Rz. 53

Im zweiten Schritt[120] ist die Frage aufzuwerfen, ob die zu überprüfende(n) Vertragsbestimmung(en) wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.

[120] Zur Verortung der hiesigen Ausführungen siehe das Prüfungsschema in der Einleitung zu Rdn 50.

1. Allgemeine Rechtsgeschäftslehre

 

Rz. 54

Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen folgt dabei zunächst allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen. Es ist also insbesondere zu fragen, ob die den Arbeitsvertrag anbietende Vertragspartei – dies wird in den hier interessierenden Fällen in aller Regel der Arbeitgeber sein – die vorformulierten Vertragsbedingungen zum Gegenstand ihres Angebots gemacht hat und ob dieses Angebot auch von der anderen Vertragspartei angenommen wurde. Da der Abschluss von Arbeitsverträgen und von anderen Verträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (wie z.B. Änderungsverträge und Aufhebungsverträge) vielfach so abläuft, dass der Arbeitgeber das für die jeweilige Situation vorformulierte Vertragsmuster vorlegt und allenfalls noch kleinere Abweichungen ausgehandelt werden, ist die Einbeziehung der AGB bzw. der vorformulierten Einmalbedingung in den Vertrag in der Praxis regelmäßig unproblematisch.

 

Rz. 55

Veranlasst ist an dieser Stelle u.U. die Prüfung, ob eine Klausel wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB unwirksam und damit einer weiteren Inhaltskontrolle entzogen ist. § 134 BGB und die §§ 305 ff. BGB sind nach h.A. nebeneinander anwendbar.[121] Im Verhältnis zu § 138 BGB und § 242 BGB sind die §§ 305 ff. BGB dagegen nach h.M. lex specialis. Diese Vorschriften treten daher zurück, wenn sich die Sitten- oder Treuwidrigkeit gerade aus den Gründen ergibt, die für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB maßgeblich sind.[122]

 

Rz. 56

Auch die Tatsache, dass der Vertragspartner des Verwenders etwa der deutschen Sprache nicht (ausreichend) mächtig und damit nicht in der Lage ist, das in deutscher Sprache verfasste Vertragsmuster vollständig zu verstehen, steht einer Einbeziehung der AGB nach allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen.[123]

[121] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 39 f.
[122] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 40 f.

2. Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB

 

Rz. 57

Besonderer Erwähnung bedarf allerdings, dass die im Bereich des allgemeinen Zivilrechts für die Frage der wirksamen Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen sehr wichtigen Absätze 2 und 3 des § 305 BGB auf "Arbeitsverträge" gerade nicht anzuwenden sind (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB):

§ 305 Abs. 2 BGB sieht ganz allgemein vor, dass AGB im Normalfall nur dann Bestandteil eines Vertrags werden, wenn der Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich oder jedenfalls durch deutlich sichtbaren Aushang auf die AGB hinweist und dem Vertragspartner auch die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Bei "Arbeitsverträgen" sah der Gesetzgeber jedoch die Einhaltung dieser im allgemeinen Zivilrecht zentralen Vorschriften als nicht notwendig an und hat deshalb in § 310 Abs. 4 BGB vorgesehen, dass allgemein bei Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf "Arbeitsverträge" die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen[124] und eben die § 305 Abs. 2 und 3 BGB nicht anzuwenden sind. Der Begriff des "Arbeitsvertrages" ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Gemeint ist hier nicht nur die erstmalige Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern sämtliche Absprachen und (Gesamt-)Zusagen, die die Vertragsparteien gerade in ihrer Rolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen.[125] Dies umfasst grundsätzlich auch Änderungsverträge und auch Aufhebungsverträge.[126]

Die Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB in diesen Fällen begründet der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber ja schon nach den Vorschriften des Nachweisgesetzes[127] verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer die notwendigen Vertragsbedingungen auszuhändigen bzw. zumindest auf die einschlägigen Tarifverträge, Dienst- oder Betriebsvereinbarungen hinzuweisen.[128] Es erscheint zweifelhaft, ob dies wirklich die Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB in arbeitsrechtlichen Zusammenhängen rechtfertigt,[129] jedoch ist der Gesetzeswortlaut klar und eindeutig. Für eine besondere Einbeziehungskontrolle anhand der § 305 Abs. 2 und 3 BGB ist im Fall von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen damit kein Raum. Vor dem Hintergrund des klaren Wortlauts verbietet sich auch eine analoge Anwendung der § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB.[130] Aus der Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB folgt zugleich auch, dass eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge, Arbeitsordnungen oder sonstige Regelungen, die nicht selbst im Arbeitsvertrag abgedruckt sind (ggf. auch dynamisch in Form eines Verweises auf die Regelung in ihrer jeweils gültigen Fassung), unabhängig von einer Aushändigung der Regelung bzw. der Möglichkeit der Kenntnisverschaffung durch den Arbeitnehmer im Grundsatz möglich ist.[131]

[124] Vgl. dazu unter Rdn 147 ...

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