3.1 Räumlicher Anwendungsbereich

Bisher ist die ROM-III-Verordnung in folgenden 16 europäischen Mitgliedsstaaten anzuwenden:

Belgien, Bulgaren, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn.

Die Verordnung gilt, mit Ausnahme von Litauen[1] und Griechenland[2], in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten bereits seit dem 21.6.2012 (Art. 21 Abs. 2 ROM-III-Verordnung).

Das Hoheitsgebiet der Verordnung erstreckt sich nach Art. 355 AEUV über das Mutterland hinaus auf weitere Gebiete der teilnehmenden Mitgliedsstaaten, z.B. Azoren, Balearen, Gibraltar, Madeira, Martinique, Réunion.

Weiter verlangt die Verordnung nach Art. 1 Abs. 1 ROM-III-Verordnung eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, daher einen Sachverhalt mit Auslandsbezug. Ein grenzüberschreitender Bezug zu einem anderen (teilnehmenden) Mitgliedsstaat ist nicht erforderlich.[3] Für die Anwendung der Verordnung reicht es aus, wenn ein Sachverhalt mit künftigem Auslandsbezug vorliegt.[4]

 
Praxis-Beispiel

Ein deutsches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beabsichtigt einen Ehevertrag abzuschließen, da berufsbedingt ein Umzug nach Frankreich bevorsteht. Im Ehevertrag möchten sie eine Rechtswahl zu Gunsten deutschen Rechts für den Fall ihrer Scheidung treffen.

Aufgrund der in Art. 4 ROM-III-Verordnung normierten universellen Geltung der Verordnung, kann auch das Recht eines Staates angewendet werden, der nicht zu den teilnehmenden Staaten nach Art. 3 Nr. 1 ROM-III-Verordnung gehört; dies kann auch ein Drittstaat sein.[5]

[1] Vgl. Beschluss der Kommission v. 21.11.2012 zur Bestätigung der Teilnahme Litauens an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABL EU 12 L 323/18; Verordnung gilt in Litauen seit dem 22.5.2014.
[2] Vgl. Beschluss der Kommission v. 27.1.2014, ABL EU 14 L 23/41; zur insoweit vollzogenen Kehrtwendung Griechenlands vgl. Erwägungsgrund 6; Verordnung gilt in Griechenland seit dem 29.7.2015.
[3] OGH Wien, BeckRS 2016, S. 81227.
[4] Gruber IPRax 12, 381 (384); Hau, FamRZ 2013, S. 249; Schall/Weber, IPRax 2014, S. 381 (382).
[5] Vgl. Erwägungsgrund 12; OLG Hamm, FamRZ 2013 S. 217 für ein türkisches Ehepaar.

3.2 Vorrangige staatsvertragliche Regelungen

Nach Art. 19 Abs. 1 ROM-III-Verordnung bleiben völkerrechtliche Verträge, an denen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung, daher am 20.12.2010, beteiligt waren, von der Verordnung unberührt.

Für Deutschland ist allein das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929[1] zu beachten, welches im Verhältnis zum Iran der ROM-III-Verordnung vorgeht. Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen ist jedoch nur anzuwenden, wenn beide Ehegatten ausschließlich iranische Staatsangehörige sind.[2] Ist einer der Ehepartner auch deutscher Staatsangehöriger, so wird wegen Art. 5 Abs. 1 EGBGB von der effektiven Staatsangehörigkeit ausgegangen. Die Folge ist die Nichtanwendbarkeit des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.

Art. 19 Abs. 2 ROM-III-Verordnung läuft leer, da zwischen Deutschland und den anderen teilnehmenden Mitgliedsstaaten keine Abkommen zum Kollisionsrecht für Ehescheidungen oder Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes bestehen.

[1] RGBl 1930 II, 1006.
[2] OLG Hamm, FamRZ 2013 S. 1486.

3.3 Zeitlicher Anwendungsbereich

Den zeitlichen Anwendungsbereich regelt Art. 18 ROM-III-Verordnung. Die Verordnung gilt für gerichtliche Verfahren, die ab dem 21.6.2012 eingeleitet wurden (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ROM-III-Verordnung).[1] Die Stellung eines Verfahrenskostenhilfeantrages ist dabei keine Verfahrenseinleitung i.S.d. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 ROM-III-Verordnung. Obwohl die Vorschrift hiervon nicht spricht, ist für die Verfahrenseinleitung auf den Zeitpunkt "Anrufung des Gerichts" unter Rückgriff auf Art. 16 Brüssel II a-VO abzustellen.[2] Damit gilt ein Verfahren ab dem Zeitpunkt als eingeleitet, in dem der Scheidungsantrag bzw. der Antrag auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bei Gericht eingereicht wird; Anhängigkeit reicht insofern aus.

Rechtswahlvereinbarungen fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn sie nach Geltungsbeginn abgeschlossen wurden (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2). Eine vor dem 21.6.2012 getroffene Rechtswahlvereinbarung ist wirksam und unterfällt der Verordnung, wenn sie die Wirksamkeitserfordernisse der Art. 6 und 7 ROM-III-Verordnung erfüllt (Abs. 1 Satz 2).

In der Literatur ist umstritten, ob die in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 ROM-III-Verordnung fehlende Verweisung auf Art. 5 ROM-III-Verordnung bedeutet, dass sich die Wahlmöglichkeiten nach dem vor dem 21.6.2012 geltenden nationalen IPR richten[3] oder ob die Ehegatten quasi im Voraus die in Art. 5 ROM-III-Verordnung genannten Rechtsordnungen wählen konnten.[4] Aufgrund des durch Art. 18 ROM-III-Verordnung gewährten Vertrauensschutzes der Parteien auf die zukünftige Anwendbarkeit der Verordnung, ist der letztgenannten Ansicht zu folgen.[5]

[1] OLG Stuttgart, FamRZ 2013 S. 303; OLG Hamm, FamRZ 2013 S. 1486; a.A. N...

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