Teil 1[1]

[1] Teil 2 wird in einem der nächsten Hefte der FF abgedruckt.

A. Vorbemerkung

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Eheverträgen nach § 138 BGB stand in der Rechtsprechung seit der Entwicklung der sogen. "Kernbereichslehre" im Jahre 2004 zunächst der objektive Vertragsinhalt im Vordergrund. Etwa ab 2008 wurde die Beurteilung geändert; seitdem wird verstärkt das sogenannte "subjektive Element" geprüft und eine Sittenwidrigkeit des Vertrages in der Regel nur bejaht, wenn neben einem objektiv einseitigen Vertragsinhalt auch eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten des begünstigten Vertragspartners festzustellen ist. Aktuell verstärken sich Tendenzen, eine Sittenwidrigkeit auch dann anzunehmen, wenn die einzelnen Regelungen des Vertrages nicht zu beanstanden sind, aber nachteilige subjektive Elemente vorliegen und erst eine Gesamtwürdigung zur Beanstandung führt.Der nachfolgende Beitrag untersucht die aktuelle Rechtsprechung im Hinblick auf die verschiedenen Elemente der Prüfung und ihre Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung.

B. Kriterien

I. Einführung

Bis vor rund 17 Jahren war es bei Eheverträgen in etwa so wie früher im "Wilden Westen": Nahezu alles war erlaubt, der Stärkere setzte sich durch. Aber dann änderten sich die Zeiten. Nach zwei "Warnschüssen" vom Bundesverfassungsgericht[2] eröffnete der BGH mit einer Grundsatzentscheidung[3] die neue Ära einer kritischen Überprüfung von Eheverträgen.[4]

Diese unterliegen zwar nach wie vor der Dispositionsbefugnis der Vertragsparteien, sind aber nicht schrankenlos gültig.

[2] BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343; BVerfG NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985.
[3] BGHZ 158, 81 = NJW 2004, 930 = FamRZ 2004, 601; s. dazu Rakete-Dombek, NJW 2004, 1273; Bredthauer, NJW 2004, 3072.
[4] Zur Entwicklung der einschlägigen Rechtsprechung s. im Einzelnen Milzer, NZFam 2021, 17 (2018 – 2020); Wellenhofer, NZFam 2020, 229 (ab 2004); 2020, 645; Grandel, FF 2019, 346; Münch, NZFam 2015, 243; Palandt/Siede, § 1408 BGB Rn 7 ff.

II. Kernbereichslehre

Die vom BGH entwickelte sogenannte "Kernbereichslehre"[5] enthält eine Abstufungs-Skala hinsichtlich der Möglichkeiten einer vertraglichen Abänderung von gesetzlichen Scheidungsfolgen. Bei diesem "Ranking" ist wie folgt zu unterscheiden:

Nur sehr geringe Dispositionsmöglichkeiten bestehen beim Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1570 BGB) sowie beim Alters- und Krankheitsunterhalt (§§ 1571, 1572 BGB) und beim Versorgungsausgleich.
Schon eher disponibel ist der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1, 2 BGB), denn das Risiko kann auf den Berechtigten verlagert werden.
Am ehesten verzichtbar sind Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2, 3 BGB) sowie Ausbildungs- (§ 1575 BGB) und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB).
Am weitesten entfernt vom "Kernbereich" ist der Zugewinnausgleich mit der Folge, dass sein Ausschluss am ehesten disponibel ist, und zwar selbst dann, wenn dadurch eine Lücke in der Altersversorgung bleibt.[6]

Als "Faustregel" kann man festhalten: Je höher der gesetzliche Rang der Scheidungsfolge ist, desto enger sind die Möglichkeiten der vertraglichen Abänderung. Diese unterliegen bei einer Überprüfung im Rahmen des § 138 BGB zunächst einer Wirksamkeitskontrolle (dazu unter 1) sowie der Prüfung eines subjektiven Elementes (dazu unter 2), schließlich nach § 242 BGB einer Ausübungskontrolle (dazu unter 3).

[5] Guter Überblick bei Palandt/Siede, § 1408 BGB Rn 10.

1. Wirksamkeitskontrolle (§ 138 BGB)

Hier wird – aus der Sicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – eine Überprüfung in zweifacher Hinsicht vorgenommen:

in objektiver Hinsicht wird geprüft, ob der Vertrag als evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil einer Vertragspartei anzusehen ist;
in subjektiver Hinsicht wird untersucht, ob dies als missbräuchliches Verhalten der Vertragspartei anzusehen ist, die durch den Vertrag begünstigt wird.

Die vertraglichen Regelungen sind nicht nur nach einzelnen Bereichen, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Ein Verstoß gegen § 138 BGB wird nur angenommen, wenn Regelungen aus dem "Kernbereich" (ganz oder zu erheblichen Teilen) vertraglich abbedungen werden, ohne dass die dadurch eintretenden Nachteile durch Vorteile gemildert oder durch wichtige Belange des anderen[7] oder durch besondere Umstände gerechtfertigt werden.[8]

[7] S. dazu Brambring, NJW 2007, 865.

2. Subjektives Element

Seit einiger Zeit überprüft der BGH zunehmend die subjektive Seite im Zusammenhang mit Vertragsgestaltung, Vertragsinhalt und Vertragsabschluss.[9]

Sofern – in objektiver Hinsicht – ein unausgewogener Vertragsinhalt vorliegt, kommt eine Unwirksamkeit regelmäßig nur dann in Betracht, wenn zusätzlich außerhalb der Urkunde verstärkende Umstände vorliegen, die auf ein subjektives Ungleichgewicht[10] der Vertragsparteien hindeuten, was als "neue Imparitätslehre" bezeichnet wird.[11]

Auch wenn ein unausgewogener Vertragsinhalt Indizwirkung entfaltet, muss zusätzlich eine einseitige Dominanz festgestellt werden, die ihrerseits auf einer u...

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