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ZErb 12/2022, Verstoß englischen Erbrechts gegen den deutschen ordre public wegen Fehlen eines Pflichtteilsrechts von Kindern - Besprechung von BGH, Urt. v. 29.6.2022 - IV ZR 110/21

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In dem zu besprechenden Urteil bestätigt der BGH erstmals die Unvereinbarkeit der Anwendung ausländischen Erbrechts mit dem deutschen ordre public, soweit hierdurch Kindern des Erblassers ihr Pflichtteil abgeschnitten würde. Die Entscheidung wird erheblichen Einfluss auf die Nachfolgegestaltungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten haben, sodass es sich lohnt, Begründung und Reichweite der Entscheidung sowie die verbleibenden Gestaltungsspielräume für die Praxis eingehend zu untersuchen.

I. Einleitung

Der BGH hat mit Urt. v. 29.6.2022[1] entschieden, dass die Anwendung des englischen Erbrechts auf den Nachlass eines in Deutschland lebenden Erblassers aufgrund einer Rechtswahl in der letztwilligen Verfügung insoweit mit dem deutschen ordre public unvereinbar ist, als hierdurch Kindern des Erblassers ihr nach BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00[2] – grundsätzlich unentziehbarer und bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch entzogen wird und ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Hiermit entscheidet der BGH anders, als dies eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen anderer europäischer Jurisdiktionen getan haben, die die ordre public Relevanz des eigenen Pflichtteilsrechts gerade abgelehnt haben. Die Entscheidung des BGH beendet die langjährigen Diskussionen in Literatur und Rechtsprechung darüber, ob fehlende Pflichtteilsansprüche überhaupt einen Verstoß gegen den deutschen ordre public begründen können. Gleichzeitig werden durch die Entscheidung aber eine ganze Reihe von Unsicherheiten und Folgeprobleme nicht behoben bzw. erst geschaffen, mit denen in der Praxis umzugehen ist.

[1] BGH, Urt. v. 29.6.2022 – IV ZR 110/21, ZErb 2022, 470 = NJW 2022, 2547 = DStR 2022, 1917.
[2] BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, NJW 2005, 1561; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 26....

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