Diese Steuerkanzlei bietet Mitarbeitern eine Workation

Die Steuerberatung hat ein Image-Problem und Fachkräfte sind rar. Kanzleiinhaber Ken Berger steuert aktiv dagegen und bietet seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern attraktive Möglichkeiten: Sie können dem grauen deutschen Winter während ihrer Arbeitszeit entfliehen und von der „Feiertagsgarantie“ der Kanzlei profitieren.

Herr Berger, Sie werben damit, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihnen unter Palmen arbeiten können. Ist es in Ihrer Kanzlei in Dresden so warm?

Nein, leider nicht. Der vergangene Winter war anstrengend für unsere Kanzlei. Es gab viel zu tun und am Anfang des Jahres war bei uns allen die Luft raus. Ich wollte meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Anreize setzen und da meine Eltern zu der Zeit in Mallorca waren und von den vielen Sonnenstunden geschwärmt hatten, dachte ich mir, dass ich meinem Team doch auch ein Homeoffice auf Mallorca anbieten könnte.

Ken Berger

Wie haben Sie aus diesem Wunsch Wirklichkeit werden lassen?

Ich habe mich auf die Suche nach einer passenden Immobilie zur Miete in Mallorca begeben und bin fündig geworden. Parallel habe ich mich arbeitsrechtlich beraten lassen, da gab es keine großen Herausforderungen. Mir war es wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Haus nutzen können, auch die, die aus familiären Gründen nicht von dort arbeiten können. Deshalb gibt es jetzt grob gesagt drei Modelle: Wer in der Immobilie lebt, um dort zu arbeiten, übernimmt die Reisekosten. Wer dort arbeitet und seinen Partner oder seine Partnerin mitnimmt, übernimmt die anteiligen Kosten des Partners und wer in der Immobilie Urlaub machen will, übernimmt die Kosten komplett selbst. So sind wir meiner Einschätzung nach steuerrechtlich auf der sicheren Seite.

Das klingt nach einigen Hürden, die Sie nehmen mussten.

Ich bin Unternehmer und als Unternehmer trägt man bei jeder Entscheidung, die man trifft, ein gewisses Risiko. Damit muss man leben. Ich möchte eine Idee nicht monate- oder jahrelang mit mir rumtragen, sondern diese zügig umsetzen.


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Wie haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Angebot reagiert?

Die waren zunächst einmal positiv überrascht, aber anfangs auch zögerlich. Spontan von Mallorca aus zu arbeiten, ist gar nicht so einfach. Innerhalb von vier Wochen wurden die Buchungen schließlich immer mehr, sodass das Haus in diesem Jahr fast immer bewohnt war.


Wir bekamen überdurchschnittlich viele Bewerbungen.


Welche Reaktionen haben Sie noch bekommen?

Ich habe mediale Aufmerksamkeit erhalten, aber was noch viel erfreulicher war, waren natürlich die Bewerbungen, die darauf folgten. Wir hatten überdurchschnittlich viele davon. Wir hatten eine große Auswahl und konnten fünf neue Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter einstellen.


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„Arbeiten unter Palmen“ ist nicht der einzige Slogan, mit dem Sie für die Arbeit in Ihrer Kanzlei werben. Sie tragen das Siegel „Exzellenter Arbeitgeber“ und versprechen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch eine Feiertagsgarantie.

Genau, die Feiertagsgarantie begann bei uns am 1. Mai 2022. Der fiel dieses Jahr, wie so viele Feiertage in den vergangenen Jahren, auf ein Wochenende.  In manchen Ländern werden solche Feiertage „nachgeholt“. In Deutschland ist das nicht der Fall. Aber ich habe den Gedanken schon länger mit mir rumgetragen und dann entschieden, dass wir das bei uns in der Kanzlei auch so machen: Wenn ein beweglicher Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag fällt, nehmen wir den Freitag davor frei.

Die Idee fanden Sie so gut, dass Sie sich den Begriff „Feiertagsgarantie“ markenrechtlich schützen ließen. Fürchten Sie Nachahmer?

Es geht mir dabei um den Werbeeffekt. Ich möchte damit werben, der einzige deutsche Arbeitgeber zu sein, der eine Feiertagsgarantie bietet. Aber tatsächlich habe ich schon anderen Unternehmen gestattet, den Begriff zu verwenden. In der Branche und bei uns in der Region möchte ich dieses Alleinstellungsmerkmal aber gerne behalten. Die Fachkräfte in der Steuerbranche sind begehrt. Manchen Kanzleiinhaber werben mit der Vier-Tage-Woche oder der 25-Stunden-Woche, ich werbe eben mit der Feiertagsgarantie und dem Arbeiten unter Palmen.


Die heranwachsende Generation hat nun einmal andere Vorstellungen von Arbeit. Da hilft es nichts, sich zu ärgern. Wir müssen uns einfach darauf einlassen.


Wieso legen Sie so viel Wert auf diese ausgefallene Art der Kanzleiwerbung?

Es ist mir ein großes Anliegen, dass sich in Zukunft mehr junge Menschen für eine Karriere in einer Steuerkanzlei interessieren. Die Arbeit in einer Steuerkanzlei gilt als unattraktiv. Das ist sie zwar nicht, aber sie hat ein schlechtes Image und das schon lange. Jetzt haben wir mit einem massiven Fachkräftemangel zu kämpfen und müssen kreativ werden. Wir müssen die Vorteile, die die Arbeit in einer Steuerkanzlei mit sich bringt, stärker kommunizieren. Dazu gehört, dass wir von überall aus arbeiten können. Ein Busfahrer kann das nicht. Wir als Branche sollten uns nicht gegenseitig die Fachkräfte wegnehmen, sondern alles dafür tun, dass die Berufe als attraktiv wahrgenommen werden. Und die heranwachsende Generation hat nun einmal andere Vorstellungen von Arbeit. Da hilft es nichts, sich zu ärgern. Wir müssen uns einfach darauf einlassen.


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Die Realität sieht allerdings anders aus. Erst wenige Steuerkanzleien nutzen beispielsweise die Vorzüge des Homeoffice.

Das hängt eng mit dem Digitalisierungsgrad einer Kanzlei zusammen. Wenn ich lese, dass mehr als 40 Prozent der DATEV-Mitglieder keinen digitalen Beleg im Rechenzentrum haben, wundere ich mich, wie diese Kanzleien während des Lockdowns gearbeitet haben. Dazu kommt das Führungsverständnis mancher Kolleginnen und Kollegen. Ich agiere in meiner Kanzlei nicht wie der Patriarch. Ich bin für alle der Ken. Das heißt nicht, dass ich keine Verantwortung trage oder nicht auch mal ein Machtwort spreche, aber ich muss meine Position nicht mit irgendwelchen Statussymbolen aufladen. Ich bin zuversichtlich, dass es in immer mehr Steuerkanzleien ein Umdenken gibt und wir mit kreativen Ideen die Attraktivität der Branche steigern können.

Haben Sie für Ihre Kanzlei noch mehr Ideen im Sinn?

Das nächste Thema, mit dem ich mich befassen möchte, ist sicherlich das Thema Arbeitszeit. Aber zuvor wollen wir in der Kanzlei erst einmal testen, wie wir effizienter arbeiten können. Die Ideen gehen mir also nicht aus.


Zur Person

Ken Berger ist Steuerberater und Inhaber der Kanzlei Ken Berger in Dresden. Sein Team besteht aus 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.