Fraglich ist, ob und inwieweit eine postmortalen Vollmacht in Zusammenhang mit der. Anordnung einer Nacherbfolge eingesetzt werden kann. Es stellt sich die Frage, ob eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht des Erblassers nach dessen Versterben den Bevollmächtigen bis zum Eintritt des Nacherbfalls auch zur Vertretung des Nacherben legitimiert. In diesem Zusammenhang kann die Vollmacht dazu eingesetzt werden, die Befugnisse des Vorerben zu erweitern. Der nicht befreite Vorerbe kann ohne Zustimmung des Nacherben nicht über den Grundbesitz verfügen. Selbst ohne eine Veräußerung an Dritte wäre auf diese Weise eine Freigabe eines Grundstücks aus der Nacherbenbindung möglich. Andererseits besteht damit die Gefahr, dass der letzte Wille des Erblassers konterkariert wird, da dieser ja gerade darauf gerichtet war durch seine letztwillige Verfügung die wesentlichen Nachlassgegenstände für den Nacherben zu erhalten.[9]

Mit dieser Problematik beschäftigen sich zwei im Jahr 2019 ergangene Gerichtsentscheidungen. In dem der Entscheidung des OLG Stuttgart zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Erblasserin ihren Kindern eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt, die ausdrücklich auch über den Tod hinaus fortwirken sollte. Die Kinder waren zugleich nicht befreite Mitvorerben der Mutter. Nacherben sind die leiblichen Kinder der Vorerben. Die Vorerben beantragten im Wege der Grundbuchberichtigung, dass die Beteiligten als Eigentümer ohne Nacherbenvermerk eingetragen werden sollten, indem sie mittels ihrer Vollmacht den Grundbesitz aus der Nacherbschaft freigaben. Das OLG Stuttgart hielt in diesem Fall eine Vertretung der Nacherben durch die Vorerben aufgrund der ihnen von der Erblasserin erteilten Vollmacht für möglich. Die Vorerben sollen aufgrund der Vollmacht auch nicht an die Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB gebunden sein.[10]

In einem weiteren vom OLG München entschiedenen Fall waren die Beteiligten in Erbengemeinschaft als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Im konkreten Fall war Nacherbschaft angeordnet worden, wobei die Vollmacht keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB enthielt. Die Vorerben veräußerten daraufhin das besagte Grundstück für sich selbst und im eigenen Namen handelnd an Dritte. Das OLG München lehnte daraufhin die Freigabe aus der Nacherbenbindung ab, so dass der Nacherbenvermerk im Grundbuch nicht gelöscht werden konnte. Der Vorerbe könne die Zustimmung zu einer Verfügung sich selbst gegenüber nicht unter Berufung auf eine vom Erblasser erteilte Generalvollmacht im Namen des Nacherben erklären, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sei.[11]

Die in Rede stehende und vom OLG Stuttgart bzw. vom OLG München entschiedene Frage erlangt in der Praxis zunehmende Bedeutung. Die inzwischen weit verbreiteten notariell beurkundeten Vorsorgevollmachten enthalten im Normalfall eine ausdrückliche Regelung, wonach die erteilte Vorsorgevollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus Gültigkeit behalten soll. Es handelt sich also um eine transmortale Vollmacht im vorstehend beschriebenen Sinn. Darüber hinaus wird der Bevollmächtigte regelmäßig auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.[12] Damit eignen sich derartige Vollmachten grundsätzlich als Instrumente, um dieses Begehren zu erfüllen. Insbesondere könnte damit sogar der Vorerbe selbst in die Lage versetzt werden, als postmortal Bevollmächtigter von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB befreit Verfügungen jeder Art vorzunehmen. Es stellt sich daher die Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen eines solchen Vorgehens.

[9] Keim, ZEV 2020, 1 (2).
[12] Keim, ZEV 2020, 1 (3); Litzenburger, FD-ErbR 2019, 418920.

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