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BGH Beschluss vom 20.11.2008 - V ZB 81/08

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des ZVG a.F. auf vor dem 30.06.2007 anhängige Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsverfahren. Verwendung des Zwangsverwaltungserlöses bei gemeinsam betriebenen Verfahren derselben Eigentumsanlage

 

Leitsatz (amtlich)

Das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung findet auch auf Zwangsverwaltungsverfahren, die am 30.6.2007 anhängig waren, weiterhin in seiner an diesem Tage geltenden Fassung Anwendung.

Dass mehrere Zwangsverwaltungsverfahren, die dieselbe Eigentumswohnungsanlage betreffen, gemeinsam betrieben werden, führt nicht dazu, dass der Erlös aus der Verwaltung einzelner Einheiten von dem Zwangsverwalter dazu verwendet werden könnte, das auf andere Einheiten entfallende Hausgeld zu bezahlen.

 

Normenkette

WEG § 62 Abs. 1; ZVG § 18

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 17.04.2008; Aktenzeichen 1 T 65/08)

AG Grünstadt (Beschluss vom 15.02.2008; Aktenzeichen L 4/07)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Frankenthal vom 17.4.2008 und der Beschluss des AG Grünstadt vom 15.2.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Anweisung an den Beteiligten zu 4) darüber hinausgeht, das auf das Teileigentum des Schuldners entfallende Hausgeld, soweit die aufstehenden Garagen vermietet sind, als Kosten der laufenden Verwaltung an die Beteiligte zu 2) zu zahlen.

Die weitergehende Beschwerde und die weitergehende Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.255 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Das Grundstück Hauptstraße 26/26a in T. ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz in 24 Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten geteilt. 17 Einheiten gehören dem Schuldner. Gegenstand des Sondereigentums der Teileigentumseinheiten sind die Garagen auf dem Grundstück. Mit Beschluss vom 7.2.2007 ordnete das AG auf Antrag der Beteiligten zu 2), der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Zwangsverwaltung der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten des Schuldners an und bestellte den Beteiligten zu 4) zum Zwangsverwalter. Mit Beschluss vom 9.5.2007 wurde der Beitritt der Beteiligten zu 1) zu dem Verfahren zugelassen.

[2] Der Beteiligte zu 4) zahlt das auf die seiner Verwaltung unterliegenden Wohnungseigentumseinheiten entfallende Hausgeld nur insoweit, als die Wohnungen vermietet sind. Auf das die Teileigentumseinheiten betreffende Hausgeld zahlt er nichts. Hierdurch sind bis zum 1.8.2008 Rückstände von insgesamt 6.255 EUR aufgelaufen. Die Beteiligte zu 2) hat beantragt, den von dem Beteiligten zu 4) aus der Vermietung erzielten Überschuss als Hausgeld an sie auszuzahlen, soweit dem Beteiligten zu 4) nach Abzug seiner Gebühren ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben verbleibt.

[3] Das AG hat dem Antrag dahingehend stattgegeben, dass es den Beteiligten zu 4) angewiesen hat, die seit der Beschlagnahme fällig gewordenen und künftig fällig werdenden monatlichen Hausgelder als Ausgaben der Verwaltung an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu bezahlen. Das LG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1) die Aufhebung der Anweisung.

II.

[4] Das Beschwerdegericht meint, das AG habe den Beteiligten zu 4) zu Recht angewiesen, das in der Vergangenheit fällig gewordene und künftig fällig werdende Hausgeld für sämtliche der Zwangsverwaltung unterliegenden Wohnungs- und Teileigentumseinheiten als Ausgaben der laufenden Verwaltung an die Eigentümergemeinschaft zu zahlen. Das Zwangsverwaltungsverfahren sei vor dem 1.7.2007 anhängig geworden. Gemäß § 62 Abs. 1 WEG sei auf das Verfahren daher das Zwangsversteigerungsgesetz in seiner bis zum 30.6.2007 geltenden Fassung anzuwenden. Nach dieser sei das Hausgeld als Ausgabe der laufenden Verwaltung i.S.v. § 155 Abs. 1 ZVG an die Eigentümergemeinschaft zu bezahlen.

III.

[5] Das hält rechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.

[6] 1. a) Das Vollstreckungsgericht ist nach § 153 Abs. 1 ZVG befugt, dem Zwangsverwalter Anweisungen zu erteilen. Hierzu gehört es insb., bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten des Verfahrens über die Pflichten des Zwangsverwalters, diesen mit bestimmten Weisungen zu versehen (OLG Stuttgart OLGZ 1977, 126 f.; Engels in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 153 Rz. 14 f.; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 153 Rz. 3.4). So verhält es sich hier. Die Beteiligten zu 1), 2) und 4) sind unterschiedlicher Auffassung zu der Frage, ob die Zahlung von Hausgeld durch den Beteiligten zu 4) unabhängig davon zu erfolgen hat, ob dieses aus der Vermietung der jeweiligen Wohnungen und Garagen erwirtschaftet wird.

[7] b) Dass bei der Zwangsverwaltung von Wohnungseigentum das laufende Hausgeld eine Ausgabe der Verwaltung bildet und damit unabhängig von der Erzielung von Einkünften aus der Verwaltung zu bezahlen ist, war für den Zeitraum bis zum 30.6.2007 nicht umstritten (BayObLGZ 1991, 93 f.; 1999, 99, 101f.; OLG Hamburg OLGZ 1993, 431 f.; LG Darmstadt Rpfleger 1977, 332; LG Köln Rpfleger 1987, 325 m. Anm. Meyer-Stolte; AG Dorsten ZMR 1977, 383; Stöber, a.a.O., § 152 Rz. 19.3; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 4. Aufl., § 155 ZVG Rz. 5; Steiger, Rpfleger 1985, 474 ff.).

[8] Die Beteiligten zu 1) und 4) verneinen dies für den Zeitraum seit dem 1.7.2007 im Hinblick auf die an diesem Tag in Kraft getretenen Änderungen von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG und die Ergänzung von § 156 Abs. 1 ZVG. Die Frage ist in der juristischen Literatur umstritten (vgl. Wedekind ZfIR 2007, 704, 707; Bergsdorf ZfIR 2008, 343 f.; Alff/Hintzen Rpfleger 2008, 165, 176). Sie kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben, weil auf das vorliegende Verfahren das Zwangsversteigerungsgesetz über den 30.6.2007 hinaus in seiner bis zu diesem Tage geltenden Fassung anzuwenden ist.

[9] Durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.3.2007 ist auch das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung geändert worden. Die Änderungen sind am 1.7.2007 in Kraft getreten. Für die an diesem Tage anhängigen "Zwangsversteigerungssachen" sind nach § 62 Abs. 1 WEG die durch das Gesetz vom 26.3.2007 geänderten Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung in ihrer bis zum 30.6.2007 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Dass in § 62 Abs. 1 WEG das Zwangsverwaltungsverfahren nicht genannt ist, bedeutet nicht, dass das Zwangsversteigerungsgesetz in seiner früheren Fassung nur auf Zwangsversteigerungsverfahren und nicht auf Zwangsverwaltungsverfahren anzuwenden ist, die am 1.7.2007 anhängig waren. Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde widerspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass die Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften auf im Zeitpunkt der Änderung anhängige Verfahren grundsätzlich keine Anwendung findet (vgl. §§ 22 ff. EGZPO), weil ein Wechsel der Vorschriften, nach denen ein Verfahren zu führen ist, innerhalb eines anhängigen Verfahrens zu Widersprüchen und Wertungsdifferenzen führen und auf die Entscheidung, ob ein gerichtliches Verfahren angerufen wird, Einfluss haben kann. So verhält es sich nicht nur mit den in § 62 Abs. 1 WEG ausdrücklich genannten, am 1.7.2007 anhängig gewesenen Wohnungseigentumsverfahren i.S.v. §§ 43 ff. WEG, den Zwangsversteigerungsverfahren nach §§ 15-145a ZVG und den bei einem Notar beantragten freiwilligen Versteigerungen, sondern auch mit den in §§ 146 ff. ZVG geregelten Zwangsverwaltungsverfahren. Auch auf diese Verfahren ist das Zwangsversteigerungsgesetz weiterhin in seiner bis zum 30.6.2007 geltenden Fassung anzuwenden (Wedekind ZfIR 2007, 704, 707; Engels in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeier, a.a.O., § 156 Hinweis). Der Terminus "Zwangsversteigerungssachen" in § 62 Abs. 1 WEG bedeutet allgemein Verfahren nach dem Zwangsversteigerungsgesetz. Dass für Zwangsverwaltungsverfahren etwas anderes gelten sollte, entbehrt eines vernünftigen Sinnes.

[10] 2. Das Beschwerdegericht übersieht indessen, dass Gegenstand des Zwangsverwaltungsverfahrens nicht eine Wohnungs- oder Teileigentumseinheit ist, sondern Gegenstand des Verfahrens die 17 Einheiten sind, die dem Schuldner gehören. Auch wenn das Verfahren zulässigerweise einheitlich geführt wird (Stöber, a.a.O., 18 ZVG Rz. 2.4), kann dies nicht außer acht bleiben (vgl. Senat, Beschl. v. 18.1.2007 - V ZB 63/06, ZfIR 2007, 249 f.; Beschl. v. 25.1.2007 - V ZB 150/06, ZfIR 2007, 501 f.). Die gleichzeitige Anordnung der Zwangsverwaltung mehrerer Einheiten führt nicht dazu, dass diese ein einheitliches Objekt bildeten, innerhalb dessen das auf jede Einheit entfallende Hausgeld einen Teil einer einheitlichen Forderung bedeutete und der Erlös aus der Verwaltung einzelner Einheiten mit den auf die Verwaltung anderer Einheiten entfallenden Kosten verrechnet werden könnte (OLG Stuttgart OLGZ 1977, 126, 128). Die einzelnen Objekte der Zwangsverwaltung bleiben vielmehr rechtlich und wirtschaftlich voneinander getrennt.

[11] Das hat zur Folge, dass es an einem Anlass fehlt, den Beteiligten zu 4) zur Zahlung von Hausgeld anzuweisen, soweit die seiner Verwaltung unterliegenden Wohnungen vermietet sind und der Beteiligte zu 4) das auf diese entfallende Hausgeld bezahlt. Eine Weisung des Beteiligten zu 4) zur Zahlung des Hausgelds scheidet darüber hinaus auch insoweit aus, als die Wohnungen und die Garagen nicht vermietet sind. Insoweit fehlt es dem Beteiligten zu 4) an Mitteln zur Zahlung des von der Beteiligten zu 2) verlangten Hausgelds. Eine Weisung, dieses zu bezahlen, kommt erst und nur insoweit in Betracht, wie die Beteiligten zu 1) und 2) dem Beteiligten zu 4) durch entsprechende Vorschüsse die Zahlung ermöglichen.

[12] Anders verhält es sich nur, soweit die zu dem Teileigentum des Schuldners gehörenden Garagen vermietet sind. Insoweit steht dem Beteiligten zu 4) ein Erlös aus der Verwaltung zur Verfügung, den er zur Zahlung des Hausgelds als Kosten der laufenden Verwaltung einzusetzen hat. Die Behauptung des Beteiligten zu 4), aufgrund einer Absprache mit der Beteiligten zu 2) die Zahlung in der Vergangenheit unterlassen zu haben und künftig unterlassen zu dürfen, kann dahingestellt bleiben, weil die Verwalterin der Eigentümergemeinschaft nicht dazu in der Lage ist, eine solche Absprache wirksam zu treffen. Die von dem Beteiligten zu 4) behauptete Absprache könnte sich offensichtlich allein zum Nachteil der Beteiligten zu 2) auswirken; die Verwalterin hätte, träfe die Behauptung des Beteiligten zu 4) zu, ihre Vertretungsmacht für diesen ohne Weiteres erkennbar missbraucht. Die Berufung auf die behauptete Absprache wäre dem Beteiligen zu 4) verwehrt (vgl. Senat, Urt. v. 7.12.2007 - V ZR 65/07, NJW 2008, 1225, 1227; BGH, Urt. v. 25.2.2002 - II ZR 374/00, NJW 2002, 1057, 1058).

IV.

[13] Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung über die Frage, ob das Vollstreckungsgericht den Zwangsverwalter zu Recht angewiesen hat, das auf die seiner Verwaltung unterliegenden Wohnungs- und Teileigentum entfallende Hausgeld als Kosten der Verwaltung zu bezahlen, ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Das steht einer Anwendung von §§ 91 ff. ZPO entgegen (vgl. Senat, Beschl. vom 10.1.2008 - V ZB 31/07, NJW-RR 2008, 892, 893).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2097231

NJW 2009, 598

BGHR 2009, 371

NZM 2009, 129

WM 2009, 414

ZMR 2009, 294

Rpfleger 2009, 163

WuM 2009, 192

ZInsO 2009, 205

ZWE 2009, 175

ZWE 2009, 425

GuT 2009, 45

Info M 2009, 446

MietRB 2009, 75

NJW-Spezial 2009, 162

IGZInfo 2009, 38

IWR 2009, 71

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