Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BVerfG Beschluss vom 30.10.2019 - 2 BvR 980/16

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung bzgl des Ankaufs von Staatsanleihen durch die Bundesbank im Rahmen des PSPP (Public Sector Purchase Programme). unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. kein schwerer Nachteil mit Blick auf bevorstehende Hauptsacheentscheidung

 

Normenkette

BVerfGG § 32 Abs. 1; AEUV Art 127; AEUV Art 127ff; ESZB/EZBSa Art 10.2

 

Verfahrensgang

EuGH (Urteil vom 11.12.2018; Aktenzeichen C-493/17)

BVerfG (Beschluss vom 10.10.2017; Aktenzeichen 2 BvR 859/15)

BVerfG (EuGH-Vorlage vom 18.07.2017; Aktenzeichen 2 BvR 859/15)

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 05.05.2020; Aktenzeichen 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16)

BVerfG (Beschluss vom 14.01.2020; Aktenzeichen 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16)

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.

 

Gründe

A.

Rz. 1

Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2019 gemäß § 32 BVerfGG den Erlass einer einstweiligen Anordnung folgenden Inhalts beantragt:

1. Die Deutsche Bundesbank wird vom Vollzug des Public Sector Purchase Programme (Beschlüsse der Europäischen Zentralbank vom 4. März 2015, vom 5. November 2015) in Gestalt des Beschlusses vom 12. September 2019 durch Wiederaufnahme des Anleihenkaufs ab 1. November 2019 dispensiert.

2. Dem Präsidenten der Bundesbank wird aufgegeben, bei zukünftigen Beschlüssen des EZB-Rates sein Stimmrecht gemäß Art. 10.2 der EZB-Satzung auszuüben und auf die Beschlussfassung im EZB-Rat durch Abstimmung gemäß Art. 10.2 der EZB-Satzung in Verbindung mit Art. 4.2 der GO der EZB hinzuwirken.

3. Der Bundesregierung wird aufgegeben, gegen das Public Sector Purchase Programme der Europäischen Zentralbank in Gestalt der Beschlüsse vom 12. September 2019 Klage vor dem EuGH zu erheben und - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass deren innerstaatliche Auswirkungen soweit wie möglich begrenzt bleiben.

Rz. 2

Zur Begründung führen die Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile für die demokratische Partizipation, insbesondere für die Budgethoheit des Deutschen Bundestages, sowie für die Funktionsfähigkeit der Bundesbank und somit zum gemeinen Wohl dringend geboten sei. Die Abwägung der Konsequenzen führe zu dem Ergebnis, dass etwaige Nachteile durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber den sicheren Nachteilen eines Unterbleibens der einstweiligen Anordnung zu vernachlässigen seien.

Rz. 3

Im Hinblick auf die durch die Beschlüsse vom 12. September 2019 veranlasste Gefahrenlage sei der Erlass der einstweiligen Anordnung zwingend geboten. Es sei zu befürchten, dass die EZB (Europäische Zentralbank) auf absehbare Zeit ihre unkonventionelle Aufkauf- und Nullzins-Politik bereits deshalb steigern werde, weil diese sich im Hinblick auf das Inflationsziel von rund 2 % als wirkungslos erwiesen habe. Es solle verhindert werden, dass das als Ultra-vires-Akt zu qualifizierende PSPP durch die Wiederaufnahme der Netto-Ankäufe vertieft werde. Nur durch die Dispensierung der Deutschen Bundesbank von ihrer Vollzugspflicht der EZB-Beschlüsse vom 12. September 2019 könnten die bisherigen und künftigen Verlustrisiken und damit die Gefahren für den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland in Grenzen gehalten werden. Bei Verwerfung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Anordnung bestünde für die Beschwerdeführer keine Möglichkeit, die Vorwegnahme der Hauptsache durch die EZB beziehungsweise die näher beschriebenen Unterlassungen von Bundesbank, Bundesregierung und Bundestag zu verhindern.

B.

Rz. 4

Der Antrag ist unzulässig.

I.

Rz. 5

Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache nicht vorweggenommen werden (vgl. BVerfGE 34, 160 ≪162≫; 46, 160 ≪163 f.≫; 67, 149 ≪151≫; 147, 39 ≪46 f. Rn. 11≫; stRspr). Über die in der Hauptsache aufgeworfenen Fragen kann im Verfahren nach § 32 BVerfGG grundsätzlich nicht entschieden werden (vgl. BVerfGE 12, 276 ≪279≫; 15, 77 ≪78≫); durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung soll lediglich ein Zustand vorläufig geregelt, nicht aber die Hauptsache präjudiziert werden (vgl. BVerfGE 8, 42 ≪46≫; 15, 219 ≪221≫). Eine Vorwegnahme der Hauptsache steht der Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann nicht entgegen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. BVerfGE 34, 160 ≪162 f.≫; 67, 149 ≪151≫; 108, 34 ≪40≫; 130, 367 ≪369≫). Unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig dann, wenn es dem Antragsteller nur um eine eilige Entscheidung über die im Hauptsacheverfahren angegriffene Maßnahme geht (vgl. BVerfGE 147, 39 ≪47 Rn. 11≫).

Rz. 6

Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist anzunehmen, wenn der beantragte Inhalt der einstweiligen Anordnung und das Rechtsschutzziel in der Hauptsache, wenn nicht deckungsgleich, so doch zumindest vergleichbar sind, wenn also die stattgebende einstweilige Anordnung mit dem Zeitpunkt ihres Erlasses einen Zustand in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu verwirklichen erlaubt, der erst durch die zeitlich spätere Entscheidung in der Hauptsache hergestellt werden soll.

II.

Rz. 7

Danach kann der Antrag keinen Erfolg haben, weil eine einstweilige Anordnung des von den Beschwerdeführern begehrten Inhalts die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnähme.

Rz. 8

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte, soweit dadurch der Ankauf von Staatsanleihen durch die Bundesbank im Rahmen des PSPP untersagt würde, nicht nur vorläufigen Charakter. Mit der Unterbrechung der Anleihekäufe durch die Bundesbank würde die Zielsetzung des PSPP, durch eine weitere Lockerung der monetären und finanziellen Bedingungen eine Transmission der geldpolitischen Effekte des Programms auf die Realwirtschaft und dadurch eine Anhebung der Inflation auf knapp 2 % zu bewirken, aufgrund des prozentualen Anteils der von der Bundesbank getätigten Ankäufe jedenfalls stark eingeschränkt oder womöglich sogar verhindert werden (BVerfGE 147, 39 ≪47 f. Rn. 14≫). Ob der Ausfall dieses Anteils ohne Weiteres von den übrigen Mitgliedern des Eurosystems kompensiert werden könnte und würde, ist ungewiss. Es ist auch unwahrscheinlich, dass im Fall des Scheiterns der Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren nach einer im Wege der einstweiligen Anordnung erwirkten Aussetzung der von der Bundesbank getätigten Ankäufe die damit verbundenen Folgen ohne Weiteres wieder beseitigt werden könnten, ohne dass Zielsetzung und Durchführung der von dem PSPP beabsichtigten Impulse dauerhaft beeinträchtigt würden. Eine antragsgemäße einstweilige Anordnung ginge daher über die bloße Sicherung des Status quo hinaus und wäre weitgehend identisch mit einer stattgebenden Entscheidung in der Hauptsache.

Rz. 9

2. Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführer beantragen, der Bundesregierung aufzugeben, während der Dauer des Fortwirkens der Maßnahmen geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass deren innerstaatliche Auswirkungen soweit wie möglich begrenzt bleiben, und dem Präsidenten der Bundesbank aufzugeben, bei zukünftigen Beschlüssen des EZB-Rates sein Stimmrecht in der näher bezeichneten Weise auszuüben und auf die Beschlussfassung im EZB-Rat hinzuwirken.

Rz. 10

3. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil den Antragstellern sonst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Nachteil entstünde. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache steht nach der mündlichen Verhandlung am 30./31. Juli 2019 kurz bevor, sodass im Hinblick auf das bisherige Gesamtankaufvolumen des PSPP eine temporäre Wiederaufnahme beziehungsweise Fortsetzung des Programms bei einem monatlichen Netto-Ankaufvolumen in Höhe von 20 Milliarden Euro keinen schweren Nachteil, insbesondere für die Budgethoheit des Deutschen Bundestages, herbeizuführen geeignet ist.

Rz. 11

4. Soweit die Antragsteller beantragen, die Bundesregierung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegen das PSPP Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu erheben, fehlt dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich dieser bereits auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 18. Juli 2017 (BVerfGE 146, 216) mit den auch für den vorliegenden Antrag relevanten Rechtsfragen im Urteil vom 11. Dezember 2018 (Weiss, C-493/17, EU:C:2018:1000) befasst hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13503210

BVerfGE 2020, 63

NZG 2019, 5

WM 2019, 2152

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Die digitale Fachbibliothek: Deutsches Anwalt Office Premium
Deutsches Anwalt Office Premium
Bild: Haufe Shop

Neben 150 Fachbüchern, Zeitschriften und einer Entscheidungsdatenbank bietet diese Fachbibliothek nützliche Umsetzungshilfen für die tägliche Fallbearbeitung sowie ein umfassendes Fortbildungsangebot.


Bundesverfassungsgerichtsge... / § 32 [Einstweilige Anordnungen]
Bundesverfassungsgerichtsge... / § 32 [Einstweilige Anordnungen]

  (1) Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren