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BAG Urteil vom 10.05.1994 - 3 AZR 721/93

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Spesensätze im Güterkraftverkehr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Kraftfahrer, der im privaten Güterverkehrsgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigt wird, erhält seit Inkrafttreten der Änderung des § 2 Abs 2 GüKG am 27. Mai 1992 die Spesensätze für den Güterfernverkehr nach § 8 Nr 2 des Bezirksmanteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 30. Juni 1988 (BezMTV) nur für Fahrten, die über einen Umkreis von 75km hinausreichen. Der Klammerzusatz "(50km)" zum Begriff Nahverkehr in § 8 Nr 3 BezMTV legt die für die Abgrenzung des Güternahverkehrs vom Güterfernverkehr maßgebliche Nahzone nicht eigenständig fest. Im Klammerzusatz liegt nur ein Hinweis auf die bei Tarifabschluß geltende Gesetzeslage.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 1 des Bundes-Manteltarifvertrages für den Güter- und Möbelfernverkehrs vom 14. Juli 1988 (BMZV).

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.06.1993; Aktenzeichen 12 Sa 534/93)

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 21.01.1993; Aktenzeichen 2 Ca 2964/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Spesen für Berufskraftfahrer im privaten Güterverkehrsgewerbe.

Der Kläger ist seit dem Jahre 1971 als Berufskraftfahrer bei der Beklagten, einem Unternehmen des Speditions- und Transportgewerbes, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Der Kläger wird als Kraftfahrer überwiegend in einem räumlichen Umkreis von 50 km oder weniger vom Sitz der Beklagten eingesetzt. In den Monaten Juli bis September 1992 fielen jedoch insgesamt 14 Arbeitstage an, an denen der Kläger in einem Umkreis von mehr als 50 km bis zu 75 km tätig war. Er war an diesen Tagen auch länger als 12 Stunden vom Sitz des Betriebes der Beklagten abwesend. Die Beklagte zahlte die Spesen, die nach dem Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 30. Juni 1988 (BezMTV) für Arbeiten im Nahverkehr vorgesehen sind. Der Kläger fordert Spesen nach den Sätzen, die für Fahrten im Güterfernverkehr gezahlt werden. Der Tarifvertrag bestimmt:

"§ 8

Zulagen und Spesen

1. Mit den Spesen ist der Mehraufwand unter Be-

rücksichtigung der zu Hause eingesparten Ko-

sten abgegolten.

2. Kraftfahrer und Beifahrer im Güter- und Möbel-

fernverkehr erhalten unter Beachtung lohnsteu-

errechtlicher Vorschriften für die Zeit, in

der sie vom Sitz des Betriebes oder vom Stand-

ort des Fahrzeuges abwesend sind, folgende

Spesensätze:

bei einer Abwesenheit von über 5 - 7 Stunden

DM 10,30

bei einer Abwesenheit von über 7 - 12 Stunden

DM 16,50

bei einer Abwesenheit von über 12 - 18 Stunden

DM 28,00

bei einer Abwesenheit von über 18 Stunden

DM 32,50

...

3. Bei auswärtigen Arbeiten im Nahverkehr (50 km)

von mehr als 5stündiger Dauer täglich, wenn

keine Gelegenheit besteht, sich zu Hause oder

an der ständigen Arbeitsstätte zu verpflegen,

sind unter Beachtung lohnsteuerrechtlicher

Vorschriften folgende im gesamten Tarifgebiet

gleichmäßige Spesensätze zu zahlen:

für Mittagessen DM 8,00 nach 14.00 Uhr

für Abendessen DM 8,00 nach 21.00 Uhr

für Frühstück DM 5,50 nach Übernachtung.

...

§ 16

Schlußbestimmungen

1. Die Bestimmungen dieses Tarifvertrages, soweit

sie überwiegend im Güter- und Möbelfernverkehr

beschäftigte Kraftfahrer und Beifahrer betref-

fen, sind für die Dauer der Geltung des Bun-

des-Manteltarifvertrages für den Güter- und

Möbelfernverkehr - BMT-Fernverkehr - in der

jeweils gültigen Fassung suspendiert, ausge-

nommen die Bestimmungen des § 3 Ziffer 1 c,

§ 9 Ziffern 8 bis 10, § 10.

..."

Der Bundes-Manteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr vom 14. Juli 1988 (BMTV) enthält die folgende Regelung:

"§ 1 Geltungsbereich

...

(2) Fachlich: für alle Betriebe des privaten

Verkehrsgewerbes, soweit sie Güterfernver-

kehr und Umzugsverkehr im Fernbereich - im

folgenden Fernverkehr genannt - nach dem

GüKG in der jeweils gültigen Fassung be-

treiben;

(3) Persönlich: für alle Kraftfahrer und Bei-

fahrer, die überwiegend im Fernverkehr

tätig sind. Für alle übrigen gewerblichen

Arbeitnehmer gelten die bezirklichen Tarif-

verträge für das private Verkehrsgewerbe

(Güternahverkehr, Fuhrgewerbe, Spedition

und Lagerei, Möbeltransport).

..."

Der Kläger hat den Standpunkt vertreten, § 8 Nr. 3 BezMTV bestimme den Begriff des Nahverkehrs für diesen Tarifvertrag eigenständig und unabhängig von gesetzlichen Veränderungen auf 50 km. Bei Fahrten in einem weiteren Umkreis seien deshalb die Spesensätze für den Fernverkehr nach § 8 Nr. 2 BezMTV zugrunde zu legen. Er hat den rechnerisch unstreitigen Unterschiedsbetrag zwischen gezahlten und geforderten Spesen verlangt und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 168,00 DM

nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden

Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aus dem Zusammenhang der tariflichen Bestimmungen ergebe sich, daß Güterfernverkehr im Sinne von § 8 Nr. 2 BezMTV nur bei Fahrten außerhalb eines Umkreises von 75 km vorliege. Dies beruhe auf der Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG), das mit Wirkung zum 27. Mai 1992 die Nahzone von bisher 50 km auf nunmehr 75 km erweitert hat. Mit dem Klammerzusatz "50 km" in § 8 Nr. 3 BezMTV hätten die Tarifvertragsparteien lediglich erläuternd die damals geltende Gesetzesregelung wiedergegeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Spesen nach § 8 Nr. 2 BezMTV. Seine Klage ist deshalb abzuweisen.

A. Der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens (BezMTV) findet auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien Anwendung. Die Wirkung dieses Tarifvertrages ist im Verhältnis zwischen den Parteien nicht für die Geltungsdauer des Bundes-Manteltarifvertrages für den Güter- und Möbelfernverkehr (BMTV) nach § 16 BezMTV ausgesetzt. Der Kläger ist nicht überwiegend im Güterfernverkehr beschäftigt. Er wird als Fahrer überwiegend in einem Umkreis von bis zu 50 km vom Standort des Fahrzeuges, also im Nahverkehr, eingesetzt.

B. Der Kläger kann für die Arbeitstage in den Monaten Juli bis September 1992, an denen er in einem Umkreis zwischen 51 und 75 km als Kraftfahrer eingesetzt war, nicht die erhöhten Spesensätze für Kraftfahrer im Güter- und Möbelfernverkehr nach § 8 Nr. 2 BezMTV verlangen. Vom Inkrafttreten der Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes am 27. Mai 1992 an steht nur solchen Fahrern dieser Spesensatz zu, die über einen Umkreis von 75 km hinaus tätig werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Auffassung im wesentlichen mit dem Wortlaut von § 8 Nr. 3 BezMTV begründet. Die Tarifvertragsparteien hätten in § 8 BezMTV eine lückenlose Spesenregelung schaffen wollen. Innerhalb dieser Regelung habe § 8 Nr. 3 BezMTV den Bereich des Güternahverkehrs von der Gesetzeslage unabhängig auf einen Umkreis von 50 km festgelegt. Damit sei zugleich bestimmt, daß bei Fahrten über diesen Umkreis hinaus die Spesensätze für den Güterfernverkehr Anwendung fänden.

II. Diese Auslegung greift die Beklagte zu Recht an. Nach seinem Wortlaut und der Tarifsystematik enthält § 8 Nr. 3 BezMTV keine eigenständige tarifliche Festlegung der Nahverkehrszone. Er weist lediglich auf die bei seinem Abschluß bestehende Gesetzeslage hin. Seit dem 27. Mai 1992 sind deshalb nach § 8 Nr. 2 BezMTV Fahrten im Güterfernverkehr nur solche, die über einen Umkreis von 75 km hinausreichen.

1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist richtig. Die Tarifvertragsparteien haben in § 8 Nr. 2 und Nr. 3 BezMTV die Spesensätze umfassend und lückenlos festgelegt. Im Geltungsbereich des BezMTV werden Fahrer entweder im Güterfernverkehr oder im Güternahverkehr eingesetzt. Sie erhalten demgemäß Spesen entweder nach Maßgabe des § 8 Nr. 2 oder des § 8 Nr. 3 BezMTV. Eine Regelung, bei der es zwischen beiden Bereichen zu Lücken oder Konkurrenzen kommen könnte, wäre offensichtlich verfehlt. Eine entsprechende Regelungsabsicht der Tarifvertragsparteien ist auszuschließen. Deshalb muß die Auslegung des § 8 Nr. 2 BezMTV den Regelungsinhalt von § 8 Nr. 3 BezMTV mitberücksichtigen. Nur wenn § 8 Nr. 3 BezMTV eine selbständige tarifliche Festlegung des Güternahverkehrsbereichs enthielte, die von gesetzlichen Entwicklungen unabhängig ist, dann wäre damit zugleich auch eine eigenständige Festlegung des Bereichs des Güterfernverkehrs für § 8 Nr. 2 BezMTV verbunden.

2. § 8 BezMTV enthält jedoch keine selbständige tarifliche Regelung der Güternah- und Güterfernverkehrszone. Hierfür gibt es weder nach dem Wortlaut der Bestimmung, noch im Zusammenhang der tariflichen Regelungen einen hinreichenden Anhaltspunkt. § 8 Nr. 3 BezMTV verweist lediglich auf die bei Tarifabschluß geltende Gesetzeslage.

a) Einen Hinweis auf einen fehlenden eigenen Regelungswillen gibt bereits der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien in § 8 Nr. 3 BezMTV keine ausformulierte Begriffsbestimmung des Nahverkehrs vorgenommen haben. Sie haben lediglich dem im Text verwendeten Begriff Nahverkehr den Klammerzusatz "50 km" beigegeben.

Nach den allgemeinen Regeln wird in Klammerzusätzen nichts Eigenständiges festgelegt. Dort wird lediglich erklärt, erläutert. In Klammereinschüben finden sich Sätze und Aussagen von geringerem Nachdruck (Duden, Stilwörterbuch der deutschen Sprache, 6. Aufl., S. 390 "klammern"; Duden, Zweifelsfälle der deutschen Sprache, 2. Aufl., S. 371 f.). Diesen Regeln folgt üblicherweise auch die Normsetzungstechnik. Werden im Gesetz im Zusammenhang mit Begriffsbestimmungen Klammerzusätze verwendet, findet sich regelmäßig das wesentliche, nämlich die Begriffsbestimmung, vor der Klammer (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Gegen einen eigenständigen Regelungswillen spricht auch, daß die Tarifvertragsparteien die Begriffe Güterfern- und Güternahverkehr verwendet haben, die sich in dem für die Branche wesentlichen Güterkraftverkehrsgesetz finden und in §§ 2 und 3 GüKG gesetzlich definiert sind. In einem solchen Fall ist regelmäßig davon auszugehen, daß die Begriffe auch innerhalb der Tarifnorm den gesetzlich festgelegten Inhalt haben sollen (BAG Urteil vom 28. April 1993 - 4 AZR 329/92 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Croupier, zu II 3 b der Gründe, m.w.N.).

b) Darauf, daß die Tarifvertragsparteien den verwendeten Begriffen durch den Klammerzusatz in § 8 Nr. 3 BezMTV keinen eigenen Inhalt geben wollten, deutet auch der Standort dieses Zusatzes. Die Spesenregelung des § 8 BezMTV beginnt mit den Spesen für den Güterfernverkehr. Wäre es den Tarifvertragsparteien um eine eigenständige Bestimmung dessen gegangen, was Güternahverkehr und was Güterfernverkehr ist, hätte es nahe gelegen, den ersten der beiden im Tarifvertrag verwendeten Begriffe tariflich zu definieren. Statt dessen haben sie entsprechend § 2 Abs. 2 GüKG den Klammerzusatz beim Güternahverkehr vorgenommen, dessen Spesensätze sie erst an zweiter Stelle geregelt haben.

Daß die Tarifvertragsparteien nur erläuternd auf die Gesetzeslage hinweisen wollten, folgt auch daraus, daß der Klammerzusatz des § 8 Nr. 3 BezMTV seit dem Jahre 1955 unverändert die Rechtslage wiedergibt, die § 2 Abs. 2 GüKG seit dem 17. Oktober 1952 festgelegt hat. Erst durch die nach der letzten Tarifvertragsänderung eingetretene Gesetzesnovelle des Jahres 1992 hat sich an der Gesetzeslage etwas geändert. Angesichts dessen bestand für die Tarifvertragsparteien weder im Jahre 1955 noch bei den jeweiligen Neuregelungen ein Anlaß, eine eigenständige Regelung über eine Nahverkehrszone von 50 km zu treffen. Es spricht deshalb alles dafür, daß die Tarifvertragsparteien bei dem Klammerzusatz in § 8 Nr. 3 BezMTV nicht den für eine konstitutive Normsetzung erforderlichen Rechtsetzungswillen gehabt haben (vgl. hierzu BAGE 56, 155, 170 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985, zu C II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - AP Nr. 40 zu § 622 BGB, zu II 1 a der Gründe, m.w.N.).

c) Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, daß die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten mit § 8 Nr. 3 BezMTV eine eigenständige Regelung treffen wollen, in Widerspruch zur Regelung des § 16 BezMTV steht. Nach dieser Vorschrift kommt es für die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages auf die Abgrenzung zwischen Güternahverkehr und Güterfernverkehr an, wie sie der Bundes-Manteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr (BMTV) vornimmt. Findet der BMTV Anwendung, ist der BezMTV in seiner Wirkung ausgesetzt. Den Anwendungsbereich des BMTV bestimmt dessen § 1. Es kommt darauf an, ob überwiegend Güterfernverkehr nach dem Güterkraftverkehrsgesetz in seiner jeweiligen Fassung betrieben wird. Diese dynamische Verweisung ist tarifrechtlich unbedenklich zulässig (vgl. MünchArbR/Löwisch, Band 3, § 251 Rz 16 f.). Sie kann, da wesentliche Bestimmungen sowohl des BMTV, als auch des BezMTV in ihrer Anwendung von der Abgrenzung zwischen Güternahverkehr und Güterfernverkehr abhängig sind, nicht nur für die Bestimmung der Geltungsbereiche der beiden Tarifverträge gelten. Auch innerhalb der Tarifverträge muß das Güterkraftverkehrsgesetz in seiner jeweiligen Fassung maßgeblich sein, damit die von den Tarifvertragsparteien angestrebte Geschlossenheit und Folgerichtigkeit der tariflichen Regelungswerke durchgehalten und Wertungswidersprüche vermieden werden. Es bleibt zwar denkbar, daß Tarifvertragsparteien einen abgrenzbaren Regelungsbereich wie eine Spesenregelung aus einer ansonsten geltenden dynamischen Verweisung ausnehmen und insoweit eine bestimmte Gesetzeslage festschreiben wollen. Ein solcher atypischer Normsetzungswille findet aber im Tarifvertrag keinen entsprechenden Niederschlag. Er wird nicht nur in einem Klammerzusatz zum Ausdruck gebracht.

d) Bei mehreren denkbaren Auslegungsergebnissen verdient dasjenige den Vorrang, das zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG Urteil vom 23. September 1992 - 4 AZR 66/92 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2 a der Gründe, m.w.N.). Auch dieser Grundsatz spricht dafür, § 8 Nr. 3 BezMTV nur einen Hinweis auf die jeweilige Gesetzeslage zu entnehmen. Andernfalls würde mit der Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ein ansonsten überwiegend im Nahverkehr eingesetzter Fahrer bei einzelnen Einsätzen in einem Umkreis zwischen 50 und 75 km doppelt begünstigt. Bei Erfüllung der entsprechenden tariflichen Voraussetzungen erhielte er die höheren Spesen des Güterfernverkehrs nach § 8 Nr. 2 BezMTV und die nur für Fahrten im Güternahverkehr vorgesehenen Nachtarbeitszuschläge (§ 3 Nr. 3 BezMTV). Der BezMTV enthält bei den Regelungen über Nachtarbeitszuschläge keinen Hinweis auf eine von der jeweiligen Gesetzeslage abweichende Bestimmung der Güternahverkehrszone. In diesem Regelungsbereich ist deshalb seit der Gesetzesänderung bei Fahrten in einem Umkreis bis zu 75 km in jedem Falle von einer Fahrt im Güternahverkehr auszugehen.

e) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Klammerzusatz in § 8 Nr. 3 BezMTV auch dann einen guten Sinn, wenn man ihm nur einen Hinweis auf die bei Tarifabschluß geltende Fassung des Güterkraftverkehrsgesetzes entnimmt. Es hätte bei einem solchen Regelungsziel nicht näher gelegen, entweder auf den Klammerzusatz zu verzichten oder auf das Gesetz in seiner jeweiligen Fassung zu verweisen. Erläuternde Hinweise auf den Inhalt einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen haben aus der Sicht der Tarifschließenden die Aufgabe, tarifliche Regelungen aus sich heraus und damit leichter handhabbar zu machen. Dieses Ziel kann durch eine allgemeine Verweisung auf die gesetzliche Regelung in ihrer jeweiligen Fassung so nicht erreicht werden. Daß es nach einer Gesetzesänderung bis zu einer Anpassung der Hinweise zu Mißverständnissen kommen kann, wird hingenommen.

C. Der Kläger hat als im Prozeß unterliegende Partei die Kosten des gesamten Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.

Dr. Heither Griebeling Bepler

Weinmann Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 438752

BB 1994, 1644

DB 1995, 328-329 (LT1)

NZA 1995, 652

NZA 1995, 652 (LT1)

AP § 1 TVG, Nr 3

AR-Blattei, ES 980 Nr 24 (LT1)

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