Der Schwerbehindertenvertretung sind keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber, sondern nur Mitwirkungsrechte eingeräumt. Träger der Mitbestimmung und der Befugnis zu kollektiven Regelungen (Ausnahme: Inklusionsvereinbarung) sind ausschließlich die Betriebs- und Personalräte. Wenn die Schwerbehindertenvertretung zugunsten der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen Regelungen durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung erreichen will, muss sie durch ihre beratende Teilnahme an Sitzungen auf die Willensbildung der Betriebs- oder Personalräte Einfluss nehmen.

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs- und Personalrats und deren Ausschüssen (einschließlich des Wirtschaftsausschusses) sowie an Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen (§ 178 Abs. 4 SGB IX). Sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne schwerbehinderte Menschen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Das Teilnahmerecht erstreckt sich auch auf gemeinsame Ausschüsse von Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 28 Abs. 3 BetrVG[1] sowie auf die monatlichen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebs-/Personalrat.

Erachtet die Schwerbehindertenvertretung einen Beschluss des Betriebs-/Personalrats als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen des schwerbehinderten Menschen, so wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt. Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. Daher muss die Schwerbehindertenvertretung die Wirkung der Aussetzung bedenken. Ist der Betriebsrat z. B. bei der Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung innerhalb einer Woche zur Stellungnahme verpflichtet, so kann wegen der fehlenden wirksamen Stellungnahme die Zustimmung des Betriebsrats nach Fristablauf fingiert werden.

In allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, ist die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören (§ 178 Abs. 2 SGB IX). „Berühren“ in § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist mit „betreffen“ gleichzusetzen. Eine Unterrichtungs- und Anhörungspflicht besteht deshalb nicht, wenn die Angelegenheit bzw. die Maßnahme des Arbeitgebers die Belange schwerbehinderter Menschen in keiner anderen Weise betrifft als die Belange nicht schwerbehinderter Beschäftigter. Unterlässt es der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, ist dies ein Indiz im Sinne von § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der/die schwerbehinderte Arbeitnehmer/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung benachteiligt wurde[2].

Die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht betrifft etwa Einstellung, Versetzung oder Kündigung sowie alle sonstigen Entscheidungen, die sich auf schwerbehinderte Menschen als solche beziehen. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist keine "Entscheidung" i. S. d. § 178 Abs. 2 SGB IX; ein Vertragsschluss ist kein einseitiger Willensakt des Arbeitgebers. Eine vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ist deshalb nicht erforderlich. Die Schwerbehindertenvertretung ist auch in Angelegenheiten der gleichgestellten Arbeitnehmer zu beteiligen. Allerdings beginnt die Beteiligungspflicht nicht bereits mit der Antragstellung auf Gleichstellung, sondern erst mit dem entsprechenden Gleichstellungsbescheid[3].

Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung jedoch über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen "unverzüglich" unterrichten (§ 178 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen ist eine "Angelegenheit", die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder auch die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berührt. Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen betrifft unmittelbar dessen rechtliche Stellung und sein Verbleiben im Betrieb. Wird aber eine Stelle mit Personalführungsfunktion nicht selbst mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt, muss die Schwerbehindertenvertretung nur dann am Besetzungsverfahren beteiligt werden, wenn die Aufgabe besondere schwerbehinderungsspezifische Führungsanforderungen stellt.[4]

Eine Unterrichtungspflicht und ggf. auch Anhörungspflicht wurde angenommen:

  • Mitteilung, dass der Arbeitnehmer als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter anerkannt worden ist, denn dann folgt daraus die Zuständigkeit der SBV für ihn und bei Erfüllung der Pflichtquote entfällt die Erörterungspflicht nach § 164 Abs. 1 Satz 8
  • Mitteilung, dass der Arbeitnehmer einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt hat, denn darauf folgt u. U. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach tarifvertraglichen Regelungen
  • Zustimmung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements, denn dann hat die Sc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge