Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillig Versicherter. beitragspflichtige Einnahmen. Berücksichtigung von Verlustvorträgen nach § 20 Abs 6 EStG und Nichtberücksichtigung von steuerlichen Abzügen für außergewöhnliche Belastungen (hier: Pauschbetrag nach § 33b EStG)

 

Leitsatz (amtlich)

Einkünfte aus Kapitalvermögen sind für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte beitragspflichtig und über den Einkommenssteuerbescheid nachzuweisen. Verlustvorträge nach § 20 Abs 6 EStG sind dabei zu berücksichtigen, sie mindern die beitragspflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ohne beitragsrechtliche Auswirkungen bleiben steuerliche Abzüge für außergewöhnliche Belastungen (hier: Pauschbetrag nach § 33b EStG).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.06.2018 und die Bescheide der Beklagten vom 22.03.2016, 02.11.2016, 22.12.2016 und 08.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 sowie die Bescheide vom 12.01.2018 und 16.01.2019 aufgehoben, soweit die Beklagten bei der Beitragsbemessung Kapitaleinkünfte berücksichtigt haben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagten tragen zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) als freiwilliges Mitglied kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Mit Bescheid vom 29.09.2014 erhob die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) unter Zugrundelegung von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 971,21 € monatlich ab 01.08.2014 Beiträge in Höhe von 167,05 € (Krankenversicherung: 144,71 €; Pflegeversicherung: 22,34 €). Mit weiterem Bescheid vom 29.12.2014 berechnete die Beklagte zu 1) die Beiträge ab Januar 2015 in Höhe von 169,95 € monatlich neu.

Im April 2015 stellte die Beklagte zu 1) eine Einkommensanfrage, welche der Kläger trotz zweifacher Mahnung im Mai und Juli 2015 unbeantwortet ließ. Mit Beitragsbescheid vom 26.08.2015 stellte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.09.2015 in Höhe von 721,84 € monatlich neu fest und legte die Beitragsbemessungsgrenze der Beitragsberechnung zugrunde.

Hiergegen erhob der Kläger am 19.10.2015 Widerspruch und trug zur Begründung vor, er habe den Bescheid vom 26.08.2015 erst bei der persönlichen Vorsprache erhalten. Die aktuellen Einkommensnachweise habe er dem Widerspruch beigefügt. Am 03.12.2015 legte er (auszugsweise) den Einkommensteuerbescheid vom 30.09.2015 für das Jahr 2013 und am 17.03.2016 den Einkommensteuerbescheid vom 01.09.2014 für das Jahr 2012 vor. Der Einkommensteuerbescheid 2013 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 8.192 € und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.311 € aus. Eine Seite 3 mit den Angaben zu den Einkünften aus Kapitalvermögen war nicht beigefügt. Der Einkommenssteuerbescheid 2012 wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv -650 € und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 11.643 € aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 1.811 € und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 10.910 € ausgewiesen. Beiden Posten standen jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgegen, so dass sich eine Zwischensumme vor Abzug eines Sparerpauschbetrags von 0 ergab. Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs 1 EStG waren mit 0 ausgewiesen.

Mit weiterem Beitragsbescheid vom 29.12.2015 forderte die Beklagte zu 1) ab 01.01.2016 Höchstbeiträge in Höhe von 766,64 € und mahnte mit Schreiben vom 18.02.2016 die rückständigen Beiträge an.

Auf Grundlage des vorgelegten Einkommenssteuerbescheids 2012 erließ die Beklagte zu 1) unter dem 22.03.2016 Änderungsbescheide und forderte nunmehr Beiträge ab 01.10.2014 in Höhe von 191,98 € und ab 01.01.2015 in Höhe von 195,32 € sowie ab 01.09.2015 ebenfalls in Höhe von 195,32 €. Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 22.03.2016 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge ab 01.10.2015 in Höhe von 284,41 € und ab 01.01.2016 in Höhe von 294,16 € fest. Die Höhe der Einkünfte ab 01.10.2015 sei auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2013 vom 30.09.2015 bestimmt worden. Dabei seien Einkünfte in Höhe von 1.625,25 € monatlich zugrunde gelegt worden.

Am 21.03.2016 ging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 11.02.2016 bei den Beklagten ein. Dieser wies Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iHv 2.798 € und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 13.258 € aus. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer), waren Kapitalerträge iHv 3.636 € und Gewinne aus der Veräußerung von Aktien iHv 3.138 € ausgewiesen. Beiden Posten standen wiederum jeweils Verrechnungen von Verlustvorträgen in derselben Höhe entgeg...

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