Entscheidungsstichwort (Thema)

Tagegelder aus der Schweizer Invalidenversicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

Tagegelder aus der Schweizer Invalidenversicherung unterliegen weder als Arbeitslohn noch als sonstige Einkünfte der deutschen Einkommensteuer, so dass sich die Frage der Steuerfreiheit der Tagegelder nach § 3 Nr. 1 a oder c EStG nicht stellt (entgegen BFH, Urteil v. 15. April 1996, VI R 98/95, BFHE 180, 509).

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 1a, 1c, §§ 19, 22; IVG Art. 2-3, 22; FGO § 47 Abs. 1, § 55 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.10.2010; Aktenzeichen VI R 15/08)

BFH (Beschluss vom 06.10.2010; Aktenzeichen VI R 15/08)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 12. Mai 1998 und der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 17. November 1999 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 22. August 2002 werden geändert. Die Einkommensteuer für 1996 und 1997 wird jeweils auf Null DM herabgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten ohne Sicherheitsleistung bis zu einem Betrag von 1500 EUR vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen 1996 und 1997 ist streitig, ob Tagegelder, die einem in Deutschland wohnenden Grenzgänger im Zusammenhang mit einer Umschulungsmaßnahme von der Schweizer Invalidenversicherung gezahlt wurden, in Deutschland steuerpflichtig oder gem. § 3 Nr. 1 a oder c Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei sind.

Der am 20. Juli 1968 geborene Kläger ist ledig. Er wohnt in X/Deutschland. Vom 1. Juli 1991 bis zum 5. Januar 1996 war er im Akkordlohn als Montageschreiner bei der Firma R AG in Y/Schweiz (Kanton Basel-Landschaft) angestellt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 14. Juni 1991 war er bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) „zu 80% der letzten AHV-pflichtigen Lohnsumme” unfallversichert (Ziff. 7 des Arbeitsvertrages). Ein Krankenversicherungsschutz durch den Arbeitgeber bestand dagegen nicht (Ziff. 2 des Arbeitsvertrages). Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Gerichtsakte Blatt 62 bis 64).

Im Sommer 1995 erlitt der Kläger bei der Ausführung einer Türblattmontage auf einer Baustelle einen Bandscheibenvorfall. Er war mehrere Monate arbeitsunfähig und übte seinen Beruf als Schreiner nicht mehr aus.

Aus den vorliegenden Lohnausweisen für 1994 bis 1996 ergibt sich Folgendes:

1994

1995

1996

SFr.

SFr.

SFr.

Bruttolohn

55.474

51.190

827

– Beiträge zur Altersvers. (AHV) u. Invalidenvers. (IV)

3.168

2.703

54

–Beiträge zur beruflichen Vorsorge

1.181

1.645

137

Nettolohn I

51.125

46.842

636

–obligatorische Prämien

812

743

15

Nettolohn II

50.313

46.099

621

im Bruttolohn enthalten:

Tagegelder aus der Kranken-, Unfall – u. Invalidenvers. 3.103

9.917

Versicherungsbeiträge (Krankheit, Unfall, Lohnausfall) 937

739

15

GEFAK

366

289

6

Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnausweise 1994 bis 1996 Bezug genommen (vgl. Einkommensteuerakte 1994 bis 1996).

In der Zeit vom 29 Januar 1996 bis zum 31. Januar 1998 nahm der Kläger an einer zweijährigen Umschulungsmaßnahme an der Höheren Wirtschaftsschule (HWS) und zwar an einem Diplomlehrgang zum technischen Kaufmann teil (vgl. Teilnahmebescheinigung vom 10. März 1998 – Gerichtsakte Blatt 72). Die Kosten dieser Maßnahme (Schulkosten in Höhe von 22.792 SFr. und Schulmaterial ca. 500 SFr.) übernahm die Sozialversicherungsanstalt Basel-Landschaft, Ausgleichskasse,, aufgrund des Gesuchs des Klägers vom 6. September 1995 „in Anwendung des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung – IVG –” (vgl. Bescheid vom 26. Januar 1996 – Gerichtsakte Blatt 68).

Mit Schreiben vom 21. März 1996 teilte die Schweizerische Ausgleichskasse mit Sitz in Genf dem Kläger mit, dass er aufgrund des Invalidenversicherungsgesetzes während der Umschulung Anspruch auf ein IV-Tagegeld habe. Als deutscher Staatsangehöriger bleibe er während der Eingliederungsmaßnahme weiterhin versichert und habe für die Dauer des Tagegeldbezuges AHV/IV-Beiträge als „Nichterwerbstätiger” zu leisten, die mit den monatlichen Tagegeldzahlungen verrechnet würden (vgl. Gerichtsakte Blatt 69). Nach einem Bescheid der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) ohne Datum betrug das Tagegeld pro Tag 106,50 SFr. (vgl. Gerichtsakte Blatt 70). Nach vorliegenden Bescheinigungen der Schweizerischen Ausgleichskasse über den Quellensteuerabzug in der Schweiz vom 8. Januar 1997 und 17. Januar 1998 erhielt der Kläger folgende „steuerpflichtige Leistungen: Ersatzeinkünfte in Form von IV-Tagegelder” (vgl. Einkommensteuerakte 1996 und 1997):

vom 29.1.1996 bis 30.11.1996

32.695,50 SFr.

abgezogene Quellensteuer 4,5% =

1.471,60 SFr.

vom 1.12.1996 bis 30.11.1997

38.872,50 SFr.

abgezogene Quellensteuer 4,5% =

1.749,60 SFr.

Der Kläger war der Ansicht, nur der von seiner damaligen A...

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