Nach dem FPfZG in der Fassung vom 6.12.2011 hatten die Beschäftigten – im Gegensatz zu dem seit 1.1.2015 geltenden FPfZG und im Unterschied zum ersten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend[1] – keinen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit. Vielmehr bedurfte die Familienpflegezeit einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem/der Beschäftigten. Die Familienpflegezeit soll sich diesbezüglich am gesetzlichen Modell der Altersteilzeit orientieren (näher unten).[2]

Die Familienpflegezeit bedarf einer "Vereinbarung" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Gesetz enthält keine Regelung, inwieweit der Arbeitgeber einer solchen Vereinbarung zustimmen bzw. in welchen Fällen der Arbeitgeber den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ablehnen kann.

Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Somit könnte argumentiert werden, dass der Arbeitgeber jederzeit aus sachlichen Gründen den Abschluss einer Familienpflegezeitvereinbarung ablehnen könne. Vorliegend wird man jedoch dem Arbeitnehmer das Recht zusprechen müssen, dass der Arbeitgeber nach "billigem Ermessen" (§ 315 Abs. 3 BGB) über seinen Antrag auf Abschluss einer Familienpflegezeitvereinbarung entscheidet.

Eine Parallele zur Rechtsprechung des BAG zur Elternzeit erscheint angebracht. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann eine für die Dauer von weniger als 3 Jahren geltend gemachte Elternzeit verlängert werden, "wenn der Arbeitgeber zustimmt". Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 BEEG ist ein Anteil der Elternzeit von bis zu 12 Monaten "mit Zustimmung des Arbeitgebers" über das 3. Lebensjahr hinaus auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragbar. Nach der Rechtsprechung des BAG[3] muss der Arbeitgeber in beiden genannten Fällen seine Entscheidung über die Zustimmung nach "billigem Ermessen" unter Abwägung der betrieblichen Interessen mit dem Interesse der Eltern an der Betreuung der Kinder treffen. Auch hinsichtlich der tariflichen Regelung zum Sonderurlaub[4] hat das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber "billiges Ermessen" zu wahren hat.[5]

Im Bereich des TVöD ist darüber hinaus zu beachten, dass nach § 11 Abs. 1 des Tarifvertrags eine Reduzierung der Arbeitszeit zu Pflegezwecken bewilligt werden soll, wenn dringende dienstliche/betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Bei einer Entscheidung über den Antrag auf Familienpflegezeit nach "billigem Ermessen" muss der Arbeitgeber die betrieblichen/dienstlichen Interessen abwägen mit dem Interesse des/der Beschäftigten, einen nahen Angehörigen über einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren in häuslicher Pflege zu betreuen und dabei die im FPfZG vorgesehenen Leistungen (Aufstockungsbetrag, besonderer Kündigungsschutz) zu erhalten.

Die Ablehnung eines Antrags dürfte sachlich gerechtfertigt sein,

  • während der 6-monatigen Wartezeit, weil der Beschäftigte sonst bereits in dieser Zeit besonderen Kündigungsschutz genießen würde (siehe unten),
  • wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb beeinträchtigen würde, z. B. weil eine Ersatzeinstellung für den frei werdenden Stundenanteil nachweisbar nicht realisiert werden kann, oder
  • unverhältnismäßige Kosten verursachen würde, z. B. für eine Aushilfe mit geringem Stundenumfang müsste ein weiteres Dienstfahrzeug angeschafft werden (vgl. die Rechtsprechung zu § 8 TzBfG).

Allein der mit der Familienpflegezeit verbundene Verwaltungsaufwand – insbesondere hinsichtlich der Abwicklung des Wertguthabens und des Darlehens sowie etwaiger Störfälle – dürfte als Ablehnungsgrund in der Regel kaum ausreichen. Auf die oben erwähnten Ausnahmefälle einer nur geringfügigen Arbeitszeitreduzierung wird verwiesen. Anders als nach § 8 TzBfG sind die Ablehnungsgründe aber nicht auf betriebliche Gründe beschränkt. Letztlich bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte die Frage der Ablehnungsmöglichkeiten entscheiden werden.

Im FPfZG ist – ebenso wie im PflegeZG – eine Wartezeit für neu eingestellte Arbeitnehmer nicht vorgesehen. Somit kann eine Vereinbarung über die Familienpflegezeit auch mit neu eingestellten Arbeitnehmern geschlossen werden. Zu beachten ist hierbei jedoch:

Während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses genießt der Arbeitnehmer noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Gewährt der Arbeitgeber dennoch Familienpflegezeit, so besteht besonderer Kündigungsschutz (Einzelheiten unten Zif­fer 3.8)!

Auch die Dauer der Familienpflegezeit muss zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem vereinbart werden, sie ist zwingender Bestandteil der zu schließenden Familienzeitvereinbarung. Diesbezüglich ist ebenfalls nach billigem Ermessen zu entscheiden.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer mit einer hochqualifizierten, ganz speziellen Tätigkeit möchte Fami­lienpflegezeit für die höchstmögliche Dauer von 24 Monaten in Anspruch nehmen. Der Arbeitgeber lehnt den Antrag ab mit der Begründung, dass eine Ersatzeinstellung für den freiwerdenden Stellenanteil nachweisbar n...

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