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BGH Beschluss vom 06.07.2000 - V ZB 50/99

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Leitsatz (amtlich)

Zur Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung aus einer Vorfinanzierungsvereinbarung in einem Erschließungsvertrag mit einer Gemeinde ist das Verwaltungsgericht zuständig.

 

Normenkette

GVG § 13

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Beschluss vom 28.10.1999; Aktenzeichen 11 U 137/99)

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 14 O 231/98)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. Oktober 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 12.000 DM.

 

Gründe

I.

Die beklagte Gemeinde schloß am 19. Oktober 1993 mit einer S. /Q. GmbH & Co. KG (im folgenden: S. /Q. KG oder Erschließungsträgerin) einen Vertrag zur Erschließung des im Gemeindegebiet der Beklagten belegenen Wohngebiets „Am W.”. Nach vertraglicher Feststellung ist der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke dieses Wohngebiets. Die S. /Q. KG verpflichtete sich, die innere Erschließung des Wohngebiets vorzunehmen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages) und die Erschließungsanlagen an die beklagte Gemeinde zu übertragen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages), wobei diese auf das Beitragserhebungsverfahren verzichtete (§ 8 Abs. 1 des Vertrages). Die vollständige bzw. anteilige Übernahme der sog. äußeren Erschließungen „gegebenenfalls auch im Rahmen einer Zwischen- oder Vorfinanzierung” (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) wird in § 11 des Vertrages geregelt. Er bestimmt:

„Äußere Erschließung

(1) Dem Erschließungsträger ist bekannt, daß eine positive Bescheidung seiner Bauanträge zwingend die äußere Erschließung des Vertragsgebietes voraussetzt und die Gemeinde z. Zt. nicht in der Lage ist, die danach erforderlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen.

(2) Der Erschließungsträger ist deshalb zur Sicherung der schnellstmöglichen Realisierung seines Bauvorhabens bereit und berechtigt, auf eigene Kosten

  1. die Wasserversorgung …………………………………………………
  2. die Erdgasdruckleitung …………………………………………………
  3. zur Energieversorgung …………………………………………………
  4. den Gehweg und die Straße …………………………………………………

herzustellen oder vorzufinanzieren.

(3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt.

(4) Die in Abs. 1 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden.”

Mit Vertrag vom 19. Oktober 1994 präzisierten die Vertragsparteien diese Regelung. Der neu gefaßte § 11 des Vertrages enthält einzelne Regelungen zur äußeren Erschließung des Wohngebiets bezüglich Wasserversorgung, Erdgasdruckleitung, Elektroenergie, Gehwege und Straßen sowie Regenwasserabführung und der Abwasserableitung. Für letztere erfolgte eine Aufteilung der Gesamtkosten in „Anteil Gewerbegebiet” und „Wohngebiet” (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 2) an die sich eine „Verfahrensregelung” mit folgendem Inhalt anschließt:

„3.1. Die Gemeinde übernimmt die Planung und Realisierung der Schmutzwasserableitung nach Pkt. 2.

Die Kosten werden durch eine „Erschließungssatzung der Gemeinde für das Wohngebiet und das Gewerbegebiet” anteilig auf die Gebiete umgelegt.

3.2. Die Gemeinde wird die anteiligen Kosten des Wohngebietes und des Gewerbegebietes auf die Grundstücke umlegen und die Grundstückseigentümer zur Zahlung der Erschließungsbeiträge heranziehen.

3.3. Zur Sicherung der Bauzeiten, nach Pkt. 3.4. erfolgt eine Vorfinanzierung von Projektierung und Bauleistungen durch den Erschließungsträger.

Die Zahlungen erfolgen auf der Grundlage der mit den Ausführungsbetrieben und dem Ingenieurbüro bzw. der Stadt Sch. abzuschließenden Verträge durch den Erschließungsträger an die Gemeinde.

3.4. Zeitlicher Ablauf

Baubeginn 01.09.1994

Bauende 30.10.1994

3.5. Die Rückzahlung der vorfinanzierten Anteile des Gewerbegebietes erfolgt durch die Gemeinde an den Erschließungsträger sofort nach Eingang der Zahlungen der Grundstückseigentümer des Gewerbegebietes.

3.6. Weitere Einzelheiten werden in einer noch zu beschließenden Erschließungs- und Beitragssatzung der Gemeinde geregelt.

(3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt.

(4) Die in Abs. 2 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden.

(5) Die anteiligen Kosten des Wohngebietes gemäß Abs. (2) sehen eine Kostenbeteiligung der Gemeinde nicht vor, auch bestehen zukünftig aus diesen Maßnahmen keine Forderungen des Erschließungsträgers an die Gemeinde.”

Die Klägerin nimmt mit der Behauptung, sie sei mit der Erschließungsträgerin identisch, die Beklagte auf Zahlung nach § 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 in Anspruch (Teilklage). Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 61.860,58 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagte hat u.a. die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen und in den Urteilsgründen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bejaht. Auf Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach aufrechterhaltener Rechtswegrüge der Beklagten durch Beschluß den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht H. verwiesen. Dagegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Klägerin.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; § 577 ZPO) ist unbegründet.

Das Berufungsgericht ist mit Recht auf Berufung der Klägerin in das Vorabverfahren eingetreten, da das Landgericht trotz ausdrücklicher Rechtswegrüge nicht vorab entschieden hatte (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) und es Anlaß sah, die weitere Beschwerde zuzulassen (BGHZ 131, 169; 132, 245, 247). An diese Zulassung ist der Senat gebunden (§ 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; BGHZ 120, 198).

Das Berufungsgericht bejaht rechtlich zutreffend für das vorliegende Verfahren den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es geht richtig und von der Beschwerde auch unbeanstandet davon aus, daß über Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. auch BVerwGE 42, 331, 332). Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der getroffenen vertraglichen Regelungen ist dabei der Schwerpunkt der Vereinbarung (vgl. BGHZ 56, 365, 373; 76, 16, 20; BVerwGE 22, 138, 140). Die Vertragsparteien haben eindeutig hinsichtlich der sog. inneren Erschließung einen Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB, also einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, abgeschlossen, mit dem die Erschließungsträgerin sich verpflichtete, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und ohne Gegenleistung auf die Gemeinde zu übertragen (§§ 2 ff des Vertrages vom 19. Oktober 1993). Soweit die Beschwerde dies unter Hinweis auf die notwendige Angemessenheit der Leistungen (§ 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB) mit der Behauptung in Frage stellt, in dem Wohngebiet „Am W.” befänden sich auch „eine Vielzahl von Fremdanliegergrundstücken”, ist das in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Die Frage nach der Rechtsnatur der vertraglichen Leistungen kann nicht davon abhängen, ob der von § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebene Rahmen eingehalten wurde. Im übrigen stellt der Vertrag vom 19. Oktober 1993 in § 1 Abs. 2 ausdrücklich fest, daß der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke innerhalb des Vertragsgebiets ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ohne daß die Beschwerde dagegen eine Rüge erhebt. Unrichtig ist ferner die Behauptung der Klägerin, die dem Erschließungsträger entstandenen Kosten hätten vereinbarungsgemäß durch Beitragserhebung refinanziert werden sollen. Eine solche Regelung ist nur im Rahmen der sog. äußeren Erschließung und nur im Rahmen der Vereinbarung zur Schmutzwasserableitung getroffen (§ 11 in der ergänzten Form). Im übrigen werden Erschließungsbeiträge für die in § 3 Abs. 1 des Vertrages von 1993 festgelegten Erschließungsmaßnahmen nicht nochmals erhoben (§ 8 Abs. 1 des Vertrages von 1993; § 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung).

Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Schwerpunkt der vertraglichen Regelung im Bereich der sog. inneren Erschließung sieht und die Regelung zur sog. äußeren Erschließung (§ 11 der Vertragsergänzung) nur als Annex des Erschließungsvertrages betrachtet. Auch die Klägerin kann nicht bezweifeln, daß die sog. äußere Erschließung lediglich ein Mittel war, die positive Entscheidung über die Bauanträge für das Wohngebiet zu erreichen, und sie deshalb bereit und berechtigt war, bestimmte Erschließungsmaßnahmen herzustellen oder vorzufinanzieren (§ 11 Abs. 1 und 2 des ergänzten Vertrages), weil der Beklagten die notwendigen Mittel fehlten. Ebensowenig läßt sich in Frage stellen, daß die allenfalls privatrechtlich zu bewertende Vorfinanzierungsregelung (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 des Ergänzungsvertrages) für die von der beklagten Gemeinde herzustellende Schmutzwasserableitung (Klagegrundlage) nur einen geringfügigen Teilbereich der Regelungen in § 11 der Vertragsergänzung ausmacht. Hinsichtlich der Wasserversorgung, der Erdgasdruckleitung und der Elektroenergie wird lediglich auf die entsprechenden Verträge der Erschließungsträgerin mit den entsprechenden Versorgungsunternehmen verwiesen. Daß die beklagte Gemeinde an der Herbeiführung dieser Verträge mitbeteiligt war (§ 11 Abs. 3 der Vertragsergänzung) ist ohne Bedeutung. Es kommt im Verhältnis zur beklagten Gemeinde insbesondere nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sich die Klägerin in gesonderten Verträgen mit Versorgungsunternehmen zur Kostenübernahme bereit erklärt hat. Hinsichtlich der Gehwege und Straßen sowie der Regenwasserabführung im Rahmen der äußeren Erschließung hat sich die Klägerin zur Herstellung auf eigene Kosten verpflichtet, ohne daß eine Erstattung durch die Beklagte vorgesehen ist (§ 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung). Daß diese Regelung den Charakter eines Erschließungsvertrages trägt, kann auch die Klägerin nicht ernsthaft bezweifeln. Für die Beurteilung der Rechtsnatur ist ohne Bedeutung, ob diese Regelung zulässig war oder nicht.

Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat mit rd. 1/5 des Hauptsachewerts bemessen (vgl. BGH, Beschlüsse v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077 und v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17 a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1). Soweit er früher vom vollen Hauptsachewert ausgegangen ist, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. auch schon Senatsbeschl. v. 30. September 1999, V ZB 24/99, NJW 1999, 3785, 3786).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. auch Senatsbeschl. v. 17. Juni 1993, V ZB 31/92, BGHR GVG § 17 a Abs. 4, Kostenentscheidung 1).

 

Unterschriften

Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein

 

Fundstellen

Haufe-Index 538885

BGHR

NVwZ-RR 2000, 845

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 2118

ZfIR 2000, 733

DÖV 2001, 43

MDR 2000, 1270

NJ 2000, 607

ZfBR 2001, 125

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