LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.5.2018, 15 Sa 1700/17

Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a. F. kann ein schwerbehinderter Arbeitnehmer auch im Rahmen einer Wiedereingliederung eine anderweitige Tätigkeit verlangen. Bei schuldhafter Versäumung durch den Arbeitgeber, dies zu ermöglichen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung.

Sachverhalt

Die schwerbehinderte Klägerin ist seit 1999 bei dem beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Seit dem 1.10.2013 war sie arbeitsunfähig erkrankt; am 20.1.2015 beantragte sie die Durchführung einer Wiedereingliederung. Sie legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung vor, in welcher als Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit der 28.3.2015 angegeben war. Das beklagte Land lehnte jedoch die Wiedereingliederung ab. Die Klägerin legte dann eine weitere ärztliche Bescheinigung zur Wiedereingliederung vor. Daraufhin schlossen die Parteien am 9.3.2015 einen Vertrag über eine stufenweise Wiedereingliederung, welche jedoch aufgrund der Osterferien einvernehmlich abweichend durchgeführt wurde. Die Klägerin arbeitete in der Zeit vom 7.4.-28.4.2015 zunächst für 10 und vom 29.4. bis 12.5.2015 für 16 Unterrichtsstunden pro Woche; danach wieder in Vollzeit mit 26 Unterrichtsstunden pro Woche. Während der Wiedereingliederung erhielt sie von dem beklagten Land eine Vergütung. Allerdings hätte sie – hätte sie bereits am 7.4.2015 ihre volle Arbeitsfähigkeit erreicht – für April weitere 1.680,70 EUR und für Mai 2015 zusätzliche 597,48 EUR erhalten. Diese Differenz forderte sie nun vom beklagten Land.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem LAG Erfolg.

Das Gericht entschied, dass die Klägerin gegen das beklagte Land einen Schadensersatzanspruch i. H. v. 2.278,18 EUR brutto aus § 280 Abs. 1 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX (a. F.) habe.

Das Gericht führte hierzu aus, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX a. F. (ab 1.1.2018: § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) eine anderweitige Tätigkeit auch im Rahmen einer Wiedereingliederung verlangen könne. Voraussetzung hierfür sei, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorlege, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit und Dauer der Maßnahme ergeben, sowie eine Prognose darüber, wann voraussichtlich die Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolge. Soweit es der Arbeitgeber schuldhaft versäume, die behinderungsgerechte Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers hiernach zu ermöglichen, habe der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung.

Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt; insbesondere enthielt die Bescheinigung den Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit. Es sei, so das Gericht, hierbei unerheblich, dass dort nur eine einzige Stufe im Rahmen der Wiedereingliederung vorgesehen war; denn es war vorliegend nicht ersichtlich, dass notwendigerweise mehr als eine Stufe vorzusehen seien.

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