Rz. 25

In seinem ersten Kleinbetriebsbeschluss[1] setzt sich das BVerfG vor allem mit der Frage auseinander, ob die Herausnahme der sog. Kleinbetriebe aus der Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes gegen Grundrechte wie vor allem Art. 12 GG oder gegen Art. 3 GG verstoße. Dies verneint das BVerfG und führt zur Begründung an, der Gegensatz der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer habe in der Norm des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG einen Ausgleich gefunden, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei; die Arbeitnehmer seien durch ihre Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz nicht völlig schutzlos gestellt, denn wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, seien die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt.

 

Rz. 26

In sachlicher Hinsicht gehe es "vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen". Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen sei, gebiete "der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme". Schließlich dürfe auch "ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben". Zwar lasse sich nicht allgemein festlegen, wie "die Darlegungs- und Beweislast unter Beachtung verfassungsrechtlicher Positionen bei der Anwendung der Generalklauseln in §§ 138 oder 242 BGB zu beurteilen" sei, doch "für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bietet das Prozessrecht aber geeignete Handhaben". Angesichts der inhaltlichen Offenheit der Ausführungen des BVerfG zu den Grenzen der Wirksamkeit einer Kündigung im Kleinbetrieb ist problematisch, welche Bedeutung sie für die Kündigung im Kleinbetrieb im Einzelfall haben können.

[1] BVerfG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 ff., NZA 1998, 470 ff.

4.2.1 Schutz vor willkürlichen oder auf sachfremden Gründen beruhenden Kündigungen

 

Rz. 27

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der Kündigungsschutz im Kleinbetrieb durch das BAG näher ausgestaltet worden. In allgemeiner Weise formuliert es, eine Kündigung verstoße nur gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind[1]; dabei ist der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz umso schwächer, je stärker die mit § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es gehe vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen.[2] Nach der Rspr. des BAG scheidet der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt.[3] Einen derartigen Grund muss der Arbeitgeber freilich erst im Kündigungsschutzprozess vortragen; ein Verstoß gegen § 242 BGB kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil eine Kündigung ohne Angabe von Gründen ausgesprochen wird, denn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb muss eine Kündigung nicht begründen (zur prozessualen Darlegungs- und Beweislast s. Rz. 35 und Rz. 49).[4]

 

Rz. 28

Der auf konkreten Umständen beruhende Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitnehmer vermag, soweit allgemeiner Kündigungsschutz nicht anwendbar ist, eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber auch dann zu rechtfertigen, wenn die Umstände, auf denen der Vertrauensverlust beruht, objektiv nicht zu verifizieren sind.[5] Nach Ansicht des BAG lag in dem entschiedenen Fall nicht fern, dass der Arbeitgeber das Vertrauen in die Loyalität der Arbeitnehmerin, die eine herausgehobene Position innehatte, verloren hatte, weil sie in engen persönlichen Beziehungen zu jemandem stand, der den Arbeitgeber wegen seiner geschäftlichen Aktivitäten vor Mitarbeitern deutlich kritisiert hatte. Der Willkürvorwurf schied aus, weil ein "irgendwie einleuchtender Grund" vorlag. Einen Verstoß gegen § 242 BGB verneinte das BAG[6] auch in einem Fall, in dem "erhebliche persönliche Spannungen" zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten vorlagen, die "ein effektives Arbeiten" nicht mehr möglich machten.

 

Rz. 29

Die Wirksamkeit einer Kündigung aus Gründen in dem Verhalten des Arbeitnehmers setzt außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG i. d. R. nicht voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt wurde.[7] Ein Verstoß gegen § 242 BGB lässt sich nicht daraus ableiten, dass der Kündigung keine vergebliche Abmahnung mit einem Hinweis auf die Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses vorausging, denn das Abmahnungserfordernis sieht das BAG[8] im Anwendungsbereich des KSchG als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und Bestandteil des Kündigungsgrundes. Dem ist zuzustimmen. Der Ultima-Ratio-Grundsatz (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG) als Geltungsgrund der Abmahnung ist im Fall des § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KSchG nicht anwendbar; e...

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