Hinweis

Meine Mandantschaft ist bei Grünlicht mit ihrem Fahrzeug in den Kreuzungsbereich eingefahren und musste in diesem verkehrsbedingt anhalten (sog. Kreuzungsräumer). Erst im Nachgang wechselte die von meiner Mandantschaft zu berücksichtigende Lichtzeichenanlage auf Rotlicht; dies aber außerhalb des Sichtbereichs meiner Mandantschaft.

Beim Kreuzungsräumer ist zwischen einem echten und einem unechten Kreuzungsräumer zu differenzieren. "Unecht" ist ein Kreuzungsräumer, wenn dieser zwar die für sich maßgebliche Lichtzeichenanlage bei Grünlicht passiert hat, aber vor dem Erreichen der eigentlichen Kreuzung, d.h. der sich kreuzenden Fahrbahnen, anhalten musste (OLG Koblenz v. 8.9.1997 – 12 U 1355/16 m.w.N.). "Echt" ist ein Kreuzungsräumer, wenn dieser die für sich maßgebliche Lichtzeichenanlage bei Grünlicht passiert hat und in dem Gefahrenbereich der Kreuzung anhalten musste. Der Gefahrenbereich ist erreicht, wenn – so man es nicht gestatten würde, den Kreuzungsbereich vorrangig zu verlassen – der Verkehrsfluss erheblich gestört werden würde (KG Berlin v. 13.6.2019 – 22 U 176/17 m.w.N.).

Bei meiner Mandantschaft handelt es sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze um einen echten Kreuzungsräumer (siehe Halteposition des Fahrzeugs). Daher hat nach Wechsel der Lichtzeichen der querende Verkehr die Verpflichtung, auf der Kreuzung verbliebene Nachzügler das Verlassen der Kreuzung zu ermöglichen (OLG Köln v. 23.2.2012 – I-7 U 163/11 –, juris Rn 11). Dies folgt aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot der § 1 Abs. 2, § 11 Abs. 3 StVO, wonach derjenige, der Vorrang hat, auf sein Recht verzichten muss, wenn es die allgemeine Verkehrslage erfordert (vgl. OLG Düsseldorf v. 17.5.1993 – 1 U 116/92 –, juris Rn 7). Der grds. Vorfahrtberechtigte (also Ihr Versicherter) muss daher echten Nachzüglern das Verlassen der Kreuzung ermöglichen (BGH v. 9.11.1976 – VI ZR 264/75 –, juris Rn 9). Dies hat Ihr Versicherter jedoch missachtet, so dass es zur Kollision kam.

 

Erläuterung:

Bei einem Verkehrsunfall im Bereich einer beampelten Kreuzung, bei dem zunächst bei Grünlicht einer der Unfallbeteiligten in den Kreuzungsbereich einfuhr, aber verkehrsbedingt warten musste und später beim Versuch des Verlassens der Kreuzung mit dem inzwischen Grünlicht erhaltenen querenden Verkehr kollidierte, kann sich der querende Verkehr nicht auf sein Vorfahrtsrecht verlassen.

Demgegenüber kann derjenige, der die Kreuzung verlassen will, nicht weiter auf sein ursprüngliches Grünlicht vertrauen.

Entscheidend kommt es darauf an, wo das Fahrzeug im Kreuzungsbereich zum Stillstand kam. Es ist zwischen echten und unechten Kreuzungsräumer zu differenzieren. Ein besonderes Augenmerk ist damit auf die ursprüngliche Halteposition in der Kreuzung zu richten.

Autor: Stefan Herbers

RA Stefan Herbers, FA für Verkehrsrecht, FA für Arbeitsrecht, Oldenburg

zfs 3/2023, S. 123

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