Leitsatz

Ist für die Beratung keine Gebührenvereinbarung getroffen worden, so gehört zur ordnungsgemäßen Abrechnung der Beratungsgebühr die Angabe der gesetzlichen Grundlage des § 34 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. §§ 675, 612 BGB.

AG Remscheid, Urt. v. 1.4.2015 – 8 C 59/14

1 Sachverhalt

Die Beklagte hatte die Klägerin mit einer anwaltlichen Beratung zu Kündigungsfragen beauftragt. In der Folgezeit beriet die Klägerin die Beklagte hierzu mehrfach. Eine Gebührenvereinbarung wurde nicht getroffen.

Nach Erledigung des Auftrags rechnete die Klägerin wie folgt ab:

 
Praxis-Beispiel
 
Beratung, mehrfach   250,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
Nettobetrag 270,00 EUR  
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   51,30 EUR
Gesamt   321,30 EUR
./. gezahlter   120,00 EUR
Restbetrag 201,30 EUR

Hierauf zahlte die Beklagte an die Klägerin 160,00 EUR. Mit der Klage machte die Klägerin daraufhin den restlichen Vergütungsanspruch in Höhe von 201,30 EUR nebst Verzugszinsen geltend.

Das Gericht wies sodann daraufhin, dass es Bedenken gegen die Klagbarkeit der Vergütungsforderung habe, da keine ordnungsgemäße Rechnung vorliege. Nach § 10 RVG sei nämlich die Angabe der Nummer des Vergütungsverzeichnisses erforderlich, an der es hier fehle. Die Klägerin wies sodann darauf hin, dass es für eine Beratung keine Gebühr nach dem Vergütungsverzeichnis des RVG gebe und daher auch keine VV-Nr. angegeben werden könne. Vorsorglich reichte sie eine neue Rechnung nach, die nunmehr wie folgt lautete:

 
Praxis-Beispiel
 
Beratung, mehrfach, § 34 Abs. 1 RVG i.V.m. §§ 675, 612 BGB   250,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV   20.00 EUR
Nettobetrag 270,00 EUR  
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   51,30 EUR
Gesamt   321,30 EUR
./. gezahlter   120,00 EUR
Restbetrag 201,30 EUR

Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne den geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruch auf der Grundlage der ersten Vergütungsrechnung einfordern. Dem stünde insbesondere nicht entgegen, dass die erste Vergütungsrechnung nicht den formellen Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG entspräche. § 10 Abs. 2 RVG sei nur auf Vergütungen, die sich unmittelbar aus dem RVG ergeben, nicht aber auf Vergütungen, die sich nach dem BGB richten, anwendbar. Die Gebühr für die streitgegenständlichen außergerichtlichen Beratungen richte sich nach den Vorschriften des BGB, für die § 10 Abs. 2 RVG daher nicht gelte.

Das Gericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben, dem Zinsantrag jedoch erst ab Zustellung der neuen Kostenrechnung.

2 Aus den Gründen

Der restliche Vergütungsanspruch in Höhe von 201,30 EUR ist seit dem 29.1.2015 fällig, also seit dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagten der Schriftsatz der Klägerin vom 26.1.2015 nebst der als Anlage beigefügten Kopie der geänderten zweiten Vergütungsrechnung zugegangen ist.

Gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1 RVG ist der Vergütungsanspruch fällig, wenn der Auftrag erledigt ist und der Rechtsanwalt dem Auftraggeber eine von ihm unterzeichnete und den formellen Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG genügende Vergütungsberechnung mitgeteilt hat (vgl. OLG Köln, Urt. v. 25.2.2000 – 19 W 1/100, MDR 2000, 910, dessen Ausführungen sich auf den inhaltsgleichen § 9 Abs. 1 StBGebV beziehen).

Soweit die Ansicht vertreten wird, dass im Fall einer formell nicht ordnungsgemäßen Abrechnung der Anspruch auf die Vergütung zwar fällig, aber nicht einforderbar sei (Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl. 2014, § 10 Rn 88 ff.), führt diese Beurteilung zu keinen anderen Ergebnissen. Denn auch nach dieser Ansicht besteht dann weder eine Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers, mit der Folge, dass dieser nicht in Zahlungsverzug kommen und eine Verzinsungsverpflichtung nicht entstehen kann, noch kann dann die Vergütung eingeklagt werden (Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl. 2014, § 10 Rn 88 ff.).

Die Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG an eine formell ordnungsgemäße Abrechnung gelten entsprechend für die hier streitgegenständlichen außergerichtlichen Beratungen, die gem. § 34 Abs. 1 S. 2 RVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts abzurechnen sind (vgl. Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl. 2014, § 10 Rn 5, der § 10 RVG sogar direkt anwenden will; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 10 Rn 4).

Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung des § 10 RVG. Die Vorschrift steht in Abschnitt 1 des RVG "Allgemeine Vorschriften" und gilt daher nicht nur für die Abrechnung der gesetzlichen Vergütung, sondern auch für die Abrechnung einer gem. § 34 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. § 612 BGB als vereinbart anzusehenden Vergütung (Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl. 2014, § 10 Rn 6).

Auch nach seinem Sinn und Zweck ist eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 2 RVG auf die Abrechnung der Vergütung für außergerichtliche Beratungen geboten. § 10 Abs. 2 RVG soll gewährleisten, dass die Vergütungsabrechnung transparent ist (Baumgärtel, in: Baumgärtel/Hergenröder u.a., RVG, 16. Aufl. 2014, § 10 Rn 2). Für den Auftraggeber muss transparent sein, was er...

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