Entscheidungsstichwort (Thema)

Unangemessen niedrige Ausbildungsvergütung bei Unterschreitung des einschlägigen Tarifvertrages um mehr als 20 Prozent. Anpassung einer unangemessenen Ausbildungsvergütung auf das Niveau des einschlägigen Tarifvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Nicht mehr angemessen ist eine Ausbildungsvergütung regelmäßig dann, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 v. H. unterschreitet.

2. Hat der Ausbildende mit dem Auszubildenden eine zu geringe, weil nicht mehr angemessene, Vergütung vereinbart, ist diese Vereinbarung nichtig (§ 25 BBiG). Die vertragliche Vergütungsregelung ist nicht auf den niedrigsten, eben noch zulässigen Betrag anzupassen.

 

Normenkette

BBiG § 17 Abs. 1, § 25

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 24.01.2019; Aktenzeichen 6 Ca 1414/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 24.01.2019 - 6 Ca 1414/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung.

Der im September 1997 geborene Kläger schloss am 01.06.2015 mit der Beklagten, die in C-Stadt ein Audi-Autohaus betreibt, einen Berufsausbildungsvertrag für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 28.02.2019 mit dem Ziel der Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker. Die Parteien vereinbarten bei einer regelmäßigen wöchentlichen Ausbildungszeit von 40 Stunden eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von brutto

€ 400,00 im 1. Ausbildungsjahr,

€ 435,00 im 2. Ausbildungsjahr,

€ 475,00 im 3. Ausbildungsjahr und

€ 510,00 im 4. Ausbildungsjahr.

Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Der zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste abgeschlossene Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen für die Unternehmen des KFZ-Gewerbes im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 23.06.2015, rückwirkend in Kraft getreten zum 01.06.2015, regelt unter § 2 die Ausbildungsvergütungen wie folgt:

...

ab 01.08.2015

ab 01.08.2016

1. Ausbildungsjahr

...

€ 587,00

€ 603,00

2. Ausbildungsjahr

...

€ 613,00

€ 630,00

3. Ausbildungsjahr

...

€ 654,00

€ 672,00

4. Ausbildungsjahr

...

€ 695,00

€ 714,00

Der ab dem 01.06.2017 gültige Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen im KFZ-Gewerbe Mecklenburg-Vorpommern legt folgende Sätze fest:

bis 31.07.2017

ab 01.08.2017

ab 01.08.2018

1. Ausbildungsjahr

€ 603,00

€ 633,00

€ 663,00

2. Ausbildungsjahr

€ 630,00

€ 660,00

€ 690,00

3. Ausbildungsjahr

€ 672,00

€ 702,00

€ 732,00

4. Ausbildungsjahr

€ 714,00

€ 744,00

€ 774,00

Das Ausbildungsverhältnis endete vorzeitig am 14.10.2018.

Mit der Klage vom 18.10.2018 hat der Kläger unter Hinweis auf die Unangemessenheit der gezahlten Vergütung die Differenzbeträge zum tarifvertraglichen Ausbildungsentgelt für die Zeit vom 01.09.2015 bis zum 30.09.2018 gerichtlich eingefordert.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

1. für den Zeitraum 01.09.2015 bis 31.08.2016 (erstes Lehrjahr) € 2.260,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus jeweils € 187,00 seit dem

01.10.2015,

01.11.2015,

01.12.2015,

01.01.2016,

01.02.2016,

01.03.2016,

01.04.2016,

01.05.2016,

01.06.2016,

01.07.2016 und

01.08.2016

sowie aus € 203,00 seit dem

01.09.2016,

2. für den Zeitraum 01.09.2016 bis 31.08.2017 (zweites Lehrjahr) € 2.370,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus jeweils € 195,00 seit dem

01.10.2016,

01.11.2016,

01.12.2016,

01.01.2017,

01.02.2017,

01.03.2017,

01.04.2017,

01.05.2017,

01.06.2017,

01.07.2017 und

01.08.2017

sowie aus € 225,00 seit dem

01.09.2017,

3. für den Zeitraum 01.09.2017 bis 31.08.2018 (drittes Lehrjahr) € 2.754,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus jeweils € 227,00 seit dem

01.10.2017,

01.11.2017,

01.12.2017,

01.01.2018,

01.02.2018,

01.03.2018,

01.04.2018,

01.05.2018,

01.06.2018,

01.07.2018 und

01.09.2018

sowie aus € 257,00 seit dem

01.09.2018,

4. für den Zeitraum 01. bis 30.09.2018 € 264,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2018

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten sich im Berufsausbildungsvertrag vom 01.06.2015 verbindlich über die Höhe der Ausbildungsvergütung verständigt. Verträge seien einzuhalten. Selbst wenn die gezahlte Vergütung unangemessen sei, folge daraus aber nicht, dass der Kläger 100 % der tarifvertraglich festgelegten Vergütung fordern könne. Ein Anspruch könne allenfalls in Höhe von 80 % des Tarifentgelts bestehen.

Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen entsprochen. Die Beklagte sei nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) verpflichtet, Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Eine Ausbildungsvergütung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr an...

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