Leitsatz

Das Wahlrecht nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG auf rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009 auf Erwerbe von Todes wegen, für die die Steuer nach dem 31.12.2006 und vor dem 1.1.2009 entstanden ist, konnte bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung, längstens bis einschließlich 30.6.2009, ausgeübt werden.

 

Normenkette

§ 115 Abs. 2 FGO, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und 3 ErbStRG

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige ist Alleinerbe seines 2007 verstorbenen Vaters. Das FA setzte gegen ihn mit Bescheid vom 10.3.2009 Erbschaftsteuer fest; der Einspruch blieb erfolglos. Im Rahmen des Klageverfahrens beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 31.3.2010 nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG die Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung. Diesem Antrag entsprach das FA wegen der verspäteten Antragstellung nicht; die Klage hatte ­insoweit keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 16.4.2012, 4 K 3893/09, Haufe-Index 3529696).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen und sieht die Begrenzung der Antragsfrist des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG bis längstens 30.6.2009 als geklärt an.

 

Hinweis

Die durch das ErbStRG vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) geänderten Vorschriften des ErbStG waren erstmals auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entstand (§ 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. d. ErbStRG). Hiervon abweichend gewährte jedoch Art. 3 Abs. 1 ErbStRG ein Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung der durch das ErbStRG geänderten Vorschriften (mit Ausnahme der neuen Freibetragsregelungen, § 16 ErbStG). Dieses Wahlrecht betraf Erwerbe von Todes wegen, für die die Steuer nach dem 31.12.2006 und vor dem 1.1.2009 entstanden war. Mit diesem Wahlrecht sollten eine etwaige verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung des ab 1.1.2009 anzuwendenden Rechts ausgeschlossen werden. In Art. 3 Abs. 2 ErbStRG war ein entsprechendes Wahlrecht für die Fälle bestimmt, in denen die Erbschaftsteuer bereits vor dem 1.1.2009 festgesetzt worden war; dieses Wahlrecht konnte innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten des ErbStRG gestellt werden. Der gesamte Art. 3 ErbStRG trat bereits am 1.7.2009 wieder außer Kraft (Art. 6 Abs. 3 ErbStRG).

1. Problematisch ist, innerhalb welcher Antragsfrist das Wahlrecht nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG ausgeübt werden konnte. Diese Vorschrift enthält – anders als in Art. 3 Abs. 2 ErbStRG – hierzu keine ausdrückliche Regelung. Gleichwohl ist schon aus den Gesetzesmotiven abzuleiten, dass der Antrag nur innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten des ErbStRG – also bis längstens zum 30.6.2009 – sollte gestellt werden können.

Ausgehend von diesen Gesetzesmotiven wird die Begrenzung der Antragsfrist auch aus dem Außerkrafttreten des Art. 3 ErbStRG bereits zum 1.7.2009 ersichtlich. Nicht ganz unzweifelhaft ist allerdings, ob das Antragsrecht nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG mit dem Außerkrafttreten dieser Vorschrift automatisch entfallen war. Denn das Antragsrecht war nach den Regeln des intertemporalen Rechts materiell-rechtlich schon mit Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG entstanden und konnte mit Außerkrafttreten dieser Regelung nicht mehr entfallen.

2. Für die Praxis ist darauf hinzuweisen, dass bei Versäumung der Antragsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist, weil es bei Art. 3 Abs. 1 ErbStRG um eine Ausschlussfrist handelt. Allerdings sind die Finanzämter in dieser Frage – jedenfalls in der Vergangenheit – eher flexibel verfahren (vgl. Pilz-Hönig, Zerb 2011, 9).

Ist rechtzeitig ein Antrag nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG gestellt worden, kann dieser bis zur Unanfechtbarkeit des Erbschaftsteuerbescheids widerrufen werden. Eine zeitliche Grenze für dieses Widerrufsrecht besteht nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 21.11.2012 – II B 78/12

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