1.2.1 Grundsatz der Gegenseitigkeit

Über das Erstattungsverfahren gegenüber Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten hinaus ist in der 13. EG-Richtlinie für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich das Erstattungsverfahren gegenüber Unternehmern aus Drittstaaten vorgeschrieben. Im Gegensatz zu dem Verfahren für EU-Unternehmer können die Mitgliedstaaten die Erstattung der Umsatzsteuern für bestimmte Ausgaben ganz ausschließen. Außerdem können sie die Erstattung davon abhängig machen, dass der Grundsatz der Gegenseitigkeit gewahrt ist. Des Weiteren können sie die Einzelheiten des Erstattungsverfahrens (Antragstellung, Erstattungszeitraum, Mindestbeträge, Erstattungsfristen) selbst bestimmen.

Nach dem EuGH-Urteil vom 7.6.2007[1] muss Art. 2 Abs. 2 der 13. EG-Richtlinie nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass die dort den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit der Einführung eines Gegenseitigkeitserfordernisses bei der Umsatzsteuererstattung sich nicht auf solche Staaten bezieht, die sich als Vertragspartei des GATS auf dessen Meistbegünstigungsklausel[2] berufen können. Das Urteil bestätigt im Ergebnis, dass die Vorsteuervergütung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit auch gegenüber Drittstaaten angewendet werden darf, die dem GATS angehören.[3]

Die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltende Einschränkung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG zur Gegenseitigkeit findet gemäß § 15 Abs. 4b UStG unter den dort genannten Voraussetzungen auch im Allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung. Fehlt es in den dort genannten Fällen an der für eine Vorsteuer-Vergütung erforderlichen Gegenseitigkeit, ist auch im Allgemeinen Besteuerungsverfahren der Vorsteuerabzug des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers für sämtliche Eingangsleistungen ausgeschlossen. Das in § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG enthaltene Erfordernis der Gegenseitigkeit verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht. Ein etwaiger Verstoß der §§ 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, 15 Abs. 4b UStG gegen das GATS führt nicht zur Unanwendbarkeit dieser Normen. Das GATS gewährt dem Einzelnen keine subjektiven Rechte. Etwaige Verstöße sind nur im Rahmen eines von den Mitgliedstaaten einzuleitenden Verfahrens zu überprüfen.[4]

[2] Art. II Abs. 2 GATS.
[4] Vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.6.2023, 2 K 2072/22, EFG 2023 S. 1493 zu der Frage, ob ein Drittlands-Unternehmer, der über ein inländisches Verbindungs-/Repräsentationsbüro verfügt, im Allgemeinen Besteuerungsverfahren zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er nur aufgrund der Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger im Reverse-Charge-Verfahren zur Abgabe von USt-Erklärungen verpflichtet ist und keine Gegenseitigkeit besteht; Rev. eingel., Az. des BFH: XI R 27/23.

1.2.2 Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Verwaltung

Nach dem EuGH-Urteil vom 28.6.2007[1] ist der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 1 Nr. 1 der 13. EG-Richtlinie der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Der Sitz wird in einem solchen Fall von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, insbesondere aber vom statutarischen Sitz.

Weiter spielen eine Rolle der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik der Gesellschaft bestimmt wird. Andere Kriterien wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden.

1.2.3 Unterschrift durch Bevollmächtigten

Nach dem EuGH-Urteil vom 3.12.2009[1] bedarf es für Erstattungsanträge von EU-Unternehmern keiner vom Unternehmer selbst geleisteten eigenhändigen Unterschrift. Diese kann auch von einem bevollmächtigten Vertreter stammen. Für das Erstattungsverfahren nach der 13. EG-Richtlinie hat das EuGH-Urteil grundsätzlich keine Bedeutung. Die 13. EG-Richtlinie sieht (anders als die 8. EG-Richtlinie) in Art. 2 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass für die Antragstellung ein Bevollmächtigter bestellt werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der 13. EG-Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten die Modalitäten für die Antragstellung.

[1] EuGH, Urteil v. 3.12.2009, C-433/08, IStR 2010 S. 30, BFH/NV 2010 S. 380.

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