Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 09.11.2004 - 4 StR 426/04

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels ist in Fällen, in denen das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO verfährt, jedoch selbst keine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO vornehmen kann, von dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung zu treffen.

 

Normenkette

StPO § 354 Abs. 1b S. 1, § 473 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 12.05.2004)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Mai 2004

  1. im Schuldspruch dahin klargestellt, daß der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahls in 27 Fällen sowie wegen Diebstahls in zwölf Fällen verurteilt ist,
  2. im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben, daß eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahls in 12 Fällen sowie wegen (besonders schweren) Diebstahls in sieben Fällen unter Einbeziehung zweier Geldstrafen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Langenfeld vom 4. September 2002 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in 15 Fällen und (besonders schweren) Diebstahls in fünf Fällen unter Einbeziehung von zwei Einzelfreiheitsstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 7. Mai 2003 zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von ebenfalls drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner unbeschränkt eingelegten Revision allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen; im übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Gesamtstrafenaussprüche können nicht bestehen bleiben. Die Bildung der Gesamtstrafe ist rechtsfehlerhaft erfolgt, da der Strafbefehl vom 4. September 2002 keine Zäsurwirkung entfaltet. Die diesem Strafbefehl zugrundeliegenden Taten wurden spätestens am 13. November 2000 begangen (UA 11), mithin vor einer zeitlich früheren Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 29. März 2001 (UA 10). Liegen die abzuurteilenden Taten – wie vorliegend die Taten, die der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 16. Juni 2001 und dem 3. September 2002 begangen hat – zwischen zwei Verurteilungen (hier zwischen dem Urteil vom 29. März 2001 und dem Strafbefehl vom 4. September 2002), aus denen eine Gesamtstrafe zu bilden war, kommt eine Gesamtstrafenbildung aus der Strafe für die abzuurteilenden Taten mit der Strafe aus der letzten Vorverurteilung (dem Strafbefehl vom 4. September 2002) nicht in Betracht (vgl. BGHSt 32, 190, 193; BGH NStZ 2003, 200). Dies hat zur Folge, daß nur die erste der beiden früheren Verurteilungen (das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 29. März 2001) eine Zäsurwirkung entfaltet, nicht jedoch der Strafbefehl vom 4. September 2002 (vgl. BGH aaO).

Mangels Zäsurwirkung und Einbeziehungsfähigkeit des Strafbefehls des Amtsgerichts Langenfeld vom 4. September 2002 wäre deshalb aus sämtlichen für die abgeurteilten Taten verhängten Einzelstrafen und den beiden Einzelstrafen aus dem nach den ausgeurteilten Taten ergangenen Urteil des Amtsgerichts Essen vom 7. Mai 2003 lediglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zu erkennen gewesen.

Durch die rechtsfehlerhafte Bildung zweier Gesamtfreiheitsstrafen ist der Angeklagte möglicherweise beschwert. Es liegt nahe, daß das Landgericht bei Bildung lediglich einer Gesamtfreiheitsstrafe – ausgehend von einer Einsatzstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe – zu einem strafferen Zusammenzug der Einzelstrafen gelangt wäre als durch die erfolgte Bildung von zwei Gesamtfreiheitsstrafen.

Das Urteil muß deshalb in den Gesamtstrafenaussprüchen aufgehoben werden.

2. a) Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus den nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 7. Mai 2003 obliegt danach dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 430/04). Bei Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe wird wegen des Verschlechterungsverbots nach § 358 Abs. 2 StPO zu beachten sein, daß diese nur so hoch bemessen werden darf, daß sie zusammen mit der im Strafbefehl vom 4. September 2002 verhängten Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen nicht übersteigt (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).

b) Anders als in dem dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2004 (aaO) zugrundeliegenden Fall kann der Senat vorliegend die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels nach § 473 Abs. 4 StPO nicht selbst treffen. Obwohl der Angeklagte das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs angegriffen und mit seinem Rechtsmittel lediglich einen Teilerfolg zur Gesamtstrafe erzielt hat, erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, daß insbesondere im Hinblick auf die der Gesamtstrafenbildung zugrundezulegende Einsatzstrafe von nur einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe im Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO eine nicht nur unwesentliche Herabsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe erfolgen und damit das Gewicht der Rechtsfolge so gemildert wird, daß es unbillig wäre, dem Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzuerlegen (vgl. BGH StV 1987, 449; OLG Hamm MDR 1973, 1041).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels ist in Fällen, in denen, wie hier, das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO verfährt, jedoch selbst keine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO vornehmen kann, von dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung zu treffen.

Eine Regelung, welches Gericht über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden hat, wenn das Revisionsgericht das Urteil nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Bildung der Gesamtstrafe aufhebt, die Sache jedoch nicht zurückverweist, sondern gemäß § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Entscheidung über die Bildung der Gesamtstrafe dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten, enthält weder das Gesetz, noch sind den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für eine Zuständigkeitsbestimmung zu entnehmen (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz, BT-Drucks. 15/3482 S. 21 f.).

Es handelt sich dabei um eine Regelungslücke, die der Gesetzgeber bei Einführung des § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2198, 2203) ersichtlich nicht bedacht hat. Diese Regelungslücke ist in dem dargestellten Sinne zu schließen.

Durch § 354 Abs. (1 a und) 1 b StPO wollte der Gesetzgeber die Reaktionsmöglichkeiten des Revisionsgerichts bei Mängeln der Rechtsfolgenentscheidung erweitern mit dem Ziel, die Ressourcen der Justiz insgesamt sinnvoll einzusetzen und das Verfahren zu beschleunigen (BT-Drucks. aaO). Dieser Intention des Gesetzgebers kann in einem Fall, in welchem das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 b StPO verfährt, sich jedoch selbst an einer Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO gehindert sieht, weil das Maß und das Gewicht des Teilerfolgs nicht im voraus beurteilt werden kann, nur dadurch Rechnung getragen werden, daß – wie bei der Aufhebung und Zurückverweisung nach § 354 Abs. 2 StPO (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 464 Rdn. 4) – das gemäß § 462 a Abs. 3 StPO für das Nachverfahren zuständige Gericht nicht nur in der Sache entscheidet, sondern auch die abschließende Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels trifft.

Mit dem Ziel des Gesetzgebers, durch die neue Regelung des § 354 Abs. 1 b StPO eine vereinfachte und gleichzeitig abschließende Verfahrensmöglichkeit zu schaffen, wäre es nicht vereinbar, in Fällen wie dem vorliegenden die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels etwa dem Revisionsgericht vorzubehalten oder nur deshalb gemäß § 354 Abs. 2 StPO die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Tatrichter zurückzuverweisen,

weil nicht nur eine Sachentscheidung zu treffen, sondern darüber hinaus auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden ist.

 

Unterschriften

Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible

 

Fundstellen

Haufe-Index 2556965

NJW 2005, 1205

EBE/BGH 2005, 4

Nachschlagewerk BGH

wistra 2005, 187

DAR 2005, 256

NStZ-RR 2005, 158

StV 2005, 428

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Krypto-Asset-Compliance
Krypto-Asset-Compliance
Bild: Haufe Shop

Nationale und EU-weite Regulierung von Kryptowerten: Überblick zu kapitalmarkt- und bankaufsichtsrechtliche Fragen, Datenschutz, Tax- und Accounting-Compliance, Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Verstößen gegen Finanzsanktionen​.​


Strafprozeßordnung / § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung
Strafprozeßordnung / § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung

  (1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren