Leitsatz (amtlich)

1. Wohnflächenangaben in einem Maklerexposé können eine Beschaffenheitserwartung begründen.

2. Es gibt außerhalb von Wohnraum nach dem Wohnraumförderungsgesetz - hier gilt die Wohnflächenverordnung - kein allgemeingültiges Verständnis für die Berechnung der Wohnfläche. Lässt sich durch Auslegung nicht feststellen, was die Vertragsparteien unter "Wohnfläche" verstanden haben, ist auf die für die gegenständliche Region einschlägige Verkehrssitte abzustellen. Vielfach wird danach die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung zu berechnen sein.

3. Ein Sachmangel liegt jedenfalls dann vor, wenn die nach dem Exposé zu erwartende Wohnfläche (als Zirka-Angabe) um mehr als 10 % unterschritten wird.

4. Der Verkäufer erfüllt seine Sachmängel im Sinne von § 434 BGB betreffenden Aufklärungspflichten mit der Übergabe von Unterlagen grundsätzlich nur dann, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter bestimmten Gesichtspunkten durchsehen wird (im Anschluss an BGH, Urteil v. 11. November 2011 - V ZR 245/10 -, Rn. 7, juris).

5. Feststellungen des Gerichts zur Höhe des Minderwerts einer Immobilie aufgrund Wohnflächenunterschreitung bedürfen einer sachverständigen Beratung. Da bei der Immobilienbewertung zwischen Boden- und Gebäudewert zu unterscheiden ist, darf der Minderwert nicht einfach durch die Umrechnung des Kaufpreises auf die zu erwartende Wohnfläche berechnet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 434, 437

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 10 O 56/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 12.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hagen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

1. an die Kläger 21.855,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2020 zu zahlen,

2. an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 906,78 EUR an die A Rechtsschutzversicherung AG, Anschrift01, zur Schadennummer VersNr. 01 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an die Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21.855,32 EUR für die Zeit vom 12.03.2020 bis zum 19.03.2020 zu zahlen

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben zu 60 % die Kläger und zu 40 % die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 55.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Kaufpreisminderung wegen Unterschreitung der geschuldeten Wohnfläche auf dem von ihnen im Jahre 2019 zum Gesamtpreis von 220.000 EUR incl. Zubehör erworbenen Wohnhausgrundstück in Anspruch.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen des zugrundeliegenden Tatbestands, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Größe der Wohnfläche hätten die Parteien nicht getroffen, zumal es an der erforderlichen Beurkundung fehle. Die vermeintliche Mindergröße begründe auch nicht ohne weiteres einen Sachmangel, weshalb im Ergebnis Gewährleistungsansprüche ausschieden. Die Beklagten hätten sich im Übrigen auf die Angaben der von ihnen beauftragten Maklerin verlassen dürfen, weshalb auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Täuschung ausschieden. Fahrlässigkeit genüge insoweit nicht, um Schadensersatzansprüche zu begründen.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags weiterverfolgen. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts. Den Beklagten sei bewusst gewesen, dass die Wohnfläche nicht, wie im Exposé angegeben, ca. 120 m2 betragen habe, sondern nur gut 90 m2. Das ergebe sich zunächst aus den Berechnungen ihres eigenen Architekten, der im Jahre 1998 deren Um- und Anbau betreut und die erforderliche Baugenehmigung eingeholt habe. Dieselben Angaben hätten die Beklagten auch gegenüber dem Gebäudeversicherer gemacht, weshalb positive Kenntnis vorgelegen habe. Sie meinen, eine um 25 % geringere Wohnfläche begründe eine Minderung des Kaufpreises um 25 %.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an sie 55.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2020 zu zahlen,

2. an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 1.508,92 EUR an die A Rechtsschutzversicherung AG, ...

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