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BGH Urteil vom 17.10.2003 - V ZR 429/02

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Leitsatz (amtlich)

Ein Verstoß gegen das in § 12 Abs. 1 BORA bestimmte Verbot führt weder zur Nichtigkeit eines verbotswidrig zustande gekommenen Vertrages nach § 134 BGB noch ohne weitere Umstände zu seiner Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 138 Abs. 1; BORA § 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.11.2002)

LG Offenburg

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des OLG Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - v. 15.11.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit Notarvertrag v. 4.5.1998 kauften die Kläger von den Beklagten unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel für 500.000 DM ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück. Der Kaufpreis wurde bezahlt, der Besitz ging über.

Eine der Wohnungen des Hauses befindet sich im Kellergeschoss. Die Wohnung war bei Abschluss des Kaufvertrags von Schimmel befallen. Dies führten die Kläger auf das Eindringen von Feuchtigkeit in das Gebäude zurück. Zum Beweis der Behauptung, in das Kellergeschoss dringe Wasser ein, leiteten sie im Mai 1999 ein selbständiges Beweisverfahren ein. Sie machten geltend, den Beklagten sei der Schimmelbefall bei Vertragsschluss bekannt gewesen. Das stellten die anwaltlich vertretenen Beklagten in Abrede. Das Gericht ordnete die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen an.

In seinem am 15.2.2000 dem Gericht übermittelten Gutachten stellte der Sachverständige fest, dass Wasser in die Kellerwohnung eindringt, weil die notwendige Abdichtung des Gebäudes gegen drückendes Wasser fehlt. Den zur Behebung des Mangels und der innerhalb des Gebäudes infolge des Wassereintritts entstandenen Schäden notwendigen Aufwand bezifferte er auf rund 26.000 DM.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten v. 24.2.2000 forderten die Kläger die Beklagten unter Bezugnahme auf das Gutachten zur Zahlung von 33.515,33 DM bis zum 6.3.2000 auf. Der Aufforderung kamen die Beklagten nicht nach. Am 27.3.2000 fertigte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die im vorliegenden Rechtsstreit erhobene Klage. Hiernach verlangten die Kläger von den Beklagten Zahlung von 37.201,92 DM Schadensersatz zzgl. Zinsen.

Mit am 28.3.2000 zugegangenem Schreiben wandten sich die Beklagten an den Prozessbevollmächtigten der Kläger. In dem Schreiben heißt es:

"Nach der Einsicht des Gutachtens ... sehen wir ein, dass es wirklich Baumängel sind, und nicht Ursachen von Leitungswasser von innen.

Wir sind bereit, den Schaden zu bezahlen, wir möchten Sie bitten, uns einen Termin zu geben, damit wir es mit Ihnen besprechen können, vielleicht wäre eine Ratenzahlung möglich."

Am 30.3.2000 wurde die Klage bei Gericht eingereicht und den Beklagten am 5.4.2000 zugestellt. Am 17.4.2000 trafen die Parteien im Büro des Prozessbevollmächtigten der Kläger zusammen. Die Beklagten verpflichteten sich, an die Kläger am 15. Mai, 1.6.und 1.7.2000 jew. 16.000 DM zu zahlen. Die erste Rate wurde von den Beklagten bezahlt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Nach Erweiterung der Klage haben die Kläger beantragt, die Beklagten zur Zahlung weiterer 49.850,65 DM zzgl. Zinsen zu verurteilen. Die Beklagten haben geltend gemacht, durch die Vereinbarung v. 17.4.2000 sei ihre Zahlungsverpflichtung auf 48.000 DM beschränkt worden. Außerdem haben sie die Höhe des behaupteten Schadens bestritten. Der Beklagte zu 1 hat seine Verpflichtung zur Zahlung darüber hinaus mit der Begründung in Abrede gestellt, er sei bei Vertragsschluss nicht Eigentümer des Grundstücks gewesen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Revision der Kläger. Sie erstreben die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Kläger. Es meint, dem geltend gemachten Anspruch fehle es an einer Grundlage. Einer Haftung der Beklagten aus § 463 S. 2 BGB a. F. stehe ihre Behauptung entgegen, die Kläger hätten den Schimmelbefall der Kellergeschosswohnung bei Vertragsabschluss gekannt. Das Schreiben v. 28.3.2000 hindere die Beklagten nicht daran, ihre Ersatzpflicht in Abrede zu stellen. Auch die Vereinbarung v. 17.4.2000 habe nicht zu einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten geführt. Diese Vereinbarung sei nichtig, weil sie unter gezielter Umgehung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten geschlossen worden sei.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch folgt aus § 463 S. 2 BGB a. F. Die Beklagten haben ihre Verantwortlichkeit für den durch das Eindringen von Wasser in das Gebäude entstandenen Schaden mit ihrem am 28.3.2000 dem Prozessbevollmächtigten der Kläger übermittelten Schreiben anerkannt. Das Anerkenntnis bindet die Beklagten.

Die Auslegung des Schreibens durch das Berufungsgericht, die Beklagten hätten lediglich um eine Unterredung im Büro der Klägervertreter nachgesucht, ist rechtfehlerhaft und bindet den Senat daher nicht. Sie berücksichtigt nicht das vorausgegangene Beweisverfahren, die Aufforderung v. 24.2.2000 und die Behauptung der Kläger im Beweisverfahren, die Beklagten hätten den Schimmelbefall der Kellergeschosswohnung beim Verkauf des Grundstücks arglistig verschwiegen. Sie trägt schließlich der Tatsache nicht Rechnung, dass die Beklagten auch im vorliegenden Rechtstreit ihre Haftung dem Grunde nach zunächst nicht in Abrede gestellt haben. Bei Berücksichtigung dieser Umstände scheidet eine Auslegung der Erklärung der Beklagten als bloße Bitte um einen Gesprächstermin aus.

Weiteres Vorbringen der Parteien hierzu ist nicht zu erwarten. Die damit dem Senat mögliche eigene Würdigung ergibt, dass die Beklagten ihre Eintrittspflicht für den den Klägern entstandenen Schaden in bindender Weise anerkennen wollten, die Kläger dies akzeptiert haben und dieser übereinstimmende Wille der Parteien der Auslegung vorgeht. Die Beklagten haben sich in ihrem Schreiben zu ihrer Verantwortlichkeit für den den Klägern durch das Eindringen von Wasser in das Gebäude entstandenen Schaden bekannt und um eine einverständliche Regelung von Höhe und Fälligkeit ihrer Zahlungsverpflichtung nachgesucht. Sie wollten ihre Haftung dem Grunde nach auch dann nicht mehr in Frage stellen, wenn zur Höhe und zur Fälligkeit ihrer Forderung keine Einigung erzielt würde. Das Schreiben der Beklagten bedeutet insoweit das Angebot eines bestätigenden Anerkenntnisses (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1988 - IVb ZR 82/86, MDR 1988, 655 = WM 1988, 794 [795]; Urt. v. 1.12.1994 - VII ZR 215/93, MDR 1995, 244 = WM 1995, 402 [404]). Dieses Angebot haben die Kläger angenommen. Damit sind die Beklagten mit Einwendungen gegen den Grund des geltend gemachten Anspruchs ausgeschlossen.

Das gilt auch für den Beklagten zu 1. Dass er bei Abschluss des Kaufvertrages am 4.5.1998 nicht Miteigentümer des verkauften Grundstücks war, ist für seine Haftung und die Würdigung des Schreibens der Beklagten ohne Bedeutung. Dass ein Verkäufer nicht Eigentümer der verkauften Sache ist, lässt seine Möglichkeit unberührt, sich zu verpflichten, dem Käufer das Eigentum an der verkauften Sache zu verschaffen.

2. Die Haftung der Beklagten ist nach ihrem Vorbringen durch die Vereinbarung v. 17.4.2000 auf 48.000 DM/24.542,01 Euro beschränkt worden. Hiervon sind 16.000 DM/8.170,35 Euro bezahlt. Der Vertrag v. 17.4.2000 ist nicht deshalb nichtig, weil er ohne Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten abgeschlossen worden ist. Zwar verbietet es § 12 BORA einem Rechtsanwalt grundsätzlich, ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten Verhandlungen aufzunehmen oder zu verhandeln. Ein Verstoß gegen dieses Verbot führt jedoch nicht dazu, dass ein verbotswidrig abgeschlossener Vertrag nichtig wäre.

a) § 134 BGB greift nicht ein. Die Bestimmung ordnet für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nicht ausnahmslos die Nichtigkeit an. Während die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ohne weiteres zu dessen Nichtigkeit führt (§ 138 BGB), macht § 134 BGB diese Rechtsfolge davon abhängig, dass sich aus dem Gesetz nichts Anderes ergibt. § 134 BGB kann daher nicht ohne Rückgriff auf das verletzte Verbot angewendet werden. Ordnet das Verbot selbst eine Rechtsfolge an, so ist diese maßgeblich. Fehlt eine verbotseigene Rechtsfolgeregelung, sind Sinn und Zweck des verletzten Verbots entscheidend (st. Rechtspr., vgl. BGH v. 17.1.1985 - III ZR 135/83, BGHZ 93, 264 [267] = MDR 1985, 387; v. 9.2.1990 - V ZR 274/88, BGHZ 110, 230 [240] = MDR 1990, 608; v. 14.12.1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 [286] = MDR 2000, 872). Dies erfordert eine normbezogene Abwägung, ob es mit dem Sinn und dem Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar ist, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen bzw. bestehen zu lassen (BGH v. 10.7.1991 - VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123 [125] = MDR 1991, 1035 = CR 1992, 21; v. 14.12.1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 [286] = MDR 2000, 872). Diese Prüfung ergibt, dass der Verstoß gegen das Verbot in § 12 Abs. 1 BORA nicht zur Nichtigkeit einer Einigung der Parteien führt, die ohne Kenntnis oder Erlaubnis des Rechtsanwalts der anderen Partei zu Stande gekommen ist.

§ 12 Abs. 1 BORA wendet sich nicht gegen den Inhalt des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts, sondern gegen die Umstände seines Abschlusses. Schon dies spricht grundsätzlich gegen die Nichtigkeit des verbotswidrig zu Stande gekommenen Rechtsgeschäfts (Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 134 Rz. 11; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 134 Rz. 20; generell verneinend Staudinger/Kohler, BGB [2003], § 134 Rz. 69). Zweck des Verbots sind der Schutz des gegnerischen Rechtsanwalts vor Eingriffen in dessen Mandatsverhältnis, der Schutz des gegnerischen Mandanten (Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 12 BORA Rz. 1; Hartung in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 12 BORA Rz. 2; Zuck in Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich, Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl., § 24 Rz. 1) und der Schutz der Rechtsprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzungen, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden (BVerfG v. 12.7.2001 - 1 BvR 2272/00, NJW 2001, 3325 [3326]). Diese Zwecke gebieten es nicht, ein unter Verstoß gegen das in § 12 Abs. 1 BORA bestimmte Verbot zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft als nichtig zu werten. Die Achtung von § 12 Abs. 1 BORA ist durch die standesrechtlichen Befugnisse der Rechtsanwaltskammern hinreichend gewährleistet (vgl. Staudinger/Kohler, BGB [2003], § 134 Rz. 27).

Gegen die Nichtigkeit eines insoweit verbotswidrig zu Stande gekommenen Rechtsgeschäfts spricht des Weiteren, dass sich das Verbot nicht an die Beteiligten des Rechtsgeschäfts richtet, sondern an ihre Rechtsanwälte. Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BORA kann im jeweiligen Fall immer nur von dem Rechtsanwalt eines der Beteiligten begangen werden. Das Verbot wirkt insofern einseitig und führt auch deshalb grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des verbotswidrig zu Stande gekommenen Rechtsgeschäfts (vgl. BGH v. 30.4.1992 - III ZR 151/91, BGHZ 118, 142 [145] = AG 1992, 438 = GmbHR 1992, 615 = MDR 1992, 858; v. 14.12.1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 [287] = MDR 2000, 872). Schließlich gilt es nicht ausnahmslos, sondern steht unter dem Vorbehalt von § 12 Abs. 2 BORA.

b) Die Einigung der Parteien ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB nichtig. Dass § 134 BGB nicht greift, führt nicht notwendig dazu, dass die Einigung der Prüfung nach § 138 BGB standhält (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1981 - I ZR 40/79, MDR 1981, 820 = NJW 1981, 1439; Mayer-Maly/Armbrüster in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 134 Rz. 4). § 138 BGB bezieht sich jedoch auf das Rechtsgeschäft und nicht auf das Handeln der Beteiligten oder die Umstände bei dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts. Letztere können daher nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen, wenn sie dem Rechtsgeschäft trotz indifferenten Inhalts ein sittenwidriges Gesamtgepräge geben (BGHZ 53, 369 [376]; RGZ 150, 1 [5]; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 138 Rz. 29).

Voraussetzung der Berücksichtigung des in § 12 Abs. 1 BORA bestimmten Verbots bei der Feststellung des Gesamtgepräges eines verbotswidrig geschlossenen Vertrags ist daher, dass der Vertrag die Interessen der durch das Verbot geschützten Vertragspartei missachtet. Daran fehlt es, wenn die ratenweise Erfüllung einer Forderung oder die Höhe einer Forderung in einem nicht zu beanstandenden Umfang und ihre Erfüllung in Raten vereinbart werden. Umstände, die insoweit Bedenken gegen den Vertrag v. 17.4.2000 erwecken könnten, sind jedoch nicht vorgetragen.

III.

An einer abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat gehindert, weil es an Feststellungen zur Höhe des Schadens der Kläger und zum Inhalt der Vereinbarung v. 17.4.2000 fehlt, soweit die Beklagten geltend machen, es handele sich um einen Vergleich, durch welchen die Forderung der Kläger auf den Betrag von 48.000 DM/24.542,01 Euro begrenzt worden sei. Insoweit wird das Berufungsgericht die Vernehmung der Beklagten als Partei gem. § 148 ZPO zu erwägen haben. Die Richtigkeit ihres Vorbringens ist wahrscheinlich. Mit der am 5.4.2000 zugestellten Klage haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 37.201,92 DM zzgl. Zinsen seit dem 6.3.2000 verlangt. Dass die Beklagten sich angesichts dieser Forderung am 17.4.2000 zur Zahlung von 48.000 DM innerhalb kurzer Fristen verpflichtet haben, ist nur plausibel, wenn durch die vereinbarte Zahlungsverpflichtung die Forderung der Kläger festgeschrieben wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1064817

BB 2003, 2594

DStZ 2004, 60

NJW 2003, 3692

NWB 2004, 140

BGHR 2004, 139

BauR 2004, 342

FamRZ 2004, 186

IBR 2004, 107

WM 2004, 1341

ZAP 2004, 68

ZIP 2003, 2303

ZfIR 2004, 11

MDR 2004, 117

VersR 2004, 402

ZfBR 2004, 152

BrBp 2004, 217

NZBau 2004, 157

RÜ 2004, 76

ZGS 2004, 5

BRAK-Mitt. 2004, 42

Mitt. 2004, 92

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