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BGH Beschluss vom 24.03.2003 - IX ZR 243/02

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittellosigkeit des Vollstreckungsgläubigers. Einstellung der Zwangsvollstreckung. Nicht zu ersetzender Nachteil. Nichterbringung der Sicherheitsleistung. Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (redaktionell)

Die bloße Nichterbringung der erstinstanzlich festgelegten Sicherheitsleistung durch den Vollstreckungsgläubiger rechtsfertigt nicht den Schluss auf eine Vermögenslosigkeit des Vollstreckungsgläubigers zum damaligen Zeitpunkt und schon gar nicht zu einem späteren.

 

Normenkette

ZPO §§ 711, 713, 719 Abs. 2, § 321

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 14.10.2002)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung der Kläger aus dem Urteil des 9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 14. Oktober 2002 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Erfurt verurteilt worden, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 25.104,44 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist zurückgewiesen und das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10, § 713 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden.

Nach fristgerechter Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung einzustellen. Sie macht geltend: Die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, da die Kläger in beengten finanziellen Verhältnissen lebten und daher zu erwarten sei, daß die Beklagte beim Erfolg in der Revisionsinstanz die von den Klägern im Rahmen der vorläufigen Vollstreckung beigetriebene Klagesumme nicht mehr zurückerhalten würde. So hätten die Kläger nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils Vorpfändungsanzeigen nach § 845 ZPO ausgebracht, aber – auch nach ausdrücklicher Aufforderung des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten – nicht die im erstinstanzlichen Urteil angeordnete Sicherheitsleistung in Höhe von 29.000 EUR erbracht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag der Beklagten ist nicht begründet.

Wird Revision gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist diese Norm entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht.

Im Streitfall scheitert der Antrag schon daran, daß die Beklagte nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat, die angekündigte Vollstreckung würde ihr i.S.d. § 719 Abs. 2 ZPO einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen.

1. Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Kann er die Vollstreckung mittels ausreichend begründbarer und zumutbarer Anträge gemäß § 712 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 ZPO, gegebenenfalls über eine Ergänzung nach § 716 ZPO abwenden, ist der Einstellungsantrag zurückzuweisen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 719 Rn. 13).

a) Zwar hat die Beklagte keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt. Dies steht hier jedoch einem Einstellungsantrag ausnahmsweise nicht entgegen, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in den Urteilstenor aufgenommen hat. Gemäß § 711 ZPO hat das Gericht in den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 ZPO von Amts wegen anzuordnen, daß der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, falls – wie hier gemäß § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO- die Voraussetzungen für ein Rechtsmittel nicht ausgeschlossen sind.

Dies hat das Berufungsgericht verkannt, indem es rechtsirrig die Voraussetzung des § 713 ZPO angenommen hat. Auf diese fehlerhafte Rechtsanwendung mußte sich die Beklagte nicht einstellen, so daß ihr das Unterlassen des Antrages gemäß § 712 ZPO nicht vorgeworfen werden kann.

b) Die Beklagte war auch nicht gehalten, einen Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO zu stellen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, daß in den Fällen, in denen das Gericht die Schutzanordnung gemäß § 711 ZPO unterläßt, ein Unterbleiben des Antrages auf Ergänzung des Urteils gemäß §§ 716, 321 ZPO die Zurückweisung eines Antrages nach § 719 Abs. 2 ZPO zur Folge hat (vgl. BGH, Urt. v. 25. August 1977 – V ZR 141/77, LM § 711 ZPO Nr. 1; v. 16. Februar 1984 – III ZR 87/83, NJW 1984, 1240). Diese Rechtsprechung findet im Streitfall jedoch keine Anwendung.

Ein im Sinne von § 321 Abs. 1 ZPO „von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch” ist übergangen, wenn das von einer Partei in den Prozeß eingeführte, in einen bestimmten Antrag gekleidete Begehren, also ein Anspruch im prozessualen Sinne, über den es von Amts wegen oder wegen des gestellten Antrages einer Entscheidung bedurfte, versehentlich nicht beschieden worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 1996 – VI ZR 300/95, LM § 321 ZPO Haftungsbegrenzung 1). Die Vorschrift des § 321 ZPO setzt also eine Entscheidungslücke voraus; sie dient nicht der Richtigstellung eines falschen Urteils (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1979 – VI ZR 40/78, VersR 1980, 263 f).

Eine Entscheidungslücke ist im Streitfall nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat nicht die Anordnung gemäß § 711 ZPO versehentlich unterlassen und damit eine lückenhafte Entscheidung im Sinne des § 321 ZPO getroffen, sondern seine Entscheidung ausdrücklich auf § 713 ZPO gestützt, so daß eine Entscheidung gemäß § 711 ZPO bewußt (wenn auch fehlerhaft) unterblieb.

Damit entfiel für die Beklagte die Möglichkeit, einen erfolgversprechenden Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO zu stellen.

2. Ob ein nicht zu ersetzender Nachteil gegeben ist, wenn der Gläubiger den ohne Sicherheitsleistung erhaltenen Urteilsbetrag wegen Mittellosigkeit nicht zurückzahlen kann, ist umstritten (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, aaO § 707 Rn. 17 Fn. 112 m.w.N.). Der Streit braucht nicht entschieden zu werden, da der Vortrag der Beklagten nicht ausreicht, Mittellosigkeit der Kläger anzunehmen.

Die Beklagte hat hierzu lediglich vorgetragen, daß die Kläger in „beengten finanziellen Verhältnissen” lebten und als Beleg für diese Wertung die – unstreitige – Tatsache angeführt, daß die Kläger – selbst nach entsprechender Aufforderung – nicht die im erstinstanzlichen Urteil festgelegte Sicherheitsleistung in Höhe von 29.000 EUR erbracht hätten. Die bloße Nichterbringung der Sicherheitsleistung rechtfertigt nicht den Schluß auf eine Vermögenslosigkeit zum damaligen Zeitpunkt und schon gar nicht zu einem späteren. Es kann für dieses Verhalten vielfältige Gründe geben. Ohne nähere konkrete Darlegung der Vermögensverhältnisse der Kläger kann deren Mittellosigkeit nicht als ausreichend dargelegt angesehen werden.

 

Unterschriften

Kreft, Kirchhof, Kayser, Bergmann, Nešković

 

Fundstellen

Haufe-Index 926192

ZVI 2003, 279

www.judicialis.de 2003

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