RVG VV Nrn. 2300, 1008, 3100, Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

  1. Nr. 1008 VV gewährt keine eigenständige Erhöhungsgebühr, sondern führt nur zur Erhöhung einer Geschäfts- oder Verfahrensgebühr und ist daher Teil dieser Gebühr.
  2. Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und dann im gerichtlichen Verfahren, so kommt die Erhöhung in jeder Angelegenheit zur Anwendung.
  3. Auch die erhöhte Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300, 1008 VV ist auf die erhöhte Verfahrensgebühr höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.

KG, Beschl. v. 29.7.2008–1 W 73/08

Sachverhalt

Die sechs Kläger hatten den Beklagten auf Räumung von Gewerbemietraum, Zahlung rückständiger und künftiger Mieten sowie auf Zahlung der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Bei der Kostenfestsetzung hat der Rechtspfleger von den geltend gemachten Kosten die Hälfte der für sechs Auftraggeber berechneten Geschäftsgebühr (1,3-Geschäftsgebühr und 1,5-Erhöhungsgebühr nebst Umsatzsteuer) in Abzug gebracht. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger. Sie wenden ein, dass auch die erhöhte Geschäftsgebühr maximal mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die erhöhte Verfahrensgebühr anzurechnen sei.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die Kläger rügen mit Recht, dass das LG bei der Kostenfestsetzung die gem. Nr. 1008 VV auf einen Satz von 2,8 erhöhte Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) angerechnet hat, anstatt sie nach den Vorgaben der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV nur mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.

1.  Zutreffend ist das LG allerdings davon ausgegangen, dass dem Anwalt der sechs Kläger eine gem. Nr. 1008 VV um 1,5 erhöhte Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) neben der ebenfalls gem. Nr. 1008 VV um 1,5 erhöhten Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) erwachsen ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 VV Rn 6; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007, 420; Schneider, AGS 2006, 528 ff.; Enders, JurBüro 2005, 449, 450; LG Düsseldorf MDR 2007, 1164). Verdient ein Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und anschließend im Prozess vertritt, nacheinander eine Geschäfts- und eine Verfahrensgebühr, so sind beide Gebühren nach Nr. 1008 VV zu erhöhen. Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach sich bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit die Verfahrens- oder die Geschäftsgebühr erhöht. Die Verwendung des Wortes „oder“ erklärt sich daraus, dass in derselben Angelegenheit nur die eine oder die andere Gebühr erwachsen kann.

2.  Entgegen der Auffassung des LG ist aber auf die geltend gemachte (erhöhte) Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) die erhöhte Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) nur mit einem Satz von 0,75 anzurechnen.

Nach den Vorgaben der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV wird die Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV, soweit sie wegen desselben Gegenstandes entsteht, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet. In der Lit. ist umstritten, zu welchem Ergebnis diese Anrechnungsvorschrift bei der nach Nr. 1008 VV erhöhten Geschäftsgebühr führt.

a)  Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV werde von dieser Anrechnungsvorschrift nicht erfasst (Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 Rn 87; Mock, RVG-Berater 2004, 87, 88 f.). Nr. 1008 VV stelle einen eigenen Gebührentatbestand dar, der in der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV nicht erwähnt werde.

b)  Andere verlangen gleichfalls eine gesonderte Behandlung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV, wollen aber die Gebührenerhöhung analog der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV zur Hälfte, also mit 0,15 pro weiteren Auftraggeber anrechnen (Hergenröder, AGS 2007, 53, 55; AGS 2005, 275; RVGreport 2004, 363; N. Schneider, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, § 14 Rn 58 ff., zitiert nach AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 3. Aufl., Vorbem. 3 Rn 206). Ansonsten könnte ein Anwalt aus Gebührengründen dazu verleitet sein, eine Streitsache gerichtlich auszutragen. Damit werde aber das Ziel des Gesetzgebers verfehlt, der bei der Konzeption des RVG auf eine Entlastung der Justiz bedacht gewesen sei.

c)  Im Gegensatz zu diesen Meinungen wird überwiegend der Standpunkt vertreten, die erhöhte Geschäftsgebühr sei auch bei der Anrechnung nach der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV höchstens mit einem Satz von 0,75 zu berücksichtigen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 Rn 256 ff.; Bischof, RVG, 2. Aufl., Nr. 1008 Rn 93; Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 8, Rn 139; Hansens, RVGreport 2004, 96; Enders, JurBüro 2005, 449, 450; LG Düsseldorf MDR 2007, 1164). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV stellt keine eigenständige Gebühr dar (Senat JurBüro 2007, 543 zu Nr. 2503 VV [= AGS 2007, 466]). Zwar wird Teil 1 des RVG (Nrn. 1000 bis 1009 V...

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