Rz. 203

Sind zum Zeitpunkt der Beendigung Urlaubsansprüche offen, entsteht automatisch der Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nach Aufgabe der Surrogatstheorie mit der Beendigung auch dann, wenn die Urlaubsgewährung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich war und der Arbeitnehmer beim Ausscheiden weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ist.[1] Er wird auch mit dem Ausscheiden fällig. Die Tarifvertragsparteien können aber einen anderen Fälligkeitszeitpunkt – zum Beispiel das Ende des Monats, in dem das Arbeitsverhältnis endet – vereinbaren.[2]

Dies gilt nicht für die über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden einzelvertraglichen oder tariflichen Ansprüche, die nicht dem gesetzlichen Urlaubsanspruch folgen (s. hierzu Rz. 212 ff.) und entsprechend der früheren Rechtslage der Urlaubsabgeltungsanspruch weiterhin der Surrogatstheorie folgen. Europarechtliche Vorgaben hindern die Vertragsparteien nicht, hinsichtlich des Mehrurlaubs den Abgeltungsanspruch an die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs zu binden.[3] So hat das BAG in der Entscheidung vom 23.3.2010[4] für einen tariflichen Mehrurlaub bei einem Abgeltungsanspruch weiterhin geprüft, ob der klagende Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums wieder arbeitsfähig geworden ist. Inzwischen hat das BAG jedoch klargestellt, dass eigenständige Regelungen zur Befristung und Übertragung allein zur Fortgeltung der Surrogatstheorie für den Mehrurlaub nicht genügen. Es bedarf eines selbstständigen Abgeltungsregimes[5], d. h. eindeutiger, über das Regelungsziel des § 7 Abs. 4 BUrlG hinausgehender Bestimmungen im Tarifvertrag[6] oder Arbeitsvertrag.

 
Hinweis

Bestehen deutliche Anhaltspunkte für einen unterschiedlichen Regelungswillen bei der Abgeltung von gesetzlichem Mindesturlaub und Mehrurlaub, folgt der Abgeltungsanspruch für den gesetzlichen Mindesturlaub und den Mehrurlaub unterschiedlichen Regeln. Dies hat das BAG. z.B für § 12 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 MTV Chemie i. d. F. vom 16.4.2008 bejaht und festgestellt, dass nach dieser Regelung für den tariflichen Mehrurlaub, das Risiko, dass der Arbeitgeber einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer Urlaub nicht gewähren kann, zulässig auf den Arbeitnehmer verlagert.

 

Rz. 204

Bedeutung hat die Rechtsnatur des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Mehrurlaub bei abweichender Regelung zur Geltendmachung. Nach der Rechtsprechung des BAG muss bei Geltung der Surrogatstheorie der Arbeitnehmer den Urlaubsabgeltungsanspruch sowie den Urlaubsanspruch geltend machen. Da der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet ist, muss auch der ihn ersetzende Abgeltungsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres verlangt und erfüllt sein. Ansonsten geht der Urlaubsabgeltungsanspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch ersatzlos unter. Liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG vor, erlischt der Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit dem 31.3. des Folgejahres.[7] Dies spielt bei Arbeitsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum eine Rolle. Enthält der Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen, muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten zuvor darauf hingewiesen haben, dass der Urlaub untergeht, wenn er nicht geltend gemacht worden ist.

[3] BAG, Urteil v. 16.7.2013, 9 AZR 914/11, NZA 2013, 1285 für tarifliche Regelung.
[4] BAG, Urteil v. 23.3.2010, 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 unter Rz. 17 der Entscheidungsgründe.
[5] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 7 BUrlG, Rz. 52.

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