Leitsatz

Die Entscheidung des OLG Oldenburg betrifft einen Schwachpunkt der Neuregelung zum Scheidungsverbund im FamFG. Nach § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG muss eine Familiensache als Folgesache bis spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung des ersten Rechtszuges bei der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht worden sein. Diese Zweiwochenfrist kollidiert mit der nur mindestens einwöchigen Ladungsfrist aus §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 217 ZPO. Das OLG Oldenburg hat sich eingehend mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Die Eheleute hatten im Jahre 1985 geheiratet. Die Ehefrau beantragte am 19.1.2010 die Scheidung der Ehe, auch der Ehemann beantragte die Ehescheidung in seiner Erwiderung, die am 28.1.2010 bei Gericht einging.

Das AG holte zunächst Auskünfte der Versorgungsträger ein. Nach Eingang der letzten Auskunft am 21.4.2010 beraumte es mit Verfügung vom 22.4.2010 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 4.5.2010 an. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ging die Ladung am 26.4.2010 zu.

Am 28.4.2010 gingen Anträge des Antragsgegners zum nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinn bei Gericht ein. Hinsichtlich des Zugewinns begehrte er zunächst Auskunft. Ein Leistungsantrag im Wege der Stufenklage ging erst am 20.5.2010 bei Gericht ein.

In der mündlichen Verhandlung vom 4.5.2010 wurden die Beteiligten zu den Scheidungsvoraussetzungen und zum Versorgungsausgleich angehört.

Mit Beschluss vom 7.5.2010 hat das AG die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Die "weiteren Folgesachen" nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich seien wegen Versäumung der Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht in den Verbund gelangt und seien als selbständige Verfahren zu führen. Der Antragsgegner hätte sofort bei Bedarf entsprechende Folgesachenanträge anhängig machen müssen.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners, der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht beantragte.

Sein Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen. Das AG habe in der Sache ein unzulässiges Teilurteil erlassen, weil es die Anträge zum Zugewinn und nachehelichen Unterhalt zu Unrecht nicht als Verbundsachen angesehen und die gebotene Entscheidung über die Folgesachen aus diesem Grunde unterlassen habe. Ein entsprechender Antrag sei gestellt, gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO aber ohnehin entbehrlich.

Das Vorgehen des FamG sei verfahrensfehlerhaft. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG sei wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens einschränkend auszulegen. Die Einbeziehung von Folgesachen in den Verbund scheitere wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist dann nicht, wenn - wie hier - die Ladung weniger als vier Wochen vor dem Termin erfolgt sei.

Die zweiwöchige Frist des § 137 Abs. 1 S. 2 FamFG sei erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt worden. Nach der Begründung sei Hauptgrund hierfür das Anliegen gewesen, missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen. Im Grundsatz habe der Gesetzgeber aber gleichzeitig betont, das Verbundverfahren solle beibehalten werden. Dessen Ziele habe er unvermindert als sinnvoll betrachtet. Grundlegende Ziele des Verbundverfahrens seien der Schutz des schwächeren Ehepartners und das Ziel, übereilten Scheidungsentschlüssen vorzubeugen. Allgemein sei Konsens schon vor der Reform gewesen, dass dem Verbund eine Warn- und Schutzfunktion zukomme (Schulte-Bunert/Weinreich/Schröder, FamFG, § 137 Rz. 1 m.w.N.).

Zu der mangelnden Abstimmung der Frist mit der Mindestfrist des § 217 ZPO äußere sich die Gesetzesbegründung nicht. Möglicherweise habe der Gesetzgeber die aus der allgemeinen Verweisung auf die ZPO in § 113 Abs. 1 S. 2 ZPO resultierenden Ungereimtheiten übersehen.

Bei einer engen am Wortlaut orientierten Auslegung ohne weitere Einschränkung genüge § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil weder das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, noch das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren gewahrt würden, das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip folge. Sollten nämlich alle Scheidungsfolgen vor Ausspruch der Scheidung nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verbund entschieden werden, so würden die Rechte desjenigen Ehegatten, der wirtschaftliche Ansprüche aufgrund der Scheidung zu haben glaube, durch eine Ladungsfrist, die die zweiwöchige Frist sogar noch unterschreite, unzulässig beschnitten (so auch Bassenge/Roth/Walter, a.a.O., § 137 FamFG Rz. 10; Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen).

Die Regelung des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG sei an den insoweit aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen. Zwar beinhalte die Vorschrift des § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG kein...

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