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BVerwG Beschluss vom 30.10.2013 - 9 B 17.13

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Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 18.01.2013; Aktenzeichen 11 D 74/09.AK)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin zu 1 zu 1/4, der Kläger zu 2 zu 3/4.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 000 € festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

 Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Rz. 2

 1. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift, zu der eine höchstrichterliche Entscheidung bislang noch nicht ergangen ist, ist allein deshalb von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache vielmehr nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Rz. 3

 Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

“Genießen beim Bau oder bei der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen, im (planungsrechtlichen) Außenbereich gelegene Campingplätze grundsätzlich oder dann, wenn sie in erheblichem Umfang von Dauer- und Jahrescampern belegt sind, wegen des erheblich geringeren baulichen Schutzes von Wohnwagen, Wohnmobilen und Zelten etc. gegen Lärm und wesentlich schlechterer Schutzmöglichkeiten gegen einwirkende Lärmimmissionen in Anwendung von § 2 Abs. 2 16. BlmSchV wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit mindestens den Schutzstandard des § 2 Abs. 1 Nr. 1 16. BlmSchV wie für Krankenhäuser, Schulen, Kurheime und Altenheime mit Immissionsgrenzwerten von tagsüber 57 dB(A) und nachts 47 dB(A) und sind diese für normale Bauwerke gültigen Grenzwerte wegen des baulich stark eingeschränkten Lärmschutzes richterrechtlich nicht noch weiter absenkbar und somit abzusenken?”

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist.

Rz. 4

 Regelungsziel der 16. BImSchV ist nach deren § 2 Abs. 1 in Übereinstimmung mit § 1 und § 41 Abs. 1 BImSchG, durch Festlegung bestimmter Immissionsgrenzwerte den Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Straßen und Schienenwegen sicherzustellen. § 2 Abs. 1 16. BImSchV legt dazu vier Schutzkategorien mit jeweils einem bestimmten Tages- und Nachtimmissionsgrenzwert fest, dessen Beurteilungspegel durch Verkehrsgeräusche nicht überschritten werden darf; Nr. 1 dieser Regelung bezieht sich auf ausgewählte einzelne bauliche Anlagen, Nr. 2, 3 und 4 enthalten gebietsbezogene Festlegungen. Darüber hinaus enthält § 2 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV eine Sonderregelung für bauliche Anlagen im Außenbereich. Zwar sind auch diese nach Abs. 1 entsprechend ihrer jeweiligen Schutzbedürftigkeit zu beurteilen; für die Zuordnung zu einer bestimmten Schutzkategorie des Abs. 1 steht aber nicht der gesamte Katalog zur Verfügung; der Verordnungsgeber hat bei baulichen Anlagen im Außenbereich vielmehr die Anwendung der Immissionsgrenzwerte der Nr. 2 für reine und allgemeine Wohngebiete sowie Kleinsiedlungsgebiete ausdrücklich ausgenommen. Damit trägt er dem Umstand Rechnung, dass bauliche Anlagen im Außenbereich gerade im Hinblick auf ihre Lage graduell weniger schutzbedürftig sind, es sei denn, es handelt sich um die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 16. BImSchV genannten Anlagen, die der Verordnungsgeber angesichts der Zweckbestimmung dieser Anlagen (Krankenhäuser, Schulen, Kurheime und Altenheime) an die Spitze der Schutzbedürftigkeit gestellt hat (Beschluss vom 17. März 1992 – BVerwG 4 B 230.91 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 3 S. 3 f.).

Rz. 5

 Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Verkehrslärmschutzverordnung keine weitere Differenzierung nach den baulich-konstruktiven Eigenschaften einzelner Objekte vorsieht, so dass auch für “dünnhäutige Wohnwagen” die Immissionsgrenzwerte für Mischgebiete zugrundezulegen sind (UA S. 33).

Rz. 6

 Neue Gesichtspunkte, aus denen in dem erstrebten Revisionsverfahren über die bisherige Rechtsprechung hinaus zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten (vgl. hierzu Beschluss vom 25. November 1992 – BVerwG 6 B 27.92 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 m.w.N.), legt die Beschwerde nicht dar.

Rz. 7

 2. Auch die ausdrücklich erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

Rz. 8

 Die Kläger bemängeln, dass an der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2013 andere ehrenamtliche Richter als zuvor beim – vertagten – Termin am 3. Mai 2012 mitgewirkt haben. Insoweit ist aber kein Verfahrensfehler erkennbar; insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts (§ 112 VwGO) vor. § 112 VwGO schreibt zwar vor, dass das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden darf, die an der dem Urteil zugrundeliegenden Verhandlung teilgenommen haben. Damit ist jedoch die letzte mündliche Verhandlung gemeint (vgl. Beschlüsse vom 19. September 1973 – BVerwG 6 C 123.73 – Buchholz 448.0 § 34 WPflG Nr. 21, vom 14. März 2011 – BVerwG 8 B 61.10 – ZOV 2011, 123 Rn. 23 und vom 26. August 2013 – BVerwG 9 B 13.13 – juris Rn. 8 ff.). Weder im Verwaltungsnoch im Zivilprozess besteht eine Regelung des Inhalts, die einmal in mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme mit einer Sache befasst gewesenen Richter müssten auch bis zur Entscheidung mit dieser Sache befasst bleiben (vgl. Urteil vom 23. September 1983 – BVerwG 6 C 13.83 – juris Rn. 15, insoweit in Buchholz 310 § 112 VwGO Nr. 5 nur als Leitsatz abgedruckt; Beschluss vom 12. Juli 1985 – BVerwG 9 CB 104.84 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 56 S. 32). Wesentlich ist, dass die zur Entscheidung berufenen Richter ihre Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens bilden konnten, weil sie – insbesondere während der Beratung – über alle entscheidungserheblichen Umstände informiert worden sind. Das ist regelmäßig auch hier anzunehmen. In gleicher Weise wie davon auszugehen ist, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten grundsätzlich zur Kenntnis nimmt, spricht aufgrund der Bindung des Richters an Gesetz und Recht eine Vermutung dafür, dass in ähnlicher Weise wie im Falle der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allen Richtern im Rahmen der Beratung eine vollständige Unterrichtung über den Sach- und Streitstoff zuteil wird (Beschluss vom 26. August 2013 a.a.O. Rn. 10).

Rz. 9

 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Von dem Streitwert entfallen 30 000 € auf die Klägerin zu 1 und 90 000 € auf den Kläger zu 2.

 

Unterschriften

Dr. Bier, Buchberger, Dr. Bick

 

Fundstellen

ZAP 2014, 595

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