Leitsatz

Die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer, wenn der Bauträger bei der Errichtung der Wohnanlage und der Teilung nach § 8 WEG von den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Plänen abgewichen ist und dadurch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 4 WEG

 

Das Problem

  1. Nach einer Bauträger B im Jahr 1968 erteilten Baugenehmigung war an einer bestimmten Stelle eine Einheit vorgesehen. Nach B's Teilungserklärung gibt es hingegen 2 Einheiten, nämlich E1 und E2. Der Bau wird nach der Teilungserklärung und entgegen der Baugenehmigung gebaut. Für E2 – der Einheit 339 – gibt es nicht den nach der LBO SH erforderlichen Stellplatz.

    § 50 LBO SH. Stellplätze und Garagen, Abstellanlagen für Fahrräder

    (1) Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, dürfen nur errichtet werden, wenn Stellplätze oder Garagen in ausreichender Größe und in geeigneter Beschaffenheit (notwendige Stellplätze oder Garagen) sowie Abstellanlagen für Fahrräder hergestellt werden. Ihre Anzahl und Größe richtet sich nach Art und Anzahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen. Es kann gestattet werden, dass die notwendigen Stellplätze oder Garagen sowie die Abstellanlagen für Fahrräder innerhalb einer angemessenen Frist nach Fertigstellung der Anlage im Sinne des Satzes 1 hergestellt werden. Mit Einverständnis der Gemeinde kann ganz oder teilweise auf die Herstellung von Stellplätzen und Garagen und die Zahlung eines Geldbetrages zur Ablösung verzichtet werden, insbesondere wenn eine günstige Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr besteht oder ausreichende Fahrradwege vorhanden sind. Stellplätze, Garagen oder Abstellanlagen für Fahrräder können mit Einverständnis der Gemeinde in allen Baugebieten für verschiedene Vorhaben mehrfach genutzt werden, wenn sich ihre Nutzungszeiten nicht überschneiden und deren Zuordnung zu den Vorhaben öffentlich-rechtlich gesichert ist.

    Eine Klage, dem Bauantrag für die Nutzungsänderung in 2 Apartments stattzugeben, ist – mangels Stellplatznachweises – abgewiesen worden.

  2. In der Versammlung am 31.5.2013 wird unter TOP 12 der folgende Beschlussantrag mehrheitlich abgelehnt:

    Die Verwaltung wird ermächtigt, den fehlenden Pkw-Stellplatznachweis für die Wohnungen und bzw. für alle Wohnungen, zu denen keine Stellplatznachweise bestehen, durch einen zu beauftragenden Architekten erarbeiten zu lassen bzw. an die Gemeinde eine Ablösesumme als Stellplatzablösung zu zahlen. In diesem Fall wird der Verwalter beauftragt, mit der Gemeinde ... Verhandlungen zu führen, eine Stellplatzablösevereinbarung zu schließen und die vereinbarte Stellplatzablösesumme zu bezahlen. Diese Beträge werden aus den Bewirtschaftungskosten finanziert.

  3. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümerin W, der die Einheiten E1 und E2 gehören, vor. Sie beantragt erstinstanzlich, den Beschluss für ungültig zu erklären und die Beklagten zu verpflichten, einen Stellplatznachweis für das Wohnungseigentum ... und ... zu führen, hilfsweise einen Stellplatzablösevertrag mit der Stadt W für die Ersetzung des Stellplatznachweises für beide Wohnungen abzuschließen.
  4. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Es vertritt insbesondere die Auffassung, ein Anspruch auf einen Stellplatznachweis ergebe sich nicht aus § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Auf die Berufung der K erklärt das Landgericht den Beschluss für ungültig. Ferner verpflichtet es die Beklagten, die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis in Bezug auf die Wohnung Nr. 339 zu erfüllen. Im Übrigen weist es die Klage ab. Mit der Revision wollen die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
 

Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage

  1. Der Negativbeschluss entspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. K könne die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen für den Stellplatznachweis bezüglich der aus der Teilung entstandenen zusätzlichen Wohnung fordern.
  2. Nach § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG könne jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich verlangen, dass das gemeinschaftliche Eigentum plangerecht hergestellt werde, da unter Instandsetzung auch die erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums zu verstehen sei (Hinweis unter anderem auf BGH v. 20.11.2015, V ZR 284/14, NJW 2016 S. 473 Rn. 7). Der ordnungsmäßigen Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dienten auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen (Hinweis auf BGH v. 19.9.2002, V ZB 37/02, BGHZ 152 S. 63, 74).
  3. Die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis bezüglich der Einheit Nr. 339 betreffe die erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Für die Bestimmung des ordnungsmäßigen Anfangszustands des gemeinschaftlichen Eigent...

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