Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 17.09.2019 - 1 StR 343/19

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 04.04.2019)

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

Rz. 2

1. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten von dem Versuch des Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 3

a) Nach den Feststellungen befand sich der Angeklagte nach einem Gartenfest am frühen Abend des 28. Oktober 2018 gemeinsam mit dem Geschädigten A., dem Gastgeber M. sowie zwei weiteren Gästen, den Zeugen S. und Z., in einer Gartenhütte. Nach einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten, der durch eine Beleidigung seitens des Angeklagten ausgelöst worden war und den der Gastgeber schlichtete, verließen der Geschädigte und die Zeugen S. und Z. das Gartengrundstück und blieben im Bereich des Garteneingangs stehen. Der Angeklagte ging davon aus, dass die drei Personen ihn zur Rede stellen und gegebenenfalls schlagen wollten. Um für eine körperliche Auseinandersetzung gewappnet zu sein und um sicher zu gehen, dass er sich durchsetzen werde, nahm der Angeklagte ein in der Hütte befindliches Messer mit. Als er beim Verlassen des Grundstücks an dem Geschädigten vorbeiging, äußerte dieser sinngemäß unter anderem „jetzt hau’ ich Dich” und packte ihn an der Schulter. Daraufhin versetzten sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte dem jeweils anderen je einen Faustschlag im Kopfbereich. Nunmehr zog der Angeklagte das Messer und stach dem Geschädigten in die rechte Flanke oberhalb des Darmbeinkamms. Der Stich drang mindestens zehn Zentimeter in die Muskulatur der rechten seitlichen Bauchwand in Richtung Körpermitte zur Niere ansteigend ein. Es kam zu einer leichten Blutung im Bereich der Flexur des Dickdarms, ohne dass dieser selbst verletzt wurde. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der Stich tödliche Folgen haben konnte; dies war ihm jedoch gleichgültig.

Rz. 4

Der Geschädigte bemerkte sofort den Schmerz infolge des Stichs und rief: „Er hat mich gestochen”. Spätestens jetzt wusste der Angeklagte, dass der Stich getroffen hatte. Ihm war bewusst, dass er den Stich mit Wucht geführt hatte, und er ging davon aus, dass er den Geschädigten empfindlich, möglicherweise auch tödlich verletzt hatte. Zugleich befürchtete er, er würde es spätestens jetzt nicht nur mit dem Geschädigten, sondern auch mit den Zeugen S. und Z. zu tun bekommen, nachdem diese gesehen hatten, dass er einen Messerstich ausgeführt hatte. Deshalb führte er keine weiteren Stiche mehr durch, sondern ergriff die Flucht Richtung Wald. Der Zeuge S. verfolgte zunächst den Angeklagten, brach die Verfolgung aber ab, zum einen, weil der Angeklagte schnell rannte und ihm dabei „komm mir nicht näher” zugerufen hatte, und zum anderen, um sich um den Geschädigten zu kümmern.

Rz. 5

Das Landgericht hat einen beendeten Versuch angenommen, von dem der Angeklagte nicht durch bloßes Nichtweiterhandeln habe strafbefreiend zurücktreten können. Zudem sei die Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht freiwillig erfolgt.

Rz. 6

b) Das Landgericht hat die Annahme eines beendeten Versuchs nicht hinreichend belegt.

Rz. 7

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem unbeendeten Versuch, bei dem nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, und einem beendeten Versuch ist das Vorstellungsbild des Täters unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17 Rn. 7 ff.). Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist anzunehmen, wenn er zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 4 StR 464/18 Rn. 7).

Rz. 8

Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12 Rn. 35 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15 Rn. 7, jeweils mwN). So liegt der Fall hier. Es fehlen insbesondere Feststellungen zum Zustand des Geschädigten unmittelbar nach der Tat und zur Wahrnehmung desselben durch den Angeklagten, die im Regelfall einen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des Täters zulassen (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 4 StR 464/18 Rn. 9). Das Landgericht hat lediglich darauf abgestellt, dass der Geschädigte den Stich bemerkt habe, zu seinem Zustand – etwa, ob er nach dem Messerstich weiter aufrecht stand und wie stark er blutete – und den entsprechenden Wahrnehmungen des Angeklagten hat das Landgericht aber keine weiteren Feststellungen getroffen.

Rz. 9

c) Zudem begegnet die weitere Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nicht freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand genommen, durchgreifenden Bedenken. Eine fehlende Freiwilligkeit ist nicht ausreichend belegt. Soweit die Strafkammer darauf abstellt, der Angeklagte sei nach dem Messerstich davon ausgegangen, dass er es nun auch mit den Zeugen S. und Z. zu tun bekomme, ergibt sich aus dem Tatablauf nicht ohne weiteres, warum sich die Situation signifikant gegenüber der Ausgangssituation, in die sich der Angeklagte bewaffnet mit dem Messer und in Kenntnis der Begleitung des Geschädigten durch die genannten Zeugen und damit deren Übermacht begeben hatte, geändert haben sollte. Insoweit wäre festzustellen, inwieweit die Zeugen – für den Angeklagten erkennbar – auf den Messerstich reagiert haben und ob sie eingriffsbereit waren. Auch die weitere Erwägung des Landgerichts, die Äußerung des Angeklagten „Komm’ mir nicht näher” gegenüber dem ihn verfolgenden Zeugen S. sei Ausdruck von Furcht und damit ein Indiz für die fehlende Freiwilligkeit, ist nicht tragfähig begründet. Denn es bleibt unerörtert, warum diese Äußerung nicht als Drohung gegenüber dem Zeugen zu verstehen ist.

Rz. 10

2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.

Rz. 11

Der Senat hebt sämtliche Feststellungen auf, auch wenn der Rechtsfehler lediglich die Feststellungen zum Rücktrittsgeschehen ab der Beibringung des Messerstichs betrifft, um dem neuen Tatrichter in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Unterschriften

Raum, Jäger, Cirener, Hohoff, Leplow

Fundstellen

  • Haufe-Index 13489886
  • NStZ 2020, 7
  • NStZ 2020, 340
  • NStZ-RR 2019, 6
  • Jura 2020, 98
  • StV 2020, 76

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Jahresabrechnung / 1.4 Wann ist die Jahresabrechnung vorzulegen?
    7
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    2
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • FoVo 06/2024, Die Rechte des miterbenden Schuldners in der Insolvenz
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 41 Gebühren des Anwalts in Strafsachen
    1
  • § 5 Einstweiliger Rechtsschutz nach dem FamFG / II. Zuständigkeit
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Wirtschaftsrecht visuell
Wirtschaftsrecht visuell
Bild: Haufe Shop

Kenntnisse im Wirtschaftsrecht sind für alle Steuerprofis unabdingbar. Der Band gibt eine schnelle Übersicht über alle relevanten Vorschriften des BGB und HGB und einen vertieften Einstieg in die einzelnen Regelungen.


BGH 1 StR 58/21
BGH 1 StR 58/21

  Verfahrensgang LG Stuttgart (Urteil vom 27.07.2020; Aktenzeichen 1 Ks 111 Js 107393/18)   Tenor 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass die ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren