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BVerwG Beschluss vom 21.12.1999 - 7 B 116.99

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Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen 2 S 231/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer von ihr verwalteten Familienstiftung als kirchliche Stiftung. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch die Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassung der Revision erreichen möchte, hat keinen Erfolg. Dem Beschwerdevorbringen ist kein Revisionszulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO zu entnehmen.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 13, 90) voraus, daß die Rechtssache eine bestimmte Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Die Rechtsfrage und der bestehende Klärungsbedarf müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerdebegründung der Klägerin vom 15. Mai 1999 läßt jedoch keine Frage des revisiblen Rechts mit grundsätzlicher Bedeutung erkennen.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist auf § 26 des Gesetzes der ehemaligen DDR über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen (Stiftungsgesetz – StiftG) vom 13. September 1990 in der Fassung des Rechtsbereinigungsgesetzes vom 26. Juni 1996 (GVBl Sachsen-Anhalt 1996, S. 210; Neubekanntmachung GVBl Sachsen-Anhalt 1997, S. 144) gestützt. Nach dieser dem irrevisiblen Landesrecht angehörenden Vorschrift sind kirchliche Stiftungen solche Stiftungen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, kirchliche Aufgaben zu erfüllen, und die von einer Kirche errichtet oder organisatorisch mit einer Kirche verbunden oder in der Stiftungssatzung der kirchlichen Aufsicht unterstellt oder deren Zwecke nur sinnvoll in Verbindung mit einer Kirche zu erfüllen sind. Das Oberverwaltungsgericht hat der umstrittenen Stiftung sowohl unter dem Gesichtspunkt ihrer Zweckbestimmung als auch unter dem Gesichtspunkt eines der Kirche zustehenden Aufsichtsrechts die Eigenschaft einer kirchlichen Stiftung abgesprochen. Die Klägerin hält die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts unter beiden Gesichtspunkten für rechtsfehlerhaft und meint, die Rechtssache besitze grundsätzliche Bedeutung, weil es „um die Qualifizierung einer Familienstiftung als kirchlich anhand der Merkmale ‚kirchlicher Zweck’ und ‚kirchliche Aufsicht’” gehe, weil die „Rechtsfrage einer zutreffenden begrifflichen Erfassung der für eine kirchliche Stiftung konstitutiven Merkmale” zu entscheiden sei oder weil Veranlassung bestehe, „in verallgemeinerungsfähiger Weise Kriterien zu den Merkmalen ‚kirchlicher Zweck’ und ‚kirchliche Aufsicht’ zu entwickeln”. Diese Fragen können die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigen, weil sie ausschließlich die zutreffende Auslegung und Anwendung der entscheidungstragenden Vorschrift des § 26 StiftG betreffen, deren Inhalt nach § 137 Abs. 1 VwGO in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte. Gleiches gilt für die Einwände der Klägerin gegen die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, daß das Stiftungsregulativ über die „Vertheilung des Küchmeister- und Lietzo'schen Familienstipendiums” vom 22. Juni 1884 eine kirchliche Zweckbestimmung nicht bewirkt habe und daß durch den Vergleich zwischen dem Land Anhalt und der Landeskirche vor dem Oberlandesgericht Naumburg vom 3. Februar 1930, das Zusatzabkommen vom 18. März 1930 und das dazu ergangene Zustimmungsgesetz vom 15. April 1930 die Aufsicht nicht auf die Klägerin übergegangen sei. Auch diesen Einwänden ist eine im Revisionsverfahren klärungsfähige Frage des revisiblen (Bundes-)Rechts nicht zu entnehmen; vielmehr setzt die Klägerin wiederum nur der vom Oberverwaltungsgericht in Anwendung von irrevisiblem Landesrecht gewonnenen Rechtsauffassung ihre eigene abweichende Rechtsmeinung entgegen. In Anbetracht der Irrevisibilität der maßgeblichen Rechtsnorm läßt sich die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits auch nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten „Signalwirkung” der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für andere Stiftungen im Land Sachsen-Anhalt und darüber hinaus im gesamten Bundesgebiet herleiten. Die behauptete tatsächliche Ähnlichkeit des Streitfalls mit anderen Fällen reicht allein zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht aus.

Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich nicht deswegen als solche des revisiblen Rechts dar, weil die Klägerin zugleich geltend macht, das Berufungsgericht habe sie unter Verletzung von Bundesverfassungsrecht beantwortet. Die Klägerin meint, das Berufungsurteil verstoße gegen die Kirchengutsgarantie gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Auch mit diesem Vorbringen wird sie ihrer Verpflichtung zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Hierzu wäre es vielmehr erforderlich gewesen darzutun, daß und inwiefern die gegenüber dem angewendeten Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundesverfassungsrechtlichen Normen ihrerseits einer weiteren inhaltlichen Klärung durch das Revisionsgericht bedürfen (stRspr; vgl. etwa Beschluß vom 3. März 1997 – BVerwG 8 B 130.96 – NVwZ 1998, 66; Beschluß vom 21. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 266.94 – NVwZ 1995, 601). An solchen Ausführungen fehlt es; das Beschwerdevorbringen geht über den Vorwurf der Unvereinbarkeit des Berufungsurteils mit der Kirchengutsgarantie und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht hinaus. Daß eine Stiftung aus der Sicht des Bundesverfassungsrechts nicht schon deshalb eine kirchliche Stiftung ist, weil sie von der Kirche selbst als solche betrachtet wird, liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren (vgl. BVerfGE 46, 73 ≪84≫).

Auch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 22. September 1999 ergänzend geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 26 StiftG können nicht zur Zulassung der Revision führen. Das folgt schon daraus, daß dieser Schriftsatz erst nach dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist und daher bei der Prüfung der Darlegungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO von vornherein außer Betracht bleiben muß. Abgesehen davon läßt auch dieser Schriftsatz eine nähere Auseinandersetzung mit dem Inhalt der herangezogenen bundesverfassungsrechtlichen Normen und die hieran anknüpfende Formulierung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage vermissen.

2. Die Revision ist ferner nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der gerügten Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuzulassen.

Eine zur Revisionszulassung führende Divergenz ist nur dann gegeben, wenn der Entscheidung der Vorinstanz ein abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der zu einem ebensolchen und in Anwendung derselben Rechtsvorschrift gewonnenen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts in Widerspruch steht (stRspr; vgl. etwa Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ Nr. 26 m.w.N). Einen derartigen Widerspruch zeigt die Klägerin entgegen den auch insoweit geltenden Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht auf. Sie formuliert weder einen das angefochtene Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz, noch stellt sie diesem Rechtssatz die nach ihrer Ansicht hierzu in Widerspruch stehenden Rechtssätze in den angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegenüber. Statt dessen erhebt sie auch mit ihrer Abweichungsrüge ausschließlich den Vorwurf, daß das Berufungsurteil „die Bedeutung des kirchlichen Selbstverständnisses bei der Qualifizierung kirchlicher Aufgaben sowie die Tragweite der Kirchengutsgarantie auch für Rechte an Kultus-, Unterrichts und Wohltätigkeitszwecken dienenden Stiftungen völlig verkennt”. Selbst wenn dieser Vorwurf begründet wäre, würde sich hieraus keine über die fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung des geltenden Staatskirchenrechts hinausgehende Meinungsverschiedenheit zwischen dem Berufungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht in einer abstrakten Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Herbert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566567

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