Whistleblowing in der Praxis

Grundlegend müssen sich die Arbeitgeber an die Regeln und Pflichten des Hinweisgeberschutzgesetzes halten, wobei der individuell zu gestaltende Spielraum eher klein ausfällt. Dabei sind grundlegende Entscheidungen des Arbeitgebers zu treffen, die bspw. die Anonymität des Whistleblowers oder auch den Schutz personenbezogener Daten betreffen.

Der Aufbau der Whistleblower Stelle richtet sich grundsätzlich nach den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes. Demnach ist der Aufbau, die individuelle Gestaltung aber auch der Umgang mit Meldungen zwar gesetzlich vorgegeben, ein gewisser Spielraum bleibt jedoch bestehen. Verpflichtungen sind beispielsweise die Einrichtung einer internen Meldestelle, sowie Vorgaben bezüglich des Umgangs (dreimonatige Frist), ob man jedoch einen anonymen Meldeweg ermöglicht, ist jedem Unternehmen selbst überlassen. Welche zusätzlichen Vorkehrungen (zuzüglich der verpflichtenden gesetzlichen) als sinnvoll erscheinen, hängt immer von der Unternehmensgröße ab. Die Interessen des Arbeitgebers gebieten es, stets zunächst einmal innerbetriebliche Hilfe einzufordern. Der Arbeitgeber soll nicht leichtfertig irgendwelchen Anschuldigungen ausgesetzt werden. Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip ist es jedoch für Arbeitnehmer zulässig, sich an Behörden bzw. externe öffentliche Stellen zu wenden, wenn sich der Arbeitnehmer zuvor ernsthaft um eine Klärung bemüht hat und die Anzeige auch nicht leichtfertig erfolgt ist – soweit der Arbeitgeber der Beschwerde nicht abhilft. Im Einzelfall kann auch von einer vorherigen internen Meldung ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es um schwerwiegende Straftaten geht, insbesondere wenn diese der Arbeitgeber selbst begeht.

Anonymität

Die Ermöglichung eines anonymen Meldeverfahrens liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber und ist gesetzlich nicht geregelt. Für Unternehmen gilt ein derartiges Verfahren lediglich als Empfehlung. Eine Ausnahme besteht für Unternehmen unter Bankaufsicht; hier besteht die Pflicht der Anonymität gem. § 25a I S. 6 Nr. 3 KWG. Es wird ein Prozess verlangt, der es den Mitarbeitern ermöglicht, „unter Wahrung der Vertraulichkeit und Identität" mögliche Verstöße zu berichten.  

Themenbereiche

Die Themenvielfalt im Whistleblowing ist sehr groß. Es kann sich dabei um jeden internen oder externen Regelverstoß handeln. Typische Fälle sind meistens Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften oder korrupte Handlungen. In einem Spannungsverhältnis zum Whistleblowing steht allerdings der strafbewehrte Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die strafrechtliche Seite ist daher zwingend in die Diskussion zum Whistleblower Schutz einzubeziehen. Die für den Whistleblower bestehenden strafrechtlichen Risiken ergeben sich insbesondere aus den strafbewehrten Geheimnisschutzvorschriften. In Betracht kommen Geheimnisschutzvorschriften aus dem Strafgesetzbuch (§§ 93 ff, 201 ff., 353b2, 355 StGB) und Vorschriften aus dem Nebenstrafrecht (§ 17 UWG, § 333 HGB, § 404 AktG, § 85 GmbHG, § 151 GenG, § 315 UmwG, § 19 PublG, § 120 BetrVG und § 138 VAG).

Das Whistleblowing könnte auch durch das Datenschutzrecht eingeschränkt sein. Bei jeder Anzeige im Rahmen eines betriebsinternen Whistleblowing Systems, welche das persönliche Verhalten eines Mitarbeiters betrifft, sind personenbezogene Daten gem. § 3 Abs. 1 BDSG betroffen, deren Erhebung, Verarbeitung und Nutzung an bestimmte Voraussetzungen zum Schutz der angezeigten Person geknüpft sind. Je nach Gegenstand des Hinweises kann sich dies jedoch gem. § 28 Abs. 1 BDSG als zulässig erweisen. Mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Prinzipien der Fairness und Transparenz ist dabei jedoch das anonyme Anzeigen problematisch. § 4 Abs. 2 BDSG macht deutlich, dass dem Betroffenen grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden muss, über personenbezogene Daten selbst zu entscheiden, was sich zum Teil jedoch schwierig gestaltet.

Konsequenzen

Nachdem ein Hinweis eingegangen ist und die Vermutung einer Rechtsverletzung nahe liegt, stellt sich natürlich die Frage, welche Konsequenzen daraus folgen und ob eine Ermittlungspflicht besteht.

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber selbst zu entscheiden, ob und wie er selbst ermittelt und ob er die gewonnenen Ergebnisse an eine Behörde weiterleitet. Eine mittelbare Pflicht kann sich für den Betriebsinhaber aus § 130 Abs. 1 OWiG ergeben. Ansonsten wird der Grundsatz noch teilweise von Anzeige- und Ermittlungspflichten des Straf- und Aufsichtsrechts überlagert. Siehe Näheres dazu unten.

Hinweisverfahren und interne Richtlinien

Ein höchst vertraulicher Kommunikationskanal zwischen den Whistleblowern und dem Fallbetreuer ist der Kernpunkt eines Whistleblower Systems in Deutschland. Es gibt genügend zuverlässige Dienstleister, welche die geeignete Technologie, IT-Sicherheit, Datenschutz und Expertise für ein solches elektronisches System mit Fallmanagement (auch Case Management genannt) am Markt anbieten. Das Whistleblowing-System, das die Unternehmensorganisation abbildet, sollte in einem Prozessmanagementsystem integriert sein. Dieses System übernimmt die Steuerung der Fälle, so dass die Hinweise ihre richtigen Ansprechpartner sofort erreichen können. Das interne Verfahren, das sich unter dieser Steuerung versteckt, ist von jeder Organisation selbst zu bestimmen: Geltungsbereich, Anonymität, Maßregelungsschutz etc. Es gibt kein spezifisches Gesetz in Deutschland, das das interne Verfahren und die Abstimmungsrunde vorsieht. Das Verfahren sollte vorab mit dem Datenschutzbeauftragten geprüft und mit dem Vorstand und/oder der Arbeitnehmervertretung z.B. Betriebsrat abgestimmt werden. Das interne Whistleblowing Verfahren ist dagegen eine interne Angelegenheit und soll nicht detailliert im Verhaltenskodex auftauchen, da es sich dabei oft um eine öffentliche Richtlinie auf der Webseite des Unternehmens handelt. Es sollte in einem separaten Dokument festgehalten werden. Dieses Dokument kann auch eine Betriebsvereinbarung sein.