Zum Jahreswechsel sollte noch einmal für die Veranlagungen der vergangenen Jahre überprüft werden, ob evtl. strittige Sachverhalte zu Änderungen des Umsatzsteuerrechts führen könnten. In diesem Zusammenhang sollten immer die wichtigen, gerade beim EuGH oder beim BFH anhängigen Verfahren beachtet werden – um ggf. für Altjahre noch durch einen Einspruch die Festsetzungsverjährung zu hemmen. Wichtige Fragen, die derzeit vom EuGH bzw. vom BFH zu klären sind, sind insbesondere:

  • Dienstwagenüberlassung als entgeltlicher Umsatz: Das FG des Saarlandes[1] hatte den EuGH angerufen, um klären zu lassen, ob es sich bei der Überlassung eines Fahrzeugs an das Personal um eine entgeltliche Leistung (tauschähnlicher Umsatz) oder um eine unentgeltliche Wertabgabe handelt. Der EuGH[2] hatte dazu entschieden, dass eine entgeltliche Überlassung (Vermietung) nur dann vorliegen könne, wenn das Personal eine Zahlung leisten würde, auf einen Teil der Barvergütung verzichten würde oder der Anspruch auf die Nutzung des Fahrzeugs mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden wäre. Allein die ertragsteuerrechtliche Qualifizierung als geldwerter Vorteil würde umsatzsteuerrechtlich noch keinen Leistungsaustausch begründen. Das FG des Saarlandes[3] hatte dann entschieden, dass in einem Fall eine entgeltliche Vermietung und in einem anderen Fall eine unentgeltliche Überlassung vorliegen würde. Gegen den als Urteil geltenden Gerichtsbescheid ist Revision beim BFH eingelegt worden.
  • Zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ist immer noch die Grundsatzfrage anhängig, ob der Organträger oder der gesamte Organkreis Unternehmer i. S. d. UStG ist. Hier haben sowohl der V. Senat[4] des BFH als auch der XI. Senat[5] den EuGH angerufen. Die Frage, ob im Falle der Organschaft der Organträger der Unternehmer und damit der Träger aller umsatzsteuerrechtlichen Rechte und Pflichten ist (so die bisherige Rechtsauffassung in Deutschland) oder ob der Organkreis (die Mehrwertsteuergruppe im unionsrechtlichen Sinne) als Unternehmer anzusehen ist, kann insbesondere für die ordnungsgemäße Adressierung der Steuerbescheide Bedeutung haben.
  • Die Frage der Nebenleistung in der Immobilienwirtschaft wird sowohl den BFH als auch den EuGH in verschiedenen Sachverhalten beschäftigen.

    • Die grundsätzliche Frage, ob und in welchem Umfang Nebenkosten i. Z. m. Vermietungsleistungen Nebenleistungen darstellen, wird – nachdem der EuGH 2015[6] zumindest in bestimmten Fällen eine eigenständige Leistung für möglich hielt – den BFH beschäftigen. Nachdem das FG Münster[7] den Vorsteuerabzug aus einer neu errichteten Heizungsanlage gewährt hatte, muss der BFH[8] nun darüber entscheiden, ob die Energielieferung, die ein Wohnungsvermieter an seine Wohnungsmieter erbringt, dann keine (steuerfreie) Nebenleistung zur Vermietungsleistung darstellt, wenn die Energielieferungen über Mietnebenkostenabrechnungen gesondert für jeden Mieter abgerechnet werden und die Mieter den Energieverbrauch individuell regeln können.
    • Der EuGH[9] muss darüber entscheiden, ob bei der Überlassung von Betriebsvorrichtungen i. Z. m. der Vermietung von Immobilien ein Aufteilungsgebot gilt oder nicht. Im Fall der steuerfreien Verpachtung eines Putenstalls ist streitig, ob die Überlassung der in dem Stall installierten speziellen Fütterungsanlage als Nebenleistung steuerfrei ist oder aufgrund eines gesetzlichen Aufteilungsgebots[10] umsatzsteuerpflichtig ist.
  • Zur Frage des Zeitpunkts des Vorsteuerabzugs steht ein wichtiges Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH[11] kurz vor dem Abschluss. Nach bisheriger nationaler Rechtsauffassung ist es für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers unter den weiteren Bedingungen nicht von Bedeutung, ob der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten[12] oder nach vereinnahmten Entgelten[13] besteuert. Nach Auffassung des Generalanwalts beim EuGH[14] kann der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus ausgeführten und durch ordnungsgemäße Rechnung belegten Eingangsleistungen in den Fällen, in denen beim leistenden Unternehmer die Umsatzsteuer erst mit Zahlungszufluss entsteht (Istbesteuerung), erst dann abziehen, wenn er selbst die Zahlung geleistet hat. In solchen Fällen muss der leistende Unternehmer auf die besondere Regelung zur Steuerentstehung bei ihm in der Rechnung hinweisen.[15]
[2] EuGH, Urteil v. 20.1.2021, C-288/19 (QM), BFH/NV 2021 S. 527.
[4] BFH, Beschluss v. 7.5.2020, V R 40/19, BFH/NV 2020 S. 839; beim EuGH anhängig unter C- 269/20 (S).
[5] BFH, Beschluss v. 11.12.2019, XI R 16/18, BFH/NV 2020 S. 598; beim EuGH anhängig unter C-141/20 (Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH).
[6] EuGH, Urteil v. 16.4.2015, C-42/14 (Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie), BFH/NV 2015 S. 941.
[8] Beim BFH anhängig unter V R 15/21.

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