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BGH Urteil vom 05.12.1991 - VII ZR 106/91

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Leitsatz (amtlich)

›1. Der Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides unterbricht die Verjährung nur, wenn der geltend gemachte Anspruch in der Weise bezeichnet ist, daß er Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und daß der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird.

2. Die für eine hinreichende Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid erforderlichen Angaben richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.

3. Ein Schadensersatzspruch wegen Nichterfüllung und ein Werklohnanspruch nach § 649 BGB sind verjährungsrechtlich selbständig, so daß die Verjährungsunterbrechung des einen Anspruchs nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Unterbrechungswirkungen für den anderen Anspruch entfalten kann.‹

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt

OLG Frankfurt am Main

 

Tatbestand

Die Parteien schlossen Anfang des Jahres 1984 einen Werkvertrag, in dem sich die Klägerin zur Ausführung von Dachdeckerarbeiten verpflichtete. Nachdem die Arbeiten von der Klägerin aus Gründen nicht aufgenommen wurden, die zwischen den Parteien streitig sind, setzte der Beklagte eine Nachfrist und beauftragte im Oktober 1984 einen anderen Dachdecker, der die Arbeiten ausführte.

Daraufhin verlangte die Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung, den sie wie folgt berechnete:

"22 % Vertreterprovision aus DM 26.236 = DM 5.771,92

14 % Mehrwertsteuer auf die Vertreterprovision = DM 808,07

13 % Gewinnentgang aus DM 26.236 DM = 2.630,68

Insgesamt DM 9.210,67."

Da der Beklagte die Zahlung ablehnte, erwirkte die Klägerin einen Mahnbescheid, in dem der geltend gemachte Anspruch in derselben Weise bezeichnet ist, wie in dem vorangegangenen Forderungsschreiben der Klägerin.

Gegen den Mahnbescheid hat der Beklagte am 15. Januar 1987 rechtzeitig Widerspruch erhoben. Die Klägerin hat mit einem bei Gericht am 28. Dezember 1988 eingegangenen Schriftsatz die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt und den Forderungsbetrag von 9.210,67 DM ausschließlich als Werklohnanspruch aus § 649 BGB geltend gemacht, den sie wie folgt berechnet:

"Nettoauftragssumme DM 26.236,--

abzüglich 27, 92 % Material- und Fremdlohnkostenanteil DM 7.325,09

abzüglich 19,66 % Lohnkostenanteil DM 5.158,--

restlicher Werklohnanspruch mithin DM 13.752,91, wovon aber nur 7.210,67 DM verlangt werden."

Der Beklagte hat sich gegen die Klagforderung u.a. mit der Einrede der Verjährung verteidigt.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, welche Anforderungen an die "Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung" im Sinne des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu stellen seien, sei klärungsbedürftig. Die Klägerin verlangt mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, ihre Klageforderung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

Die Werklohnforderung der Klägerin, die im Jahre 1984 entstanden sei, sei mit Ablauf des Jahres 1986 verjährt. Der Mahnbescheid der Klägerin habe die Verjährung hinsichtlich dieser Forderung nicht unterbrechen können, weil er nicht den Erfordernissen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprochen habe und weil er allenfalls Provisions- und Schadensersatzansprüche, nicht jedoch den von der Klägerin mit ihrer Klage verfolgten Werklohnanspruch bezeichne.

II. Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch.

Der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers aus § 649 BGB verjährt nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB in zwei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt nach § 201 Satz 1 BGB mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Da der Anspruch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Oktober 1984 entstanden ist, trat die Verjährung mit Ablauf des Jahres 1986 ein.

1. Die Verjährung des Anspruches ist durch den am 30. Dezember 1986 erwirkten und dem Beklagten am 9. Januar 1987 zugestellten Mahnbescheid nicht gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 693 Abs. 2 ZPO unterbrochen worden. Grundsätzlich unterbrechen eine Klage und ein Mahnbescheid die Ver#ährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage oder dem Mahnbescheid geltend gemacht wurden (BGH, Urteil vom 16. März 1988 = BGHZ 104, 6, 12). Ausnahmsweise werden von der Unterbrechungswirkung auch subsidiäre Ansprüche und Folgeansprüche erfaßt, wenn es sich nicht um wesensmäßig verschiedene Ansprüche handelt und sie dem gleichen Endziel dienen (BGH, Senatsurteil vom 5. Mai 1988 = BGHZ 104, 268, 274 f. mit zustimmenden Anmerkungen von Deuchler, WuB IV A. § 209 BGB 1.88; Feldmann, EWiR 1988, 965; Hanisch, IPRax 1989, 276; K. Schmidt, NJW 1989, 65; bestätigt durch Urteil vom 26. Oktober 1989 - VII ZR 153/88 = WM 1990, 111 mit zustimmender Anmerkung von E. Schneider, WuB IV A. § 209 BGB 1.90).

2. Nach diesen Grundsätzen hat der Mahnbescheid der Klägerin die Verjährung der Werklohnforderung nicht unterbrochen; dieser Anspruch ist in dem Mahnbescheid nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden, sondern allenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Die mögliche Verjährungsunterbrechung dieses Anspruchs hat die Verjährung des Vergütungsanspruchs nicht unterbrochen, weil es sich um einen verjährungsrechtlich selbständigen Anspruch handelt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Mahnbescheid die Verjährung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur unterbrechen, wenn die Forderung nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch weitere Informationen im Mahnbescheid hinreichend individualisiert worden ist. Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muß durch die Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, daß er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990 = BGHZ 112, 367, 370) und daß der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird, damit er beurteilen kann, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht (BGH, Senatsurteile vom 18. November 1982 - VII ZR 118/81 = WM 1983, 95, 96 und vom 5. Mai 1988 aaO.).

Welche zusätzlichen Angaben zur hinreichenden Individualisierung des Anspruchs notwendig sind, läßt sich nicht allgemein festlegen. Die Art und der Umfang der erforderlichen Angaben hängen im Einzelfall vor allem von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruches ab (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990 aaO.).

b) Die Angaben des Mahnbescheides zu dem Anspruch, der Gegenstand des Mahnverfahrens sein sollte, genügen nicht, um die Verjährung hinsichtlich des Werklohnanspruches zu unterbrechen.

(1.) Die Bezeichnung des Anspruches im Mahnbescheid und vor allem die genannten Einzelpositionen des Anspruchs enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin einen Werklohnanspruch nach § 649 BGB geltend machen wollte. Die Bezeichnung des Anspruches deutet vielmehr darauf hin, daß die Klägerin, wie sie auch schon vorher angekündigt hatte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung forderte.

(2.) Die Frage, ob die Angaben im Mahnbescheid zu einem Schadensersatzanspruch den Anforderungen an die hinreichende Individualisierung genügen, kann hier offenbleiben, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Selbst wenn eine hinreichende Individualisierung des Schadensersatzanspruches gegeben sein sollte, wäre die Verjährung des Werklohnanspruches nicht unterbrochen worden, weil der Werklohnanspruch gegenüber dem Schadensersatzanspruch verjährungsrechtlich selbständig ist. Beide Ansprüche sind im Hinblick auf den relevanten Sachverhalt, auf die Anspruchsvoraussetzungen und auf die Rechtsfolgen sowie hinsichtlich des von der Klägerin verfolgten Endzieles wesensmäßig verschieden. Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung ist auf ein grundlegend anderes Interesse des Gläubigers gerichtet als der Werklohnanspruch nach § 649 BGB. Während der Anspruch wegen Nichterfüllung dem Gläubiger im Hinblick auf eine Vertragsverletzung des Schuldners die Möglichkeit eröffnet, den ihm aus der Leistungsstörung erwachsenen Schaden einschließlich des entgangenen Gewinns geltend zu machen, gewährt ihm der Werklohnanspruch des § 649 BGB lediglich den vertraglich vereinbarten Werklohn abzüglich der ersparten Aufwendungen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993104

DB 1992, 1408

NJW 1992, 1111

BGHR BGB § 209 Abs. 2 Nr. 1 Unterbrechungsumfang 1

BGHR ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3 Individualisierung 2

BauR 1992, 229

DRsp I(112)173c-d

DRsp IV(418)258Nr.5a

WM 1992, 493

AnwBl 1993, 350

MDR 1992, 554

ZfBR 1992, 125

DRsp-ROM Nr. 1993/908

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