Was bedeutet Berliner Räumung?

Ist das Mietverhältnis gekündigt, muss der Vermieter – insbesondere bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges – seinen Räumungsanspruch schnell rechtshängig machen und titulieren. Ist der Räumungsanspruch sodann tituliert, bietet die sogenannte Berliner Räumung dem Gläubiger ein komfortables Vorgehen in der Zwangsvollstreckung.

Diese zunächst nur von der Rechtsprechung entwickelte zulässige Vorgehensweise hat der Gesetzgeber mit dem zum 1.5.2013 in Kraft getretenen § 885a ZPO gesetzlich ausgeformt.

Beschränkter Räumungsauftrag

Nach § 885a Abs. 1 ZPO kann der Räumungsauftrag nach § 885 ZPO auf dessen Abs. 1 ZPO beschränkt werden, d.h. auf den Antrag, den Schuldner aus dem und den Gläubiger in den Besitz zu setzen, so dass alle in den zu räumenden Räumen befindlichen Sachen, gleich ob diese dem Schuldner gehören oder einem Dritten, dort verbleiben.

 

Hinweis

Das Gesetz selbst sieht nur ein Alles-oder-Nichts zwischen der gewöhnlichen Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO und der beschränkten Vollstreckung nach § 885a ZPO vor. § 885a ZPO ermöglicht es dem Vollstreckungsgläubiger nicht, den Vollstreckungsauftrag dahingehend zu modifizieren, dass nur einzelne in der Wohnung befindliche bewegliche Sachen nach Maßgabe der § 885 Abs. 25 ZPO durch den Gerichtsvollzieher wegzuschaffen und zu verwahren sind, während andere nach § 885a ZPO von der Vollstreckung ausgenommen werden (Gruber, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 885a Rn 10 m.w.N.).

Diese gesetzliche Möglichkeit prozessualer Natur ist von der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts nach § 562 BGB als materiell-rechtliche Option zu unterscheiden (vgl. Gruber, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 885a Rn 8). Um Nachteile bei diesem Vorgehen zu vermeiden, sollte das Vermieterpfandrecht stets nur nachrangig ausgeübt werden, wenn der Schuldner sein bewegliches Vermögen vor Ablauf eines Monats nach der Räumung abfordert.

 

Hinweis

Wird das Vermieterpfandrecht geltend gemacht, richten sich Rechte und Pflichten des Gläubigers nicht nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO, sondern nach den §§ 1204 ff., 1257 BGB. Der Vermieter hat die in der Wohnung verbliebenen oder weggeschafften Sachen zu verwahren bzw. auf Verlangen des Schuldners die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Sachen herauszugeben. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Zudem kann der Schuldner auf Herausgabe der unpfändbaren beweglichen Sachen klagen und zur einstweiligen Regelung der Besitzverhältnisse vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Unzulässig ist die "Berliner Räumung" – auf Antrag aber nicht die nach § 885a ZPO –, wenn unstreitig überhaupt kein Vermieterpfandrecht besteht (Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 885a Rn 13). Anders als die Verwertung nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO setzt das Vermieterpfandrecht eine fällige Forderung des Vermieters voraus und erfolgt sodann nach §§ 1233, 1235 BGB.

Der Vorteil des beschränkten Räumungsauftrages

Teure Verbringungs- und Lagerkosten, die der Gläubiger sonst zumindest als Vorschuss nach § 4 GvKostG i.V.m. Nrn. 240, 420, 704, 707, 709, 711, 716 KV GvKostG aufbringen müsste, entfallen so. Zwar ist der Schuldner grundsätzlich nach § 788 ZPO verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Allerdings trägt der Gläubiger in diesen Fällen das Liquiditätsrisiko des Schuldners.

Dokumentationspflicht des Gerichtsvollziehers

Nach § 885a Abs. 2 ZPO ist der Gerichtsvollzieher allerdings gehalten, den Zustand der Wohnung, insbesondere die darin enthaltenen beweglichen Gegenstände, zu dokumentieren, was er auch mit Bildern bewerkstelligen kann. Diese Vorgehensweise schützt den Gläubiger vor dem Einwand des Schuldners, wertvolle Gegenstände vernichtet oder beschädigt zu haben.

Wegschaffen und/oder verwahren

Im zweiten Schritt gestattet § 885a Abs. 3 ZPO dem Gläubiger, die beweglichen Sachen wegzuschaffen, verbindet dies aber mit einer entsprechenden Verwahrungspflicht – dann an einem anderen Ort, was zur Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses führt (Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 885a Rn 7). Ausgenommen von der Verwahrung sind nur solche Gegenstände, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, die also weder einen Geldwert haben noch sonst für den Schuldner oder einen Dritten von Bedeutung sein können. Hier dürfte es sich im Wesentlichen aber nur um Müll und Unrat handeln.

Gläubiger hat einen Ermessensspielraum

§ 885a ZPO gibt dem Gläubiger einen Ermessenspielraum, weil er dessen Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt. Auch wenn der Gläubiger nach § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO im Hinblick auf eine falsche Beurteilung nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, sollte mit einer unmittelbaren Vernichtung vorsichtig vorgegangen werden. Es liegt nahe, dass der Schuldner den Versuch unternimmt, eine unberechtigte Vernichtung zu behaupten und hieraus Schadensersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung im gesetzlichen Schuldverhältnis der Verwahrung nach § 280 BGB abzule...

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