Entscheidungsstichwort (Thema)

"Abgasskandal" und Gebrauchtwagen; Kauf im Jahr 2016

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens kommen vertragliche Ansprüche gegen den Hersteller (VW AG) grundsätzlich nicht in Betracht.

2. Auch liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und weiteren europarechtlichen Normen, § 826 BGB) bei einem Kauf eines Gebrauchtwagens im Jahr 2016 nicht vor.

a) Nach breiter auch medialer Offenlegung der "Abgasmanipulationen" im Herbst 2015 durch VW scheidet ein vorsätzlicher schadensverursachender Betrug ab diesem Zeitpunkt aus (u.a. fehlender Vorsatz hinsichtlich irrtumsbedingter Schädigung des Käufers, Abbruch der Kausalkette, Rücktritt vom Versuch).

b) Die einschlägigen europarechtlichen Normen schützen den Gebrauchtwagen-Käufer nicht in seinen Vermögensinteressen; sie stellen keine Schutzgesetze i.S. von § 823 Abs. 2 BGB dar.

c) Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen das Eingreifen von § 826 BGB. Zum einen dürfte das einmal unterstellte sittenwidrige Verhalten von Mitarbeitern von VW oder Drittfirmen bei Konstruktion usw. der Motoren, der Softwaresteuerung ab Herbst 2015 nicht mehr in zurechnungsfähiger Weise zu dem behaupteten Schaden (Kaufvertrag) geführt haben. Zum spricht gegen ein sittenwidriges Handeln u.a. der Umstand, dass durch das Eingreifen des Modus "Straßenverkehr" die Motorbelastung verringert werden sollte, mithin Verbrauch, Verschleiß, Leistung zu Gunsten des Käufers optimiert werden sollten.

d) Auch liegt es nahe, dass Käufer ab Herbst 2015 die "Abgasproblematik" erkannt haben, zumindest erkennen konnten, so dass eine durch Fehlvorstellung bedingte Kaufentscheidung für einen in Deutschland ansässigen Erwerber schwer vorstellbar, schlüssig begründbar ist.

3. Der ursprüngliche Mangel (Schaden) liegt in der Gefahr der Entziehung der Zulassung mit den daraus sich ergebenden Folgen (Stilllegung). Durch das von der zuständigen Behörde zugelassene und aufgespielte Software-Update ist diese Zulassungsproblematik beseitigt und ein Schaden liegt mithin nicht (mehr) vor.

4. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens im Jahr 2016 ist aufgrund der allseits bekannten "Dieselproblematik" davon auszugehen, dass ein evtl. vorhandener "Minderwert" bereits bei der Preisfestlegung berücksichtigt wurde und auch deshalb ein schlüssig dargelegter Vermögensschaden nicht gegeben ist.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 5 O 123/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 15. Januar 2019 (Az.: 5 O 123/18) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohersteller die Rückabwicklung eines Kaufvertrages und Schadensersatz nach einem PKW-Kauf über ein Fahrzeug, das von dem sogenannten "Abgas-Skandal" betroffen war.

Der Kläger kaufte bei dem Autohaus H GmbH am 09.06.2016 ein Fahrzeug der Marke VW Golf zum Preis von 15.998,00 EUR. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 65.000 km. Es verfügt über einen Dieselmotor des Typs EA 189, der ursprünglich mit einer Software ausgestattet war, die zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung kannte. Im Abgasrückführungsmodus 1, der bei standardisierten Tests und Prüfungssituationen aktiv war, kam es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und in der Folge zu einem geringeren Emissionsausstoß. Unter Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, war der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, der eine geringere Abgasrückführungsrate und einen höheren Emissionsausstoß zur Folge hatte. Im normalen Straßenverkehr befand sich das Fahrzeug durchgehend im Modus 0.

Das Fahrzeug gehört der Schadstoffklasse Euro/EU-Fünf-Norm an. Die erteilte entsprechende Typengenehmigung des Fahrzeugs basiert auf der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emission von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen und über den Zugang zur Reparatur und Wartungsinformation für Fahrzeuge. Die diesbezügliche gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte hielt das Fahrzeug lediglich im oben genannten Modus 1 ein.

Das von der Beklagten angebotene und vom Kraftfahrtbundesamt für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp freigegebene Software-Update wurde am Fahrzeug durchgeführt.

Der Kläger hat vorgetragen, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug sei eine illegale Abschalteinrichtung verbaut worden, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Die Typengenehmigung hätte für das Fahrzeug nicht erteilt werden dürfen. Das Fahrzeug leide unter einem Wertverlust bezüglich seines Wiederverkaufswertes und des Makels des Diesel-Skandals. Es bestünde zudem der dringende Verdacht, dass durch das Aufspielen des Software-Updates weitere Mängel ents...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge