Zum Jahreswechsel sollte noch einmal für die Veranlagungen der vergangenen Jahre überprüft werden, ob evtl. strittige Sachverhalte zu Änderungen des Umsatzsteuerrechts führen könnten. In diesem Zusammenhang sollten immer die wichtigen, gerade beim EuGH oder beim BFH anhängigen Verfahren beachtet werden – um ggf. für Vorjahre noch durch einen Einspruch die Festsetzungsverjährung zu hemmen. Wichtige Fragen, die derzeit vom EuGH bzw. vom BFH zu klären sind, sind insbesondere:

  • Die Frage der Nebenleistung in der Immobilienwirtschaft beschäftigt immer noch sowohl den BFH als auch den EuGH in verschiedenen Sachverhalten.

    • Die grundsätzliche Frage, ob und in welchem Umfang Nebenkosten i. Z. m. Vermietungsleistungen Nebenleistungen darstellen, wird – nachdem der EuGH 2015[1] zumindest in bestimmten Fällen eine eigenständige Leistung für möglich hielt – den BFH beschäftigen. Nachdem das FG Münster[2] den Vorsteuerabzug aus einer neu errichteten Heizungsanlage gewährt hatte, muss der BFH[3] nun darüber entscheiden, ob die Energielieferung, die ein Wohnungsvermieter an seine Wohnungsmieter erbringt, dann keine (steuerfreie) Nebenleistung zur Vermietungsleistung darstellt, wenn die Energielieferungen über Mietnebenkostenabrechnungen gesondert für jeden Mieter abgerechnet werden und die Mieter den Energieverbrauch individuell regeln können.
    • Der EuGH[4] muss darüber entscheiden, ob bei der Überlassung von Betriebsvorrichtungen i. Z. m. der Vermietung von Immobilien ein Aufteilungsgebot gilt oder nicht. Im Fall der steuerfreien Verpachtung eines Putenstalls ist streitig, ob die Überlassung der in dem Stall installierten speziellen Fütterungsanlage als Nebenleistung steuerfrei ist oder aufgrund eines gesetzlichen Aufteilungsgebots[5] umsatzsteuerpflichtig ist.

       
      Hinweis

      Zweifel auch am Aufteilungsgebot bei Beherbergungsleistungen

      Aufgrund des beim EuGH anhängigen Verfahrens zu den Aufteilungsgeboten hat der BFH[6] i. Z. m. dem zweiten Aufteilungsgebot im deutschen Steuerrecht, der Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes für mit kurzfristiger Vermietung zu Beherbergungszwecken verbundenen Nebenleistungen[7], Zweifel und hat einem Hotelier, der seine Leistungen (auch Zugang zum SPA-Bereich, Frühstück) einheitlich dem ermäßigten Steuersatz unterworfen hat, Aussetzung der Vollziehung gewährt.

  • Zur Frage der Besteuerung von Kurortgemeinden hat der BFH[8] den EuGH angerufen. Es geht um die Frage, ob eine Gemeinde eine wirtschaftliche Tätigkeit ("Kurtaxe gegen Bereitstellung Kureinrichtung") ausübt, wenn die Einrichtung auch nicht kurtaxepflichtigen Personen offensteht. Wenn es eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen sollte, ergibt sich weiterhin die Frage, ob die Prüfung, ob die Behandlung als "Nichtunternehmer" nach § 2b UStG zur Wettbewerbsverzerrung führt, nur auf das Gemeindegebiet zu beziehen ist.
  • Nachdem sich der EuGH schon 2018 mit der Frage der Differenzbesteuerung[9] nach einem innergemeinschaftlichen Erwerb beschäftigen musste, ist derselbe Sachverhalt nun wieder dem EuGH im zweiten Durchgang vorgelegt worden. Der EuGH[10] hatte 2018 entschieden, dass ein Unternehmer, der Kunstgegenstände aus anderen Mitgliedstaaten erwirbt und im Inland einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuert, den Verkauf des Kunstgegenstands der Differenzbesteuerung entsprechend § 25a Abs. 2 UStG unterwerfen kann. Der Vorsteuerabzug aus der Erwerbsteuer ist dann aber ausgeschlossen. Nunmehr muss sich in diesem Fall der EuGH[11] damit befassen, ob die nicht abzugsfähige Erwerbsteuer des Händlers bei der Berechnung der Marge abzugsfähig ist oder nicht.
[1] EuGH, Urteil v. 16.4.2015, C-42/14 (Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie), BFH/NV 2015 S. 941.
[3] Beim BFH anhängig unter V R 15/21.
[6] BFH, Beschluss v. 7.3.2022, XI B 2/21 (AdV), BFH/NV 2022 S. 789.
[8] BFH, Beschluss v. 15.12.2021, XI R 30/19, BFH/NV 2022 S. 782. Beim EuGH anhängig unter C-344/22 (Gemeinde A).
[10] EuGH, Urteil v. 29.11.2018, C-264/17 (Harry Mensing), UR 2019 S. 32.
[11] BFH, Beschluss v. 20.10.2021, XI R 2/20, BFH/NV 2022 S. 567. Beim EuGH anhängig unter C-180/22 (Harry Mensing).

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