In den drastischen Fällen der Überschwemmung (Ahrtal 2021) hat sich gezeigt, dass auch Unwetter und deren Folgen zu den Klimafolgewirkungen zählen kann. Starkregen und dadurch bedingte Schadensverläufe machen auch vor Produktionsstätten nicht Halt. Überschwemmungen können Produktionsabläufe beeinträchtigen oder aber auch durch Zerstörung der Anlagen ganz beseitigen.

1.2.1 Pflicht zur Entgeltfortzahlung

Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Risiko für von außen auf das Unternehmen einwirkende Umstände, die sich als höhere Gewalt darstellen. Hierzu gehören z. B. die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe, die Zerstörung der Betriebseinrichtungen durch Brand, den Ausfall einer Ölheizung im Betrieb wegen eines plötzlichen Kälteeinbruchs, oder den Stromausfall infolge einer Störung im Elektrizitätswerk. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber aufgrund äußerer Einflüsse Entscheidungen trifft, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führen, etwa wenn ein Zement- und Baustoffhandel aufgrund der Witterung seinen Betrieb vorübergehend einschränkt oder stilllegt.

 
Wichtig

Naturkatastrophen als Betriebsrisiko

Entscheidend ist immer die Antwort auf die Frage des Betriebsrisikos. Auch Naturkatastrophen, die für den Arbeitgeber einen Anwendungsfall von "höherer Gewalt" darstellen, fallen unter das Betriebsrisiko. So wurde beispielsweise ein "Geschehen, das von außen auf typische Betriebsmittel einwirkt und sich als höhere Gewalt darstellt, wie z. B. die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe" zum Betriebsrisiko gerechnet.[1]

Was aber, wenn der gesamte Betrieb durch ein Extremereignis nicht mehr vorhanden ist?

Hierfür gibt es den Begriff der "Substratsgefahr", wonach dem Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Substratsgefahr zugewiesen ist, also die Gefahr, die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung wegen einer Störung des Arbeitssubstrats nicht annehmen zu können, gleichwohl aber die vereinbarte Vergütung zahlen zu müssen. Im BAG-Fall zur pandemiebedingten Betriebsschließung entfällt in einem solchen Fall der Entgeltanspruch. Gleiches könnte gelten, wenn das materielle Objekt der Vertragsbeziehung (also der Betrieb) nicht mehr vorhanden ist. Ohne Substrat auch keine Leistungsmöglichkeit.

Für einen Wegfall der Entgeltpflicht haben sich zahlreiche Fälle aus der Pandemie ausgesprochen. In diesem Fall realisiert sich nämlich kein in einem bestimmten Betrieb aufgrund seiner konkreten Produktions- und Arbeitsbedingungen – dem Betriebssubstrat – angelegtes Risiko, welches ein Arbeitgeber auch nur im Entferntesten beherrschen kann, sondern ein die gesamte Bevölkerung betreffendes allgemeines Risiko, welches dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden kann.

1.2.2 Kurzarbeitergeld als Entgeltersatzleistung

Auch in diesen extremen Fällen kommt KUG in Betracht. Die kritischen Voraussetzungen werden im Folgenden aufgegriffen.[1]

Unabwendbares Ereignis

Der Arbeitsausfall muss grundsätzlich unmittelbar auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen.

Führt ein im konkreten Einzelfall vorliegendes unabwendbares Ereignis nur mittelbar zu einem Arbeitsausfall, ist somit der Arbeitsausfall nur über die Auslösung weiterer Ursachen wesentlich bedingt, kann KUG aufgrund dieses unabwendbaren Ereignisses gewährt werden.[2]

Eine nur mittelbare Abhängigkeit – außerhalb des konkreten Einzelfalls – genügt in diesem Zusammenhang nicht.

 
Praxis-Beispiel

Mittelbarkeit der Ursache

Ist z. B. bei einem Zuliefererbetrieb der Autoindustrie, der vorwiegend für einen Großbetrieb arbeitet, ein Auftragsmangel eingetreten, der darauf beruht, dass der Großkunde infolge eines durch Blitzschlag verursachten Fabrikbrandes keine oder weniger Aufträge an den Zuliefererbetrieb erteilt, so beruht der daraus resultierende Arbeitsausfall (beim Zuliefererbetrieb) nicht auf einem unabwendbaren Ereignis. Er ist vielmehr durch wirtschaftliche Ursachen (Auftragsmangel) ausgelöst worden, wobei u. a. zu prüfen ist, inwieweit er vermeidbar ist.

Zu den Witterungsverhältnissen, die kein unabwendbares Ereignis darstellen[3], gehören vor allem solche Arbeitsausfälle, die in den Wintermonaten eintreten und unmittelbar oder mittelbar durch normalen Witterungsverlauf verursacht sind (z. B. Arbeitsausfälle in Sägewerken, in der Land- und Forstwirtschaft).

 
Wichtig

Wegerisiko des Arbeitnehmers

Wenn Arbeitnehmer z. B. infolge ungünstiger Witterung, Straßensperren oder Fahrverboten bei Smogalarm ihren Arbeitsplatz nicht erreichen, die Fortführung der Arbeit im Betrieb aber möglich ist, fällt die Arbeit nicht aus den in § 96 Abs. 1 Nr. 1 genannten Gründen aus. Kurzarbeitergeld kann hier selbst dann nicht gewährt werden, wenn aus dem "objektiven Leistungshindernis" heraus die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 616 BGB entfällt und für die Ausfallstunden deshalb kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.[4]

Vorübergehender Arbeitsausfall

Kurzarbeitergeld gibt es nur, wenn der Arbeitsausfall "vorübergehend" ist. Ein vorübergehender Arbeitsausfall liegt nur vor, wenn sich aus den Gesamtumstände...

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