Nach § 84 SGB IX wird der Arbeitgeber verpflichtet, bei Eintritt von Schwierigkeiten bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, die zur Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses führen können, aktiv zu werden. Durch möglichst frühzeitiges Einschalten von Schwerbehindertenvertretung sowie Betriebs-/Personalrat sollen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Beratungshilfen und finanzielle Leistungen der Integrationsämter oder der Bundesagentur für Arbeit zum Erhalt des Arbeitsplatzes ausgeschöpft werden. Unterlässt der Arbeitgeber diese "Prävention", so wird ihm das der von der Schwerbehindertenvertretung informierte Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess vorhalten.

Eine besondere Stärkung der Gesundheitsprävention erfolgt nunmehr in § 84 Abs. 2 SGB IX.[1] Die Neuregelung will ein betriebliches Eingliederungsmanagement bei gesundheitlichen Störungen sicherstellen.

Beachten Sie: Die Verpflichtung zur Gesundheitsprävention besteht angesichts des eindeutigen Wortlauts und entgegen der systematischen Stellung (vgl. § 68 Abs. 1 SGB IX) bei allen Beschäftigten und nicht nur bei schwerbehinderten Menschen.

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, so klärt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat und bei schwerbehinderten Menschen auch mit der Schwerbehindertenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung des Betroffenen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich ist der Werks- oder Betriebsarzt hinzuzuziehen. Geht es um die Abklärung von Leistungen zur Teilhabe oder um begleitende Hilfen im Arbeitsleben, sind gemeinsame Servicestellen oder Integrationsämter hinzuzuziehen. Der Betriebsrat und ggf. auch die Schwerbehindertenvertretung kann diese Klärung verlangen. Hier wird also ein Rechtsanspruch des Betriebsrats außerhalb der Betriebsverfassung geschaffen. Allerdings ist auch in diesem Fall die Zustimmung des Betroffenen erforderlich.

Unklar ist, was geschehen kann, wenn der Arbeitgeber dieses betriebliche Eingliederungsmanagement nicht betreibt. Bußgeldbewährt ist die Vorschrift nicht. Zu denken ist an Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB oder § 823 Abs. 2. BGB, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass bei rechtzeitiger Beachtung der Vorschrift bestimmte Gesundheitsschäden nicht eingetreten wären. Des Weiteren kann es der Betriebsrat ggf. klageweise durchsetzen. Auch kann es dem Arbeitgeber zum Nachteil bei Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung gereichen, wenn ihm z.B. im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung vorgehalten wird, durch ein betriebliches Eingliederungsmanagment hätten die Fehlzeiten des Arbeitnehmers bereits viel früher reduziert werden können. Unklar ist, wie in diesem Fall die Beweislastverteilung ist. Die Einhaltung der Vorschrift wird der Arbeitgeber nachzuweisen haben, der Arbeitnehmer wird zumindest darzulegen haben, wie sich seine Gesundheit bei Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements entwickelt hätte. Ggf. kann er dazu seinen behandelnden Arzt als Sachverständigen vernehmen lassen. Lässt sich nicht klären, ob und in welchem Umfang die rechtzeitige Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Kündigung vermieden hätte, so wird man dem Arbeitgeber die Beweislast aufbürden müssen, weil er gegen die Vorschrift verstoßen hat.

 
Praxis-Tipp

Eine optimale Umsetzung der Gesundheitsprävention wird erreicht durch Bildung eines Gesundheitszirkels, in dem Konzepte zur Stress- und Suchtprävention entwickelt werden und in dessen Arbeit die Integrationsvereinbarung und das betriebliche Eingliederungsmanagement eingebettet werden. Beachten Sie, dass nunmehr formalisierte Krankenrückkehrgespräche als Bestandteil des betrieblichen Eingliederungsmanagements eine gesetzliche Grundlage haben. Die Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements kann seitens der Rehabilitationsträger und Integrationsämter durch Prämien oder einen Bonus gefördert werden (§ 84 Abs. 4 SGB IX).

[1] Eingefügt mit dem am 01.05.2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen.

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