Mit der 100.000-Euro-Grenze für die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen im SGB XII wird nunmehr auch im Hinblick auf alle in Anspruch genommenen SGB XII-Leistungen, die bisher geltende Regelung zur Auskunftsverpflichtung für alle Fälle des SGB XII wirksam.

Um nicht in jedem Einzelfall prüfen zu müssen, ob das Einkommen des an sich Unterhaltspflichtigen die 100.000-Euro-Grenze erreicht oder überschreitet, stellte das Gesetz schon bisher für die Grundsicherungsfälle die Vermutung auf, dass das Einkommen des potentiell unterhaltspflichtigen Kindes grundsätzlich die Jahreseinkommensgrenze von 100.000 EUR nicht überschreitet (bisher § 43 Abs. 5 S. 2 SGB XII, jetzt § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII).

Um die Vermutung zu widerlegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe von dem Leistungsberechtigten – nicht von dem potentiell Unterhaltspflichtigen (!) – Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze vor, sind die Kinder der Leistungsberechtigten gegenüber dem Träger der Sozialhilfe verpflichtet, über ihre Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit dies erforderlich ist, um Sozialleistungsansprüche oder Maßnahmen des Sozialhilferegresses zu prüfen. Der BGH führte hierzu in der Vergangenheit aus:

Zitat

"In diesem Verwaltungsverfahren soll bei der Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen nur sehr behutsam in die informationellen Selbstbestimmungsrechte des Leistungsberechtigten und seiner unterhaltspflichtigen Eltern und Kinder eingegriffen werden, damit der Leistungsberechtigte nicht aus Furcht vor umfassender behördlicher Ausforschung der wirtschaftlichen Verhältnisse seiner unterhaltspflichtigen (…) von der Beantragung der Grundsicherung Abstand nimmt. Der Leistungsberechtigte ist deshalb – über allgemein gehaltene Angaben hinaus – nicht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger umfassende Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der unterhaltspflichtigen Eltern und Kinder zu offenbaren."

Der in § 43 Abs. 3 S. 4 SGB XII normierte Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen die unterhaltspflichtigen Kinder (…) richtet sich in persönlicher Hinsicht nur gegen diejenigen Unterhaltspflichtigen, für deren Person der Grundsicherungsträger bereits hinreichende Anhaltspunkte für ein den Grenzbetrag von 100.000 EUR erreichendes Einkommen darlegen kann. Gegenüber anderen Kindern und Elternteilen besteht daher sozialhilferechtlich kein Auskunftsanspruch, wenn es für diese Unterhaltspflichtigen keine Anhaltspunkte für ein Einkommen von 100.000 EUR oder mehr gibt.

Inhaltlich ist der Auskunftsanspruch nach § 43 Abs. 3 S. 4 SGB XII a.F. und § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII auf Angaben zum steuerlichen Bruttoeinkommen des Unterhaltspflichtigen beschränkt. Demgegenüber kann (und soll) der Träger der Grundsicherung im Bewilligungsverfahren keine weitergehenden Informationen zu den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen erlangen, auch wenn diese – wie beispielsweise Angaben zu Wohnvorteilen oder zum Einkommen des Ehegatten des Unterhaltspflichtigen – für die Beurteilung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit unmittelbar von Bedeutung sind.“[23]

Ein bedürftiger Elternteil muss also Angaben über die berufliche Stellung des unterhaltspflichtigen Kindes machen, soweit ihm dies möglich ist. Mehr aber nicht. Ergibt dies (oder ggf. auch andere Hinweise, wie z.B. durch Geschwister) hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze, besteht eine Auskunftsverpflichtung des unterhaltspflichtigen Kindes nach § 117 SGB XII. Besteht eine Auskunftsverpflichtung des unterpflichtigen Kindes, so besteht nach § 117 SGB XII auch eine Auskunftsverpflichtung des Schwiegerkindes.

Hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze können schon aus der Vergangenheit bestehen, die der Sozialhilfeträger nutzen kann. Verwertungsverbote aufgrund der Tatsache, dass das unterhaltspflichtige Kind in der Vergangenheit die Auskunft nicht verweigern konnte, bestehen nicht. Im Übrigen können sich solche Hinweise aus der beruflichen Stellung und der Lebensweise – ggf. in den sozialen Medien mit Fotos dokumentiert – ergeben.

Die Sozialhilfeträger versuchen die Begrenzungen, die der Gesetzgeber ihm auferlegt hat, in mannigfacher Weise zu unterlaufen. Mal werden die "hinreichenden" Anhaltspunkte einfach beim unkundigen Unterhaltspflichtigen abgefragt, mal wird bei Verweigerung der Auskunft das Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze einfach unterstellt. Damit wird behauptet, es bestehe kein Anspruch auf Sozialleistungen und der Hilfesuchende wird auf seine zivilrechtlichen Ansprüche verwiesen, die ja von einem Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB begleitet werden. Das ist falsch und rechtswidrig, weil Eltern mit der Einführung der Grundsicherung nicht mehr darauf verwiesen werden sollten, bei ihren Kindern als Bit...

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