Verjährungseinrede stellt keine unzulässige Rechtsausübung des Beklagten dar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte die Klägerin nicht davon abgehalten, rechtzeitig Klage auf Ausgleich des Zugewinns zu erheben. Die Klägerin hat dazu in den Vorinstanzen auch nichts vorgetragen.

 

Unterschriften

Fuchs

Henkel

Dr. Lang

Gärtner

Winter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456339

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