Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 264 Abs. 3 HGB ist die Einstandspflicht i. S. d. § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB, der eine Verlustübernahmepflicht i. S. d. § 302 AktG gleichwertig ist (im Folgenden nur noch: Einstandspflicht).

Die Einstandspflicht muss von dem Mutterunternehmen erklärt werden, das die befreiende Konzernrechnungslegung, in der das zu befreiende Tochterunternehmen einbezogen ist, präsentiert. In einem mehrstufigen Konzern (z. B. einem zweistufigen Konzern bestehend aus Mutter – Tochter – Enkel) kann – falls das Enkelunternehmen die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 HGB in Anspruch nehmen möchte und nur das (oberste) Mutterunternehmen einen (befreienden) Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufstellt – die Einstandspflicht entweder unmittelbar durch das Mutter- gegenüber dem Enkelunternehmen erklärt oder durch eine ununterbrochene Kette von Einstandspflichten (Mutter gegenüber Tochter und Tochter gegenüber Enkel) erfüllt werden (siehe hierzu Bilanz Check-up 2018, Kap. A 2.2.7, S. 70).

Ist in einem mehrstufigen Konzern eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft i. S. v. § 264a HGB als Zwischenholding Mutterunternehmen, ist fraglich, unter welchen Voraussetzungen das Tatbestandsmerkmal der ununterbrochenen Kette an Einstandspflichten erfüllt ist.

 
Praxis-Beispiel

Zwischen der M AG und der T GmbH einerseits und der A GmbH & Co. KG und der E GmbH andererseits besteht jeweils eine Einstandspflicht i. S. v. § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB. Zwischen der T GmbH und der B GmbH bestehe ein Gewinnabführungsvertrag (§ 291 AktG). Die T GmbH ist die Kommanditistin, die B GmbH die Komplementärin der A GmbH & Co. KG. Alle Unternehmen sind im Inland ansässig.

Abb. 5: Konzernstruktur des Beispielsachverhalts

Frage: Darf die E GmbH Erleichterungen nach § 264 Abs. 3 HGB in Anspruch nehmen?

Nach Ansicht des IDW (IDW Life 2018, S. 848 f.) ist das Tatbestandsmerkmal einer ununterbrochenen Kette von Einstandspflichten in einem mehrstufigen Konzern mit einer Personenhandelsgesellschaft als Zwischenholding nur dann erfüllt, "wenn das der Personen(handels)gesellschaft übergeordnete Mutterunternehmen deren persönlich haftender Gesellschafter ist [fett d. Verf.]". Handelt es sich – bei Fehlen einer anderweitig begründeten Einstands- oder Verlustausgleichspflicht – bei dem der Personen(handels)gesellschaft unmittelbar in der Konzernhierarchie übergeordneten Mutterunternehmen hingegen um einen nur beschränkt haftenden Gesellschafter dieser Personen(handels)gesellschaft, liegt nach Ansicht des IDW keine ununterbrochene Kette vor.

Die E GmbH wäre demnach nicht zur Inanspruchnahme der Erleichterungen nach § 264 Abs. 3 HGB berechtigt, sofern das "unmittelbare Mutterunternehmen" der A GmbH & Co. KG nicht ihr Komplementär (hier: B GmbH), sondern ihr Kommanditist (hier: T GmbH) ist. Dies wäre nach IDW RS HFA 7 n. F. Tz. 67 der Fall, wenn die Leitungsbefugnisse der B GmbH gesellschaftsvertraglich eingeschränkt sind und diese folglich keinen beherrschenden Einfluss auf die A GmbH & Co. KG ausüben könnte.

Dem ist zu widersprechen. Ist – wie im Sachverhalt – eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft (als Zwischenholding) Mutterunternehmen, ist die Voraussetzung einer ununterbrochenen Kette an Einstandspflichten auch dann erfüllt, wenn das der Personenhandelsgesellschaft übergeordnete Mutterunternehmen nicht deren persönlich haftender Gesellschafter ist. Dies gilt jedenfalls, wenn zwischen dem unmittelbaren Mutterunternehmen der Personenhandelsgesellschaft (hier: der T GmbH) und deren Komplementär eine Einstandspflicht besteht. Dies dürfte die ratio der Parenthese "bei Fehlen einer anderweitig begründeten Einstands- oder Verlustausgleichspflich" in der IDW-Stellungnahme sein.

Falls eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft (als Zwischenholding) Mutterunternehmen ist, ist sub specie "ununterbrochene Kette an Einstandspflichten" die Besonderheit zu beachten, dass sie – anders als eine Kapitalgesellschaft – 2 unterschiedliche Gesellschaftertypen hat.

Im Sachverhalt ist zwar das der Personenhandelsgesellschaft übergeordnete Mutterunternehmen (hier: die T GmbH) nicht deren persönlich haftender Gesellschafter, sondern ihr Kommanditist. Dennoch mangelt es zwischen der M AG und der Erleichterungen nach § 264 Abs. 3 HGB begehrenden E GmbH nicht an einer ununterbrochenen Kette an Einstandspflichten, da die Komplementärin der Personenhandelsgesellschaft (hier: die B GmbH) persönlich und unbegrenzt für die Verbindlichkeiten der Personenhandelsgesellschaft haftet und die T GmbH sich gegenüber der Komplementärin zur Verlustübernahme verpflichtet hat. Für die Gläubiger der E GmbH besteht mithin keine Schutzlücke.

 
Hinweis

Kernaussage

Der Fall lehrt: Für Zwecke des § 264 Abs. 3 HGB ist zwar die Existenz eines Mutter-/Tochterverhältnisses unentbehrlich, nicht aber für Zwecke des § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB – jedenfalls wenn eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft (als Zwischenholding) Mutterunternehmen ist und zwischen d...

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