Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 11.10.2017 - 1 StR 410/17

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 09.05.2017)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Mai 2017 aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.

Rz. 2

Sein Rechtsmittel hat nur Erfolg, soweit die Maßregel des § 64 StGB nicht angeordnet worden ist. Im Übrigen aber zeigt die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

Rz. 3

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konsumierte der 34 Jahre alte Angeklagte seit seinem 14. Lebensjahr Cannabis, probierte aber auch härtere Drogen, wie Heroin, Kokain, Subutex und psilocybinhaltige Pilze. Nach Verbüßung einer achtjährigen Jugendstrafe bis Februar 2009 gelang es ihm für zwei Jahre, „beinahe drogenfrei zu leben”. Ab 2011 konsumierte er wieder häufiger Marihuana, der Konsum steigerte sich ab 2015 auf zwei bis drei Gramm pro Tag. Zusätzlich nahm der Angeklagte regelmäßig, wenn auch nicht täglich, Amphetamin ein. Beeinträchtigungen bei der Arbeit oder im Alltag traten nicht auf. Vor zweieinhalb bis drei Jahren gelang es dem Angeklagten über einen Zeitraum von zwei Monaten hinweg, ohne Drogen zu leben. Seit seiner Festnahme hat der Angeklagte seinen Drogenkonsum reduziert, seit zwei Monaten lebt er – in der Untersuchungshaft – „beinahe drogenfrei”. Die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bezogen sich auf Marihuana und Amphetamin, welches teilweise auch zum Eigenkonsum bestimmt war.

Rz. 4

Das sachverständig beratene Landgericht hat einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln verneint. Hierfür hat es ausgeführt, dass der Angeklagte über mehrere Jahre hinweg teilweise täglich Cannabis und regelmäßig Amphetamin genommen habe, aber nicht sozial gefährdet oder gefährlich sei. Denn er zeige noch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, verfüge über Wohnung und Arbeit und lebe mit Frau und seinem kleinen Kind zusammen. Schließlich sei es dem Angeklagten immer wieder gelungen, von sich aus drogenabstinent zu leben, was zeige, dass er sein Konsumverhalten selbst steuern könne. Strafmildernd hält es ihm zugute, dass er nach seiner Festnahme Gespräche bei der Suchtberatung wahrgenommen habe und sich um einen Therapieplatz bemühe.

Rz. 5

2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht ein unzutreffendes Verständnis des Begriffs Hang im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt hat.

Rz. 6

a) Für die Annahme eines Hangs ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16; Urteile vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 103/17; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16 und vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen. Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).

Rz. 7

b) Eine dieses in den Blick nehmende Gesamtwürdigung lässt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. So setzt es sich weder mit dem täglichen Konsum und dessen Finanzierung, noch mit dem Umstand auseinander, dass die Taten auch dem Eigenkonsum dienten. Soweit auf die Phasen der Abstinenz abgestellt wird, hätte es näherer Erörterung bedurft, warum die „beinahe” drogenfreie Zeit während der Untersuchungshaft als vom Angeklagten ausgehend zu werten ist. In einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Wertung, es liege keine Neigung vor, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, steht es zudem, das Bemühen um einen Suchttherapieplatz strafmildernd zu werten.

Rz. 8

c) Auf diesem Fehler beruht das Urteil im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Angesichts dessen, dass der Angeklagte die Taten jedenfalls auch begangen hat, um seinen Eigenkonsum befriedigen zu können, liegt der erforderliche symptomatische Zusammenhang nahe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16 und vom 10. Januar 2017 – 1 StR 613/16). Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel kann angesichts des Therapiewillens des bisher nicht therapierten Angeklagten nicht ausgeschlossen werden.

Rz. 9

d) Es handelt sich lediglich um einen Wertungsfehler des Landgerichts. Die der Entscheidung bezüglich der Maßregel zugrunde liegenden Feststellungen bleiben daher aufrechterhalten.

 

Unterschriften

Graf, Jäger, Bellay, Cirener, Radtke

 

Fundstellen

Haufe-Index 11444243

NStZ-RR 2018, 72

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Jahresabrechnung / 1.4 Wann ist die Jahresabrechnung vorzulegen?
    7
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    2
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • FoVo 06/2024, Die Rechte des miterbenden Schuldners in der Insolvenz
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 41 Gebühren des Anwalts in Strafsachen
    1
  • § 5 Einstweiliger Rechtsschutz nach dem FamFG / II. Zuständigkeit
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Markenrecht in China
Markenrecht in China
Bild: Haufe Shop

Die Autorin erläutert knapp und verständlich, worauf deutsche Unternehmen im Umgang mit China beim Markenrechts achten müssen und welche Fallen zu vermeiden sind. Auch Wettbewerbsrecht, Copyrights, Domains und Designs in China werden berücksichtigt und mit dem chinesischen Markenrecht verknüpft.


BGH 1 StR 613/16
BGH 1 StR 613/16

  Verfahrensgang LG München II (Urteil vom 16.06.2016)   Tenor 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2016 aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren