LAG Niedersachsen, Urteil v. 8.2.2018, 7 Sa 256/17

Soweit keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Besuch sprechen, sind Arbeitnehmer verpflichtet, eine Arbeitsversäumnis wegen eines Arztbesuchs möglichst zu vermeiden und Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeiten wahrzunehmen. Wenn der Arzt jedoch auf terminliche Wünsche keine Rücksicht nehmen kann oder will, liegt ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis vor.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Klima- und Lüftungsmonteur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet laut Arbeitsvertrag der Manteltarifvertrag des Groß- und Außenhandels Niedersachsen vom 19.6.1997 Anwendung, dessen § 13 Regelungen zur ein- bis mehrtägigen Freistellung von der Arbeit (als abschließende Fälle des § 616 BGB) und § 14 Regelungen zur Arbeitsverhinderung enthält, wonach gem. § 14 Ziff. 3 MTV in allen Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis das Entgelt für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortzuzahlen ist.

Am 26.4.2016 nahm der Kläger in der Zeit von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr einen Arzttermin bei einem Orthopäden wahr. Nach diesem Termin arbeitete er – ebenso wie im Vorfeld – nicht mehr, sondern stellte einen Antrag auf Freizeitausgleich. Die Beklagte zahlte für den Tag zwar die Arbeitsvergütung, belastete das Arbeitszeitkonto des Klägers jedoch mit den vollen 8,25 Stunden. Der Kläger machte nun eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto von 1,5 Stunden geltend. Da seine regelmäßige Arbeitszeit montags bis donnerstags bis 16:15 Uhr und freitags bis 13:00 Uhr gehe, könne er keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit wahrnehmen, da die Sprechstundenzeiten des Arztes nur bis 15:00 Uhr bzw. 12:00 Uhr stattfinden.

Die Entscheidung

Die Klage auf bezahlte Freistellung für die Dauer des Arztbesuchs hatte vor dem LAG Erfolg.

Das Gericht entschied, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung für die Dauer seines Arztbesuchs aus § 14 Ziff. 3 MTV habe, sodass dem Arbeitszeitkonto des Klägers die 1,5 Stunden ohne Rückforderung der für die Zeit des Arztbesuchs gezahlten Vergütung gutzuschreiben seien; denn der Kläger war am 26.4.2016 für die Dauer von 1,5 Stunden unverschuldet an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen.

Das LAG führte hierzu aus, dass ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis auch bei einem Arztbesuch vorliegen könne, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann, da hier eine Konfliktsituation für den Arbeitnehmer vorliege, der einerseits zur Arbeitsleistung verpflichtet sei, aber keine Möglichkeit habe, einen Termin bei dem Arzt seiner Wahl zu bekommen. So war es auch im Fall des Klägers.

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