Leitsatz (amtlich)

Beim Versand von zum regelmäßigen Verkaufspreis bezogenem, mit der Branntweinsteuer belastetem Branntwein auf Branntweinbegleitschein hat der Begleitscheinnehmer die von ihm im Begleitschein übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Das bedeutet, daß er, sofern der Branntwein vor der Wiedergestellung in den freien Verkehr gelangt ist, für die auf diesem ruhenden Abgaben ohne Rücksicht auf ein Verschulden haftet, soweit nicht die gesetzlichen Vorschriften eine Haftung ausschließen.

§ 14 Abs. 2 VwO hat, soweit darin von Abgaben die Rede ist, nur deklaratorische Bedeutung.

 

Normenkette

BrMonG § 84 a. F; BrMonG § 91; VwO § 14; StAnpG § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Firma X beantragte am 1. Dezember 1964 im Auftrag und für Rechnung der Klägerin beim Zollamt (ZA) Y die Ausfertigung eines Branntweinbegleitscheines für 1 199,6 Liter Weingeist (l W), den die Klägerin von der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMV) gekauft hatte. Der Fahrer der Speditionsfirma, dem die beiden Fässer mit dem Branntwein und zwei weitere Fässer vergällten Branntweins für die Städtischen Krankenanstalten Z zur Beförderung an die Empfänger übergeben worden waren, verwechselte bei der Ablieferung die Fässer. Er lud bei der Klägerin die Fässer mit dem vergällten Branntwein und bei den Städtischen Krankenanstalten Z die Fässer mit dem unvergällten Branntwein ab. Während der reine Branntwein in die Lagerbehälter der Krankenanstalten gepumpt und mit den darin befindlichen Restbeständen an vergälltem Branntwein vermischt wurde, bemerkte der beim Abladen der Fässer nicht anwesende Destillateur der Klägerin den Irrtum erst, als der Kraftfahrer schon abgefahren war.

Mit Steuerhaftungsbescheid vom 1. Februar 1965 forderte das Hauptzollamt (HZA) von der Klägerin für 1 199,6 l W 11 996 DM Branntweinsteuer. Der Einspruch gegen den auf § 14 Abs. 2 der Branntweinverwertungsordnung (VwO) gestützten Steuerhaftungsbescheid blieb erfolglos. Die Klage führte zur ersatzlosen Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Steuerhaftungsbescheids. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß der angefochtene Steuerhaftungsbescheid einer gültigen Rechtsgrundlage entbehre. § 14 Abs. 2 VwO in der Fassung der Verordnung vom 1. Juni 1962 und § 25 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 bis 5 VwO schieden als Rechtsgrundlage aus und andere Rechtsgrundlagen bestünden nicht.

Mit seiner Revision beantragt das HZA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Auffassung des FG, § 14 Abs. 2 VwO sei bereits 1948 als Grundlage für die Haftung des Begleitscheinnehmers für Branntweinabgaben unbrauchbar geworden, stehe im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH VII 49/61 vom 28. März 1962 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1962 S. 177 – ZfZ 1962, 177 –), in dem die Inanspruchnahme des Begleitscheinnehmers als Haltender für Branntweinaufschlag als Rechtens bestätigt worden sei.

Das FG verkenne die Bedeutung, die § 14 Abs. 2 VwO von 1922 an habe zukommen sollen und tatsächlich auch zugekommen sei. Diese Vorschrift sei das Pendant zu den schon seit 1919 bestehenden Verkaufsbedingungen der BMV, nach denen der Bezieher von Branntwein die Gefahr der Versendung trage. Beim Vollkauf bedeute das, daß der Bezieher etwaige Branntweinverluste, die nach der Überlassung des Branntweins an ihn oder seinen Beauftragten einträten, in Höhe des regelmäßigen Verkaufpreises, also einschließlich der Hektolitereinnahme/Branntweinsteuer zu tragen habe. § 14 Abs. 2 VwO enthalte also eine im Ergebnis gleiche Regelung des Versendungsrisikos beim Begleitscheinversand.

Bei wörtlicher Auslegung hätte der Begleitscheinnehmer früher allerdings nur für die auf dem Branntwein ruhenden Ansprüche der Reichsmonopolverwaltung gehaftet. Zu diesen Ansprüchen hätten an sich keine Steuern gehört. Das Begleitscheinverfahren habe jedoch auch für eingeführten Branntwein gegolten, der dem regelmäßigen Monopolausgleich – einer Steuer im Sinne der AO; § 151 Abs. 2 des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG) a. F. – unterlegen habe. Das ergebe sich aus § 91 Abs. 2 BrMonG in Verbindung mit § 67 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen (Grundbestimmungen) zum Gesetz über das Branntweinmonopol (GB) a. F. In dieser Vorschrift sei unter Hektolitereinnahme der ihr entsprechende Teil des regelmäßigen Monopolausgleichs zu verstehen gewesen.

Aus der Versendung des eingeführten Branntweins „unter Belastung mit der Hektolitereinnahme”, die in diesem Falle eine Verbrauchsteuer gewesen sei, habe sich von Anbeginn an selbstverständlich und folgerichtig ergeben, daß sich das für die Allgemeinheit ergebende Risiko eines Einnahmeausfalles in gleicher Weise wie bei der Versendung von Monopolsprit nach § 14 Abs. 2 VwO abgedeckt werde. Hinzu komme, daß nach dem Urteil des BFH VII 188/57 S vom 26. März 1963 (BStBl III, 282, 286) auch der Branntweinaufschlag von jeher eine Steuer gewesen sei, so daß dem Gesetz vom 21. Oktober 1948 insoweit nur deklaratorische Bedeutung zugekommen sei.

Aus alledem folge, daß sich die Haftung nach § 14 Abs. 2 VwO von Anfang an sowohl auf Abgaben wie auf Ansprüche der BMV erstreckt habe.

Die Umwandlung der Hektolitereinnahme in eine Verbrauchsteuer könne hiernach nicht dazu geführt haben, daß die Haftung des Begleitscheinnehmers für die Branntweinsteuer oder den Branntweinaufschlag weggefallen sei. Dementsprechend habe die Änderung des § 14 Abs. 2 VwO auch nicht auf die Begründung einer neuen, sondern lediglich auf die Verdeutlichung einer für den Begleitscheinnehmer bereits vorhandenen Haftung abgezielt, nämlich für die auf dem versandten Branntwein ruhenden Abgaben und für die Ansprüche der BMV.

Mit der Änderung sei keine neue Norm gesetzt worden, die nur der Gesetzgeber hätte setzen können, sondern es sei eine bereits vorhandene Norm lediglich besser lesbar und verständlich gemacht worden. Als Grundlage für die Änderung habe deshalb jede Ermächtigung genügt, die redaktionelle Änderungen gestatte. Es könne dahingestellt bleiben, ob § 47 Abs. 1 Nr. 2 BrMonG diese Voraussetzung erfülle. Die Ermächtigung sei jedenfalls in § 178 BrMonG gegeben. Aber auch, wenn die abweichende Auffassung des FG zuträfe, die Änderung des § 14 Abs. 2 VwO hätte allenfalls auf § 3 des Gesetzes vom 21. Oktober 1948 gestützt werden können, so sei das im Ergebnis ohne Bedeutung; wie dargelegt worden sei, habe der Begleitscheinnehmer schon nach der früheren Fassung des § 14 Abs. 2 VwO als Haftender für Branntweinabgaben in Anspruch genommen werden können.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung schließt sie sich den Ausführungen der Vorentscheidung an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

Durch Art. I des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 27 vom 10. Mai 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats 1946 S. 149) ist die Hektolitereinnahme im Sinne des § 84 BrMonG a. F. in eine Steuer umgewandelt worden. In dem Gesetz des Wirtschaftsrats zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 S. 103 – WiGBl 1948, 103 –) heißt es in § 1 Nr. II, daß die Steuer nach Nr. I – hier sind für Branntwein je nach Verwendungszweck verschiedene Steuersätze festgesetzt – und die Steuer für ablieferungsfreien und ablieferungspflichtigen, aber nicht abgelieferten Branntwein (Branntweinaufschlag im Sinne des § 78 BrMonG) Verbrauchsteuern im Sinne der AO sind (vgl. dazu Hoppe-Heinricht, Kommentar zum Gesetz über das Branntweinmonopol vom 8. April 1922, Bd. I Anm. 1 zu § 84).

Nach § 3 Abs. 1 StAnpG entsteht die Steuerschuld, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuer knüpft. Weder das KRG Nr. 27 noch das Änderungsgesetz vom 21. Oktober 1948 sagen etwas darüber, wann die Branntweinsteuerschuld entsteht, auch nicht das BrMonG. Der Zeitpunkt der Entstehung der Branntweinsteuerschuld kann aber § 84 BrMonG in der hier maßgebenden Fassung entnommen werden, wonach von dem zu regelmäßigen Verkaufspreisen (§ 90 BrMonG) abgesetzten Branntwein ein als Hektolitereinnahme bezeichneter bestimmter Betrag als Reineinnahme an die Bundeskasse abzuführen war.

Aus dieser Vorschrift muß gefolgert werden, daß die Branntweinsteuerschuld mit dem „Absetzen” entsteht, also für den Regelfall in dem Zeitpunkt, in welchem der Branntwein den Bereich der BMV verläßt und der Bezieher den Besitz an dem Branntwein erlangt, der Branntwein also in den freien Verkehr tritt (vgl. Hepp, „Rechtsschutz in Branntweinmonopolsachen” in „Die Alkoholindustrie” 1959 S. 419 und Hoppe-Heinricht, a. a. O., Anm. 2 zu § 84). Die vorgenannten Gesetze sagen auch nichts darüber, wer Schuldner der Branntweinsteuer ist. Wenn aber die Branntweinsteuerschuld mit dem Absetzen des Branntweins durch die BMV entsteht und diese nach § 84 BrMonG anstelle der bisherigen Hektolitereinnahme die Steuer an die Bundeskasse abzuliefern hat, ist es folgerichtig, die BMV für den Regelfall als Steuerschuldnerin anzusehen (vgl. Hepp, a.a.O.; Hoppe-Heinricht, a. a. O.; Mundt in ZfZ 1949, 10; Kuehn in ZfZ 1949, 259; Mensching in ZfZ 1954, 294; Müller in ZfZ 1962, 353).

Im Streitfall hatte die Klägerin von der BMV Branntwein gekauft, der von Y mit Begleitschein zur Klägerin nach Z verbracht werden sollte. Nach § 91 Abs. 1 BrMonG kann von der BMV, zu regelmäßigen Verkaufpreisen abgegebener Branntwein, der unter amtlicher Überwachung versandt wird, mit dem der Hektolitereinnahme entsprechenden Teil des regelmäßigen Verkaufpreises belastet bleiben, bis er in den freien Verkehr übergeht. Nachdem an die Stelle der Hektolitereinnahme die Branntweinsteuer getreten ist, bedeutet das, daß der Branntwein bei Versendung unter amtlicher Überwachung mit der Branntweinsteuer belastet bleiben kann, bis er in den freien Verkehr tritt. Die vorgenannten Gesetze enthalten keine Vorschriften darüber, wann im Falle der Versendung von Branntwein mit Begleitschein die Steuerschuld entsteht und wer Steuerschuldner wird. Es kann aber dahingestellt bleiben, wann bei der Versendung von Branntwein unter amtlicher Überwachung im Sinne des § 91 BrMonG, wobei Branntweinbegleitscheine zu verwenden sind (§ 1 VwO), die Branntweinsteuerschuld entsteht, sei es mit dem Absetzen (Übergabe) an den Bezieher oder mit dem Eintritt in den freien Verkehr, ob sie unbedingt oder bedingt entsteht und wer Schuldner der Branntweinsteuer ist (vgl. dazu Hepp, a. a. O.; Bitzer in ZfZ 1960, 299, 301, und Müller, a.a.O., außerdem Urteile des BFH V z 133/53 S vom 10. September 1954, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 59 S. 336 – BFH 59, 338 –, BStBl III 1954, 342, Bundeszollblatt 1954 S. 440 – BZBl 1954, 440 – und V Z 189/57 vom 2. Mai 1958, ZfZ 1958, 280). Die Steuerschuld wird durch die Abfertigung zum Begleitscheinverfahren gesichert, ob sie nun schon entstanden ist oder nicht. In Anbetracht der Vergünstigung, die § 91 BrMonG gewährt, nämlich daß die für die Steuer haftende Ware (§ 121 AO) ohne vorherige Entrichtung des der Branntweinsteuer entsprechenden Teiles des Kaufpreises versandt werden darf, muß der Begleitscheinnehmer nämlich die Verpflichtungen übernehmen, wie sie in § 14 Abs. 1 VwO genannt sind. Danach ist der Begleitscheinnehmer insbesondere verpflichtet, die Ware unverändert und unter Erhaltung des amtlichen Verschlusses innerhalb der Gestellungsfrist der Empfangszollstelle unter Vorlage des Begleitscheins zu gestellen. Diese Verpflichtungen hat die Klägerin in ihrem Antrag auf Abfertigung des Branntweins auf Begleitschein vom 1. Dezember 1964 ausdrücklich und unterschriftlich übernommen. Sie haben zum selbstverständlichen Inhalt, daß der Begleitscheinnehmer das Risiko der Versendung des Branntweins trägt, vor allem, daß er für die auf der Ware ruhenden Abgaben haftet, wenn ein Haftungsfall eintritt. Das ist aber dadurch, daß der Branntwein in den freien Verkehr entnommen wurde und nicht wieder gestellt werden konnte, geschehen. Aus dem Wesen des Begleitscheinverfahrens als einer Sicherung der auf der Ware ruhenden Steuer ergibt sich, daß es dabei nicht darauf ankommen kann, ob den Begleitscheinnehmer ein Verschulden trifft oder nicht. § 14 Abs. 2 VwO kann demnach, jedenfalls soweit er vorschreibt, daß der Begleitscheinnehmer bis zur Erledigung des Begleitscheins für die auf dem Branntwein ruhenden Abgaben haftet, nur deklaratorische Bedeutung haben, so daß der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob diese Vorschrift eine gültige Rechtsgrundlage für den gegen die Klägerin erlassenen Steuerhaftungsbescheid darstellt.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß nach Abschnitt V Nr. 3 der im maßgebenden Zeitpunkt geltenden Bezugsbedingungen der BMV vom 23. Oktober 1948 der Bezieher von unverarbeitetem Branntwein auch bei einem Vollkauf die Gefahr der Versendung hätte tragen müssen.

Nach allem kommt daher der Senat zu dem Ergebnis, daß die Klägerin, da ein Fall des § 32 VwO (Untergang des Branntweins) nicht vorliegt, zu Recht als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen worden ist.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage, da die Abgabenberechnung zutreffend ist, abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514753

BFHE 1973, 404

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