2.2.1.1 Die Anspruchsvoraussetzungen

Mit § 15b Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) – der Vorläuferregelung des § 11 TVöD – wurde schon weit vor Inkrafttreten des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung tarifvertraglich vereinbart. Mit der tariflichen Regelung ermöglichen es die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren.

Die Regelung in § 11 TVöD lautet:

Zitat

Mit Beschäftigten soll auf Antrag eine geringere als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie

  1. mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder
  2. einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Auch bereits in Teilzeit beschäftigte Mitarbeiter können nach § 11 Abs. 1 TVöD eine weitere Reduzierung der individuell arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen. Die in § 15b Abs. 1 Satz 1 BAT noch vorhandene Einschränkung auf Vollbeschäftigte wurde von der Rechtsprechung als diskriminierend und damit unwirksam angesehen[1] und konsequenterweise nicht mehr in den TVöD aufgenommen.

Der Beschäftigte muss nach Buchst. a) mindestens 1 Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen.

Der Begriff "Kind" wird nicht näher definiert. Es bietet sich jedoch an, auf den Kindbegriff im Kindergeldrecht, §§ 63, 32 EStG bzw. § 2 BKGG, Bezug zu nehmen.[2]

Was unter "tatsächlicher Betreuung" zu verstehen ist, ist zweifelhaft. Die Anforderungen dürfen nicht zu eng gesteckt werden, da der Tarifwortlaut auch die Betreuung z. B. eines 17-jährigen Kindes erfasst. Ein 17-jähriges "Kind" muss nicht im engeren Sinne betreut werden. Der/die Jugendliche wird häufig nicht einmal den Tag zu Hause verbringen. Demnach muss wohl auch die bloße Haushaltsführung als Betreuung gelten.[3]

 
Hinweis

Neben dem Rechtsanspruch aus § 11 Abs. 1 TVöD ist während der Elternzeit auch der Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 15 BEEG zu beachten. Damit hat der tarifliche Anspruch vor allem Bedeutung bei der Kindererziehung nach Ablauf der Elternzeit oder wenn während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung mit einem Umfang von weniger als 15 Wochenstunden verlangt wird.

§ 11 TVöD erfasst nach Buchst. b daneben den Fall, in dem ein nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger tatsächlich gepflegt wird. Damit bestand für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bereits vor Inkrafttreten des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes ein Rechtsanspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung zur Pflege von Angehörigen.

 
Praxis-Tipp

Mit Wirkung zum 1.7.2008 trat das Pflegezeitgesetz in Kraft, das Einzelheiten zum Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sowie zum Begriff des pflegebedürftigen "nahen Angehörigen" regelt und einen – auf 6 Monate begrenzten – gesetzlichen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit vorsieht. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit in § 11 TVöD empfiehlt sich eine Parallele zum PflegeZG i. V. m. §§ 14, 15 SGB XI. Auf die Ausführungen unten, Ziffer 2.5, sowie im Stichwort Pflegezeit, Familienpflegezeit, Betreuungszeit wird verwiesen.

Die Pflegebedürftigkeit zu bestimmen, bleibt letztlich der Einstufung durch den Medizinischen Dienst der Pflegeversicherung oder einem ärztlichen Gutachten vorbehalten, wobei mindestens Pflegestufe I, ab 1.1.2017 Pflegegrad 1 erfüllt sein muss.[4]

"Angehörige" i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD sind zunächst Kinder über 18 Jahre. Darüber hinaus wird in der Literatur[5] hinsichtlich des Begriffs "Angehöriger" regelmäßig auf die Definition in § 20 Abs. 5 Satz 1 VwVfG zurückgegriffen. Danach sind Angehörige:

  • Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes,
  • Ehegatten*,
  • Lebenspartner*,
  • Verwandte und Verschwägerte gerader Linie*,
  • Geschwister,
  • Kinder der Geschwister,
  • Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten*,
  • Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner*,
  • Geschwister der Eltern,
  • Pflegeeltern und Pflegekinder, selbst wenn die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht.

* selbst wenn die die Beziehung begründende Ehe bzw. Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht.

Das PflegeZG definiert in § 7 Abs. 3 den Begriff "nahe Angehörige" i. S. d. PflegeZG. Die Begriffsbestimmung im VwVfG geht teilweise über die dortige Definition hinaus. So sind die Pflegeeltern im PflegeZG nicht als "nahe" Angehörige genannt. Andererseits erfasst das PflegeZG die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft und die Partner einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, ohne dass ein Eheversprechen – eine "Verlobung" – vorliegen muss. Da der Begriff in § 11 TVöD nicht auf die "nahen" Angehörigen begrenzt und somit weiter gefasst ist als die Bestimmung im PflegeZG, wird man – die Wertung des Gesetzgebers im PflegeZG zugrunde legend – zukünftig auch von einem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 11 TVöD für die Pflege des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft bzw. einer lebenspartner...

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